Es sollte nach 25 Jahren für Volker Wulff und sein Team von En Garde kein trüber Abschied vom Derby werden, sondern ein fröhlicher optimistischer Schlusspunkt. Das ist gelungen. Der neue Derbychef, Matthias Rath tritt in große Fußstapfen, er hat seine Chance verdient.
Volker Wulff, Chef der Vermarktungsagentur En Garde, der in den letzten 25 Jahren dafür gesorgt hat, dass das Derbyturnier wächst und gedeiht, wird im nächsten Jahr nicht mehr dabei sein. Das Derbyturnier geht in andere Hände über, in die von Matthias Rath und der Marketing Agentur Schafhof connect. Wulffs Vertrag wurde vom Hausherrn des Derbys, dem Norddeutschen und Flottbeker Reiterverein, unter der Federführung von Dietmar Dude, nicht verlängert, was einem Rausschmiss gleichkommt. Über die Gründe gibt es unterschiedliche Versionen, Zahlungen sollen ausgeblieben seien, persönliche Animositäten dürften auch eine Rolle gespielt haben.
Kassenschlager
Wulff übergibt ein florierendes Turnier. 104.000 Zuschauer kamen in diesem Jahr an den fünf Turniertagen in den Park des Baron von Jenisch, das war ein neuer Rekord, an dem das frühsommerliche Sonnenwetter natürlich nicht unbeteiligt war. Auch hochrangige Politiker der Hansestadt, die lange wenig Interesse für das Derby gezeigt hatten, ließen sich blicken, allen voran der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher.
Wulff hat zusammen mit Paul Schockemöhle die Traditionsveranstaltung wieder zu dem gemacht, was sie einmal war: eine sehr besondere und besonders schwere Springprüfung, mit Hindernissen, die die Spitzenpferde das ganze Jahr über nicht zu sehen bekommen: schlicht in den Farben, wuchtig in den Abmessungen und gelegentlich Furcht einflößend, wie der große Wall, bei dem es aus Pferdeperspektive drei Meter runter geht, aus Reitersicht noch einen Meter mehr. Mut und Vertrauen sind die Eigenschaften von Derbysiegern.
Daran soll sich nach 124 Jahren auch in Zukunft nichts ändern, sagt Matthias Rath, der ab 2025 Jahr mit seiner Agentur Schafhof Connect für das Derbyturnier verantwortlich ist. Der Sohn und Enkel zweier Dressur-Olympiasiegerinnen tritt in große Fußstapfen. Er kommt mit neuem Team, die Sponsorensuche hat zwar schon begonnen, aber bis zum 31. Dezember hält Volker Wulff noch alle Marketing-Rechte, was den Neustart etwas schwierig macht. Eine gütliche Einigung ist bisher nicht gelungen. Rath äußert sich nur anerkennend über das Wirken seines Vorgängers, man sei an ihn herangetreten, nachdem er auch das Turnier in Donaueschingen übernommen hat. Wie von einem Dressurreiter nicht anders zu erwarten, will er der Dressur wieder mehr Gewicht geben und vielleicht auf den Pferdewechsel im Finale verzichten, der viele Topreiter von einer Reise in die Hansestadt abhält.
Selten ein Spaziergang
Es war ein langer Weg, den das Deutsche Spring-und Dressurderby und die Marketing Agentur En Garde in den letzten 25 Jahren gegangen sind. Es war selten ein Spaziergang. sondern eine Strecke voller Herausforderungen, die gemeistert werden mussten.
Als im Jahre 2000 Volker Wulff mit seiner Eventagentur En Garde das Derby übernahm, hatte das Veranstalterduo der vorangegangenen fünf Jahre, Sören von Rönne und Jochen Döhle, schon gute Vorarbeit geleistet. Die beiden Norddeutschen hatten es sich zum Ziel gesetzt, das Springderby aus der Bedeutungslosigkeit herauszuholen, in der es zu versinken drohte. Das hatte mit der allgemeinen Entwicklung des Springsports zu tun. Hindernisse wie auf dem traditionsreichen Derbyplatz, jedes mit einer eigenen Geschichte, sehen die Pferde heute das ganze Jahr nicht mehr. Sie müssen also gezielt vorbereitet werden, auch die Reiter müssen sich neu darauf einstellen, wie es sich anfühlt, von der Kante des Großen Walls in die Tiefe zu gucken. Das Derby drohte, ein Tummelplatz für Reiter aus der zweiten Reihe zu werden, ohne große Namen. Bestens vernetzt war es von Rönne und Döhle gelungen, wieder Spitzenreiter anzuziehen, von denen der eine oder andere dann auch ein eigens trainiertes Derbypferd mitbrachte. Mindesten ebenso wichtig waren die Verbindungen zur Wirtschaft, um Sponsoren zu akquirieren, die das Turnier wieder für die Aktiven finanziell attraktiver machten. Nach fünf Jahren zogen sich Döhle und von Rönne zurück, die Vermarktungsrechte wurden neu vergeben. En Garde bekam den Zuschlag, mit im Boot war von Anfang an Paul Schockemöhle, ein großer Fan des Derbys, das er selbst nie gewonnen hatte, trotz vieler Anläufe.
Riders und Global Tour
„Wir haben dann den Weg nochmal ein bisschen verändert“, sagt Volker Wulff, der dem Turnier ein neues Gesicht gab. Das Springderby wurde bis 2023 Teil der von Schockemöhle ins Leben gerufenen Riders Tour, ein zusätzlicher Anreiz für die Reiter. Der VIP-Bereich wurde auf die dem Einritt gegenüberliegende Seite verlegt, heute mit seinem großen zweistöckigen Zelt ein Wahrzeichen des Turniers. Die Dressurprüfungen wanderten vom Hemmingstedter Weg zurück zum Derbyplatz, davor waren es quasi zwei Turniere gewesen. Zusammen mit dem Grünflächenamt in Altona konnte das Gesamtareal des Turnierplatzes erweitert werden. Das gab Platz nicht nur für die Dressur, auch für die Aussteller, deren Zahl mehr als verdoppelt wurde. Das Turnier wurde um einen Tag verlängert, geht jetzt über fünf Tage. Die Hamburger honorierten die Verbesserungen und kamen in Scharen. Waren es anfangs 35.000 Menschen im Derbypark, wurde in diesem Jahr erstmalig die 100.000-er Grenze geknackt.
Der Turnieretat hielt mit der rasanten Entwicklung mit, stieg von 1,7 Millionen Mark auf 3,8 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Mehr als eine Million Euro wird an Preisgeld ausgeschüttet. „Wir haben mit unserer Arbeit das Produkt Derby einfach interessant machen können für Sponsoren“, sagt Volker Wulff.
2008 wurde Hamburg eine Station der attraktiv dotierten Global Champions Tour, die wiederum weitere internationale Spitzenspringreiter anzog. Und damit auch das überregionale Fernsehen, also ARD und ZDF. Die Zusammenarbeit mit der Global Champions Tour endete 2023. Man hatte sich etwas auseinandergelebt. Die von dem Niederländer Jan Tops ins Leben gerufene Tour hatte andere Pläne. „Die Global Tour wollte den ganzen Donnerstag, also den Himmelfahrtstag, für ihren Mannschaftswettbewerb haben, aber unsere Zuschauer wollen an dem Tag das Championat von Hamburg sehen.“ Auch hatten die Tour-Macher wohl das Gefühl, nicht aus dem Schatten des Springderbys heraustreten zu können, dem traditionellen Hauptereignis am Sonntag. Ab 2023 ging man wieder getrennte Wege, was dem Derbyturnier nicht schlecht bekommen ist. Der Titelsponsor der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI), der Uhrenhersteller Longines, sponsert auch weiterhin den Großen Preis.
Und dann kam Corona
„Wir haben überhaupt keinen Einbruch erlitten, eher im Gegenteil“, sagt Volker Wulff. Doch es gab auch schwere Zeiten. Die Auswirkungen des Medikations-Skandals bei den Olympischen Spielen 2008 in Hongkong durch die unerlaubte Anwendung von Capsaicin reichten bis zum Derby im folgenden Jahr, es war das erste große Event nach dem Skandal. Die Wirtschaftskrise mit vielfacher Bankenpleite im Jahr 2008 tat ein Übriges. „Das war eine harte Zeit“, sagt Volker Wulff. Es kam noch dicker. Mitten in die Vorbereitungen für den 100. Geburtstag des Derbys kam Corona. „Wir hatten schon viel investiert“, sag Volker Wulff, „aber am Ende mussten wir das Derby ausfallen lassen. Das bedeutete große finanzielle Verluste.“ Auch das Turnier im folgenden Jahr war noch sehr eingeschränkt. Nur 5000 Zuschauer waren zugelassen, um die Global Champions Tour mitzuerleben. Erst 2022 gab es wieder ein Derby. Und 2023 schrieb es Rekordzahlen, nie kamen mehr Menschen in den Flottbeker Park gepilgert, 95.000 Zuschauer, da waren die 100.000 schon in Reichweite.
Nun also die Abschiedsvorstellung. Auch wenn der Übergang nicht reibungslos verlief, am Ende gab man sich versöhnlich. „Wir haben das Derby gelebt und geliebt“, sagte Wulff. „Ich wünsche dem Derby alles Gute für die Zukunft, das Derby hat es verdient.“
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