Moment mal! Doping ist kein Kavaliersdelikt …

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Moment mal_Gabriele Pochhammer

Gabriele Pochhammer, Herausgeberin St.GEORG (© Toffi)

… sondern ein Verbrechen, das hart bestraft werden muss, entschied ein US-Gericht. Herzprobleme, Stress, Knochenbrüche, früher Tod – das waren für manche Pferde die Folgen des ungezügelten Dopings, das in den USA jahrelang offenbar zum Alltag in den Rennställen gehörte. Drei Jahre nachdem die Dopingmafia überführt werden konnte, wurde einer der Akteure ins Gefängnis geschickt. Ein Warnschuss.

Vier Jahre Gefängnis – das ist eine ziemlich harte Strafe für einen, der sich einredete, er wolle die ihm anvertrauten Pferde doch nur ein bisschen schneller machen, indem er ihnen Präparate verabreichte, die nach Versprechen des Herstellers in erster Linie ihre Gesundheit förderte. Was so harmlos klingt, hatte nur einen Zweck: Die Pferde sollten häufiger siegen, mehr Geld verdienen und dem Trainer weitere Kunden verschaffen.

Es hat lange gedauert, bis der US-amerikanische Trainer Jason Servis von einem Gericht im US-Staat New York zu der oben genannten Haftstrafe verurteilt wurde. Außerdem muss der 65-Jährige umgerechnet rund 460.000 Euro Strafe und Schadensersatz zahlen. Außerdem steht er nach seiner Haftentlassung ein weiteres Jahr unter staatlicher Beobachtung. Servis hatte sich schuldig bekannt und zugegeben, dass fast alle in seiner Obhut befindlichen Pferde mit dem Präparat SGF-1000 gedopt wurden. Dazu gehörte auch Sieger im Kentucky Derby von 2019, Maximum Security, der allerdings nachträglich wegen Behinderung eines anderen Pferdes disqualifiziert worden war. Der Hengst gewann wenige Tage, nachdem bekannt wurde, dass er regelmäßig unter dem Einfluss von Doping-Mitteln stand, den mit 20 Millionen Dollar dotierten Saudi Cup. Die saudische Rennsportbehörde stoppte die Auszahlung des Gewinngeldes, um erst eigene Untersuchungen abzuwarten.

Zeichen setzen

Die Vergehen liegen, wie gesagt, drei Jahre zurück, SG-online berichtete ausführlich. Das FBI hatte mehrere Jahre gebraucht, unter anderem Telefongespräche abgehört, um das weit verzweigte Doping-Kartell auffliegen zu lassen, das jahrelang im Untergrund des US-Rennsports sein Unwesen trieb. Beteiligt war der Rennsport in sechs verschiedenen US-Bundesstaaten und in den Vereinten Arabischen Emiraten. 31 Personen wurden vor Gericht gestellt, Trainer, Tierärzte und Pharma-Vertreter. Mit dem Urteil gegen Servis habe man ein Zeichen setzen wollen, um den Akteuren des Rennsports zu zeigen, dass sie nicht über dem Gesetz stehen, sagt der zuständige US-Staatsanwalt Damian Williams. „Wir tolerieren es nicht, das Wohl von Pferden aus Geldgier in Gefahr zu bringen. Illegales Doping von Rennpferden ist eine schwere Straftat, die mit einem harten Urteil geahndet wird.“

Immer ging es dabei um leistungssteigernde Medikamente. Das Präparat SGF-1000 wurde den Trainern als blutgefäßerweiternd angepriesen, das angeblich „Ausdauer, Leistung und generell die Gesundheit“ fördern sollte – ein wahres Wundermittel also. Dafür gaben sie gerne 200 Dollar pro Injektion aus, allein Servis orderte mehrere hundert Portionen.

Was genau SGF-1000 enthielt, scheinen nicht einmal die Verkäufer, unter ihnen Tierärzte, gewusst zu haben. In der Werbung wird von Proteinen gesprochen, die die Muskelregeneration fördern, von Wachstumshormonen und homöopathischen Placenta-Präparaten, also eine bunte Mischung, die eindeutig nicht zur Behandlung von Krankheiten, sondern lediglich zur Leistungssteigerung eingesetzt wurde und deswegen auch in den USA verboten ist. Geworben wurde auch mit der Behauptung, SGF-1000 würde bei Routinekontrollen nicht gefunden.

Fataler Medikamentencocktail

Die Firma MediVet, die Medikamente für Haustiere aller Größen vertreibt, habe mit SGF-1000 viele Millionen Dollar verdient, stellte das Gericht fest. Das war unter anderem möglich, weil die langwierigen und teuren Genehmigungsverfahren der US Food and Drug Administration (FDA) umgangen wurden. Nachdem sich beim Hersteller und den Wiederverkäufern herumgesprochen hatte, dass das FBI ermittelt, versuchten sie, das Label zu verändern, statt von Wachstumspräparaten war jetzt nur noch von „Diätetischer Futterergänzung“ die Rede. Darüber hinaus versuchten sie, die US-amerikanische Antidopingbehörde RMTS (Racing and Medication Testing Consortium) zu überzeugen, das Mittel von der Liste der verbotenen Substanzen zu streichen. Doch etwa zur selben Zeit hatte ein anderes Labor nicht weniger als acht verbotene Substanzen in der „diätischen Futterergänzung“ gefunden. Auch Erythropoetin, kurz EPO, sei gefunden worden, sagte ein FBI-Sprecher, ein Dopingmittel, das aus dem Radsport bekannt ist und die Anzahl der roten Blutkörperchen erhöht. Dadurch werden Stehvermögen und Ausdauer verbessert, Schmerzen und Gelenkentzündungen gelindert. Auch das Muskelaufbaupräparat Glenbuterol soll zum Einsatz gekommen ein, wie die britische Nachrichtenagentur Reuters berichtet.

Dass dieser fatale Medikamenten-Cocktail hierzulande so lange verteilt werden könnte wie in US-Rennställen, hält Vollblutexperte Peter Brauer, früher Pressesprecher des Galopperdachverbandes für unwahrscheinlich. „In USA hat jeder Bundesstaat für den Rennsport eigene Regeln, das erschwert die Verfolgung von Dopingvergehen“, sagt er. Auch sei womöglich die Einstellung gegenüber medikamentösen Manipulationen eine andere. So ist das lungenerweiternde Präparat Lasix in USA erlaubt, solange das Pferd auf der Starterliste mit einem L kenntlich gemacht wird. „Dann gilt es als völlig normales Mittel“, sagt Brauer, „der Unterschied ist dann, als ob man mit Superbenzin fährt, die Konkurrenz mit Normalbenzin.“ In Europa ist Lasix verboten, schon weil sich der Rennsport auch als Zuchtauslese versteht. Erfolge mit Hilfe von Lasix verfälschen die genetische Aussage. Dopingkontrollen in Deutschland sind streng, die Liste der verbotenen Mittel ist länger als im Humansport. Deutscher Galopp gebe jährlich rund 200.000 Euro für Antidopingmaßnahmen aus, sagt eine Sprecherin des Dachverbandes gegenüber SG-online.

Umsatz eines Renntages in den USA so hoch wie in Deutschland pro Jahr

Harald Siemen, langjähriger Handicaper bei Deutscher Galopp, also der Mann, der festlegt, welches Pferd in Ausgleichsrennen wieviel Gewicht trägt, hält vor allem die finanziellen Verführungen durch hochdotierte Rennen für die Ursache groß anlegten Betrugs. Die Geldpreise in den USA seien um ein Vielfaches höher als in Europa. „Das ist ein Milliardengeschäft. Schon in kleinen Rennen sind 30.000 bis 40.000 Dollar zu gewinnen“, sagt er, „bei uns vielleicht fünf- bis zehntausend.“ Die Geldpreise in größeren Rennen bewegten sich zwischen 200.000 und 300.000 Dollar, bei uns deutlich darunter, so Siemen. Eine andere Ursache sei das Wettgeschäft. An einem Renntag in USA werden 30 bis 40 Millionen Dollar umgesetzt, soviel wie in Deutschland im ganzen Jahr.

Kasse machen auf Kosten von Tieren, in diesem Fall von Pferden, wird von der Gesellschaft, in Zeiten, in denen die „Social Licence“ des Pferdesports zum zentralen Diskussionspunkt wird, nicht mehr widerspruchslos hingenommen, weder in USA noch in Europa. Das FBI spricht klar von Missbrauch. „Die Pferde hatten Herzprobleme, Stressfrakturen durch Überanstrengungen, ein erhöhtes Verletzungsrisiko. In einigen Fällen starben sie“, sagte ein Sprecher des FBI. Mögen die Gefängnisstrafen hart sein. Aber Akteure mit einer derartigen kriminellen Energie auf Kosten der Pferde haben auf den Rennbahnen nichts zu suchen. Lebenslang.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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