Moment Mal! Gabriele Pochhammer über die Siegerehrung

Von
pochhammer_moment_mal_web

Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Ein tragischer Unfall, bei dem ein siebenjähriges Mädchen tödlich verunglückte, erschütterte Ende März die Pferdewelt. Aus aktuellem Anlass äußert sich St.GEORG-Herausgeberin Gabriele Pochhammer daher heute über die Siegerehrungen auf Turnieren.

Es gibt nichts Schlimmeres für Eltern, als ein Kind zu verlieren. Über tragische Todesfälle von Kindern lesen wir jeden Tag, vor allem im Verkehr, aber auch im ganz normalen Alltag. Auch beim Sport. Reiten gehört, wie wir alle wissen, zu den Risikosportarten, bedingt durch das Pferd, stark, schwer und manchmal unberechenbar. Jeder tödliche Unfall, ob er beim Wettkampf, beim Training oder einfach nur beim Umgang mit dem Pferd passiert, zieht viele Fragen nach sich. Wie hätte man das Unglück vermeiden können? Im Falle des siebenjährigen Mädchens, das vor zwei Wochen in Neuenkirchen (Weser-Ems) starb, fällt es schwer, Schuldige zu finden, Fehler nachzuweisen.

Es passierte bei der Siegerehrung nach einem Reiterwettbewerb (nur Schritt und Trab), die unmittelbar im Anschluss an die Prüfung vorgenommen wurde. Die Kleine war Vierte, freute sich vermutlich auf ihre Schleife. Doch so weit kam es nicht. Noch bevor die Schleife angesteckt war, stieg das Pony, überschlug sich und fiel auf seine Reiterin. Alles passierte in Sekundenschnelle. Sofort setzte der  Ablauf ein, der für solche Fälle vorgesehen ist: Die Sanitäter eilten herbei, das Kind wurde reanimiert, das Turnier sofort abgebrochen. Ein Hubschrauber flog das Mädchen ins Krankenhaus, dort verstarb es am Abend.

„Jeder Unfall ist einer zu viel“

In diesem Fall versagt die Statistik. „Es gibt jährlich rund 100.000 Siegerehrungen im deutschen Turniersport“, sagt der Generalsekretär der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), Soenke Lauterbach. „Einen so schweren Unfall hat es bisher noch nicht gegeben. Aber jeder Unfall ist einer zu viel.“ Der Pferdesport gerät immer in Erklärungsnot, wenn Reiter und/oder Pferde zu Schaden kommen. Gefährliche Szenen mit temperamentvollen, außer Kontrolle geratenen Pferden bei Siegerehrungen sieht man immer wieder. Sind Hengste dabei, kann es kompliziert werden. Gerade Dressurpferde spielen oft verrückt, Springreiter kommen fast geschlossen mit Schlaufzügeln in die Bahn, nur Vielseitigkeitspferde sehen der Prozedur in der Regel gelassen entgegen.

Fragt sich, wieso das so ist. Die Turnierordnung schreibt vor, dass der Erste bis Sechste zur Siegerehrung einreiten muss. Ein Reiter kann Dispens bei der Jury beantragen, etwa wenn er eine andere Prüfung reiten muss oder sein Pferd bekanntermaßen verrückt spielt.

Beides war beim Unglück von Neuenkirchen nicht der Fall. Das Pony war, wie es heißt, noch nicht lange im Besitz der Familie. Es handelte sich um einen Anfängerwettbewerb, aber keine Führzügelklasse, kein Erwachsener hielt das Pony fest. Es gab keinen erkennbaren äußeren Anlass, der das Pony beunruhigte, abgesehen davon, dass die Situation in einer Siegerehrung oft etwas aufgeladen ist. Hier nicht. „Eine ruhige kleine Siegerehrung in der Halle“, sagt Constanze Winter, Justitiarin der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). Es war ausgebunden und wenn Pferde mit Ausbindern steigen, fehlt ihnen die Möglichkeit, sich richtig auszubalancieren, sodass es schneller zum Sturz, vor allem zum gefürchteten Überschlag kommt. Wenn der Reiter unter das Pferd oder Pony gerät, sind schwere bis tödliche Verletzungen vorprogrammiert.

Nicht Greifbar

Wie eine Siegerehrung abläuft, dafür gibt es keine festen Regeln, jeder Veranstalter kann sie nach seinen Wünschen gestalten. „Angemessen und würdevoll soll sie sein,“ sagt Lauterbach. Manche bitten den Sieger nach vorne, während die anderen dahinter bleiben. Manchmal, vor allem bei Meisterschaften, müssen die Reiter absitzen und auf ein Podium klettern, die Pferde werden im Hintergrund von ihren Pflegern gehalten. Nach Dressurprüfungen werden die Reiter oft einzeln hereingerufen, galoppieren winkend eine Runde und verschwinden wieder. Und bei Jugendprüfungen laufen zuweilen die Reiter ohne Pferde ein mit anschließender Ehrenrunde zu Fuß. Nicht die würdigste, aber die sicherste Variante.

Überlaute Musik ist besonders in Hallen eine Herausforderung für die Nerven der Pferde. Große Plätze verführen zum Losrennen, eine Gelegenheit, die vor allem Dressurpferde nicht allzu oft haben und gerne nutzen. Es gibt viele Gründe, warum eine Siegerehrung zur Gefahrenquelle werden kann, aber keiner trifft, so sieht es aus, auf das Unglück von Neuenkirchen zu. Alles weist darauf hin, dass das Schicksal blindwütig zugeschlagen hat. Was natürlich die Familie nicht tröstet.

Wie könnte es weitergehen?

Bis zu den FN-Tagungen Anfang Mai in Hamburg soll über die Praxis der Siegerehrungen nachgedacht werden. Vielleicht kann man das eine oder andere Detail ändern. Etwa bei Kindern unter einem gewissen Alter eine Begleitperson in der Nähe zur Pflicht machen und lieber eine etwas höhere Nase als Ausbinder zu tolerieren. Und in der Ausbildung Situationen üben, in denen es etwas unruhiger zugeht. Die Siegerehrung mit anschließender Ehrenrunde gehört zur Prüfung, viele Reiter freuen sich darauf. Die Tragödie von Neuenkirchen taugt nicht zur Panikmache.air jordan 1 factory outlet | michael kors outlet mall winnipeg

#doitride-Newsletter   Sei dabei und unterstütze die #doitride-Kampagne! Mit unserem Newsletter verpasst Du keine Neuigkeiten rund um #doitride. Jetzt aktivieren!

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

stgeorg_newsletter_booklet
  1. TB

    Dem klassisch-englischen Turniersport habe ich den Rücken gekehrt und starte nun seit über einem Jahrzehnt auf Westernturnieren – bei unterschiedlichen Verbänden, in unterschiedlichen Bundesländern, bei unterschiedlichen Disziplinen (also nicht nur Reining…).

    In dieser Zeit habe ich noch nie (!), egal ob beim hinterletzten Heckenfest oder bei großen Turnieren in Aachen oder Kreuth, ansatzweise solche chaotischen Szenen gesehen, wie ich sie früher von den klassischen Turnieren her kannte. Da muss ich mir doch die Frage stellen: Was machen die Westernreiter anders, wohlmöglich sogar besser, als die klassisch-englischen Reiter? Und – könnten die klassisch-englischen Reiter sich nicht e-v-e-n-t-u-e-l-l etwas von der „westerntypischen“ Pferdeausbildung abschauen?

    (Das ich mich hierbei auf die Grundlagenarbeit bei der Jungpferdeausbildung beziehe, sollte eigentlich klar sein, bevor aber einer schreit, erwähne ich das nochmal explizit. G-r-u-n-d-l-a-g-e-n-a-r-b-e-i-t. Aussacken etc. !)

    • Carmen Fischer

      Darf man fragen bis zu welchem Level du klassisch-englischen Turniersport du betrieben hast?
      Bei der Grundlagenarbeit gebe ich dir jedoch völlig recht, Gewöhnung und Grund-Gehorsam des Pferdes, Sitz und Einwirkung des Reiters sollten oberste Priorität sein, ganz egal welchen Stil man bevorzugt!


Schreibe einen neuen Kommentar