Moment mal! Der Schrecken von Herpes EHV-1 hat europäischen Turniersport im Griff

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Einige sterben qualvoll, andere bleiben ihr Leben lang gezeichnet – das Virus EHV-1 hat den europäischen Pferdesport zum Erliegen gebracht. Nach der Seuche der Menschen tobt nun die Seuche der Pferde. Und mal wieder kommt es anders als geplant. Betroffene erheben heftige Vorwürfe gegen die FEI und die Organisatoren des Tunieres in Valencia.

Das hatte gerade noch gefehlt. Als ob das Corona-Virus nicht ausreicht, um unserem Leben und damit auch der Welt des Pferdesports den Boden unter den Füßen wegzureißen, wütet ausgehend vom spanischen Valencia jetzt auch noch das Herpes-Virus (EHV-1) in einer besonders aggressiven Variante und legt den europäischen Turniersport für mindestens vier Wochen lahm (sg-online berichtete). Auch die deutsche FN hat alle sportlichen und züchterischen Veranstaltungen bis 28. März abgesagt. Die Sportanlage in Valencia, auf der in diesen Tagen Reiter und Pferde über bunte Hindernisse galoppieren sollten, ist zu einem riesigen Krankenlager geworden. 80 Prozent der 156 Pferde, die sich dort noch aufhalten, sind erkrankt, vier deutsche Pferde sind gestorben, weitere schweben in Lebensgefahr.

Einer, den es besonders schlimm getroffen hat, ist der niedersächsische Springtrainer aus Thedinghausen, Hilmar Meyer, der mit 24 Pferden angereist war. Seine Schüler Thessa Thillmann und Tim Uwe Hoffmann verloren beide ein Pferd, Thessa die zwölfjährige 3q Quadira, mit der sie 2019 zum Silbermedaillenteam der EM Children gehört hatte, Tim Uwe die 14-jährige Casta Lee. „Es trifft fast ausschließlich Stuten“, sagt Meyer, “keiner weiß, warum das so ist.“

Zwei tote Pferde, drei in der Klinik, alle anderen krank, die Organisatoren überfordert, die Pferdekliniken überfüllt – es sind die schlimmsten Tage im Leben von Hilmar Meyer. „Hier tobt hier das Chaos.“ sagt der frühere Nationenpreisreiter. „Es ist grauenhaft, ich habe aufgehört zu weinen. Das einzig Gute: Hier hilft jetzt jeder jedem, so gut er kann. Wir kämpfen hier Schulter an Schulter um unsere Pferde. Es herrscht eine unglaubliche Solidarität.“ Die ist auch nötig, denn die Menschen, die in Valencia bei ihren todkranken Pferden ausharren, fühlen sich allein gelassen, von der FEI und von den spanischen Organisatoren. Hilmar Meyer wirft ihnen grobe Versäumnisse vor. „Die ersten Fälle sind bereits am 4. Februar aufgetreten und wurden viel zu lange vertuscht“, sagt er. „Das muss dringend aufgearbeitet werden.“

Der deutsche Mannschaftstierarzt Jan Swagemakers schickte jetzt zwei Tierärztinnen aus der Klinik Lüsche nach Spanien, die sich um die Versorgung der 40 deutschen Pferde kümmern. Insgesamt kämpfen inzwischen 21 Tierärzte gegen das Virus. Alle Pferde in Valencia stehen unter Quarantäne, dürfen die Turnieranlage nicht verlassen. Doch viele Reiter verluden ihre Pferde bereits, nachdem die ersten Fälle bekannt wurden. Niemand weiß, wie viele von ihnen das Virus in sich tragen und es in ihre Heimatställen geschleppt haben. Einige Top-Pferde reisten von Valencia gleich weiter nach Doha (Katar), um an der Global Champions Tour teilzunehmen. Sie wurden sofort unter Quarantäne gestellt, alle anderen Pferde in Doha auf das Virus getestet, auch die deutsche Olympiahoffnung Dominator. Mit dem Hengst gewann Christian Ahlmann vor zwei Tagen den Grand Prix mit 135.000 Euro Siegprämie. „Dominator ist zum Glück negativ“, sagt Ahlmann am Telefon.

Die Impfungen gegen das Herpes-Virus sind umstritten. Sie nützen nur, wenn wirklich alle Pferde eines Stalles oder einer Kohorte geimpft sind, und auch dann nur bedingt, indem die Infektion dann glimpflicher verlaufen kann als bei ungeimpften Pferden. Allerdings sind unter den Opfern von Valencia auch geimpfte Pferde. Entscheidend ist ein stabiles Immunsystem. Bis die Impfung Wirkung zeigt, vergehen sechs bis acht Wochen. Pferde können sich durch Tröpfchen-Infektion anstecken, etwa durch gegenseitiges Beschnuppern. „Ein Prusten reicht schon“, sagt Dr. Michael Düe, langjähriger FN-Veterinär. Die Inkubationszeit beträgt zwei bis sieben Tage. Das Virus haftet auch am Sattelzeug, in den Boxen und LKW. Erste Anzeichen sind erhöhte Temperatur, weswegen Tierärzte tägliches Fiebermessen empfehlen. Wird das Virus nicht mit Desinfektion bekämpft, könne es 35 Tage auch in warmer Umgebung überleben, so Düe. „60 bis 80 Prozent aller Pferde tragen das Virus in sich, gerät der Organismus unter Stress, kann es ausbrechen.“ Da genügt unter Umständen schon ein Flüssigkeitsmangel, etwa wenn die Pferde bei Transporten nicht genug trinken.

Ob das Weltcupfinale in Göteborg an Ostern, also eine Woche nach Ende der FEI-Turniersperre, ausgetragen wird, muss man abwarten. Vorgesehen sind strenge Gesundheitschecks nach der Ankunft. „Der Plan ist, das Turnier durchzuführen“, sagt eine Sprecherin des Weltcup-Veranstalters. Schlimmstenfalls könnten auch die Olympischen Spiele in Tokio betroffen ein, falls die Seuche bis zum Sommer nicht unter Kontrolle ist. Die japanischen Olympiaspringreiter, die von Paul Schockemöhle trainiert werden, sitzen zur Zeit in Vejer fest. Im Stall von Hilmar Meyer in Thedinghausen herrschen derweil Trauer und Entsetzen. Chefbereiterin Lexi Stais hält die Stellung, während Hilmar Meyer bei den Pferden in Valencia bleibt, solange, bis sie alle wieder nach Deutschland zurück können. „Aber im Moment wissen wir ja noch nicht einmal, wieviele Pferde lebend wieder nach Hause kommen“, sagt Lexi Stais.New Air Jordans 1 release dates | cheapest nike air jordan 1 high

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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  1. Kütenbrink

    In allen Berichten wird nur über Turniere geschrieben . Im Zusammenhang mit Valenzia.
    Es wäre von Vorteil für den “ normalen “ Reiter /Pferdebesitzer ein paar Verhaltenshinweise zu geben.
    z.B. gibt es hier folgenden Fall :
    Ein Einsteller kauft sich ein Pferd und will es in unserem Stall morgen also am 05.03.21 einstellen.
    Welche Möglichkeiten würden Sie oder die FN vorschlagen bzw welche Massnahmen müssen eingehalten werden..??
    Ich stehe auf dem Standpunkt,das dies verhindert werden müsste.
    leider fehlen mir die Argumente


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