Moment Mal! Qualität braucht keinen Pomp

Von
Moment mal_Gabriele Pochhammer

Gabriele Pochhammer, Herausgeberin St.GEORG (© Toffi)

Man muss sparen, nicht nur in Holstein. Dass die neue Bescheidenheit, das eigene Wohnzimmer, anstelle der großen Bühne, nicht schlechter sein muss, zeigte die Junghengstpremiere in der Vereinsanlage in Elmshorn.

In Holstein rückte man zusammen in diesem Jahr, zumindest äußerlich. Das konnten die rund 2300 Besucher als Botschaft von der diesjährigen Junghengstkörung in der verbandseigenen  Fritz-Thiedemann-Halle in Elmshorn mit nach Hause nehmen. Zum ersten Mal seit circa 60 Jahren war nicht die Holstenhalle in Neumünster Schauplatz für den großen Auftritt der fast dreijährigen Youngster. Der Holsteiner Verband sparte durch den Umzug auch rund 10.000 Euro an Hallenmiete und anderen Nebenkosten.

Die kann er gut gebrauchen, gerade bei sinkenden Pferdezahlen, die sich natürlich auch bei der Körung bemerkbar machten. 47 Hengste – es wurden auch schon mal mehr als doppelt so viele vorgestellt. Die Zahl der Gekörten – 22– sank nicht bemerkenswert, mit mehr als 46 Prozent war das eine für Holstein hohe Quote.

Wer in früheren Zeiten die mehr als 100 jungen Köraspiranten sehen wollte, musste zu nachtschlafender Zeit aufstehen und ordentlich Durchhaltevermögen mitbringen. In Elmshorn war jetzt vieles anders. Es gab trotz weniger Sitze Platz genug für alle, die Züchter und ihre Entourage, aber auch für die weiter angereisten Holsteiner Freunde, die sich in der Holstenhalle womöglich verloren hätten. Dank lückenloser Übertragung durch Clipmyhorse und anderer Online-Angebote sparte sich der eine oder andere gern den Weg. Klimaschützer wird’s freuen und die sind wir doch alle. Auch in Neumünster, so hatte man den Eindruck, waren in den letzten Jahren die Ränge nicht mehr so voll gewesen. Für das Kernzuchtgebiet ist Elmshorn näher, wer von weiter her kommt, von Norden oder von Süden, hat es in die direkt an der A7 liegende Holstenhalle leichter. So schlenderte es sich gemütlich hin und her, gute Gelegenheit für Gespräche und die immer wichtigste Frage: „Zu wem gehst du denn nächstes Jahr?“ Mit deiner Stute.

Über die Grenzen Holsteins hinaus

Der Holsteiner Verband hat inzwischen fast so viele auswärtige Mitglieder (2422 von 5113 insgesamt) wie in Schleswig-Holstein Lebende, die sich nicht nur als Beitragszahler sehen, sondern auch Mitgestaltung wollen, ob das den alteingesessenen Züchtern passt oder nicht, die jetzt auch mal überstimmt werden können. Ob es auf längere Sicht nicht genauso gut gewesen wäre, auswärtigen Holsteiner Fans eine Mitgliedschaft in einem Körbezirk nördlich der Elbe anzubieten, auch das wurde am Rande der Hengsttage diskutiert. Zu spät! Wer zahlt, will auch mitreden.

Nicht alle Hengste hatten eine Stammnummer, auch fünf Gekörte nicht. Das waren zumeist die der Abteilung „Holstein Global“, die ja mindestes 50 Prozent Holsteiner Gene aufweisen müssen und damit auch von Hengsten abstammen können, die nicht im Kernzuchtgebiet aufgestellt sind oder waren. Bei manchem Junghengst musste man schon in dritter Generation suchen, bis man den ersten Holsteiner Vorfahren fand, der in seiner Jugend die Luft zwischen den Meeren eingeatmet hat.

Die Anforderungen im Springen waren bescheidener als früher, das soll amtlich verordnete Tierschutzgründe haben und ist wieder so ein Beispiel dafür, wie man das Kind mit dem Bade ausschüttet. Einen springbegabten Youngster mal etwas höher als 1,30 Meter springen zu lassen, wird ihm nicht schaden, während sich ein anderer schon bis 1,00 Meter die Ohren bricht. Letztere waren natürlich gar nicht erst in Elmshorn. Es schadet aber sicherlich der Marke Deutschlands erfolgreichster Springpferdezucht, wenn auf den Tribünen gemunkelt wird, dass woanders, etwa bei den Westfalen, das Springen aussagekräftiger sei.

Eine ausbaufähige Premiere mit Holsteiner Wir-Gefühl

Zweimal ganz offiziell Freispringen, Donnerstag und Freitag, das gab der Körkommission die Gelegenheit, einmal mehr hinzuschauen und den Junghengsten die Chance, sich an die Halle zu gewöhnen und gelassener in die Gasse mit den drei Hindernissen zu laufen, die zumal an der Bande aufgebaut war und die Hengste nicht durch weitere Zuschauer auf den Tribünen abgelenkt wurden. Auch der Stall mit seinen großen Boxen mit Selbsttränken sorgte für eine entspanntere Atmosphäre bei den Pferden und ersparte dem Elmshorner Team das Eimerschleppen.

Die reinen Bewegungen zu beurteilen war nicht so einfach, weil ein wirkliches Freilaufen nicht stattfand. Wobei es ohnehin nur um Galopp und Trab geht. Den Schritt – taktrein, raumgreifend und fleißig – scheint man ja schon aus dem Zuchtprogramm gestrichen zu haben, ebenso wie die Dressurambitionen. Da war keiner dabei, der nach dem Viereck schrie.

Der Spitzenpreis von 490.000 Euro für den gekörten Chin Grey aus dem Pinneberger Zucht-Turnierstall Meyer-Zimmermann war mehr als erfreulich. Vor allem weil der Hengst im Turnierstall des US-Reiters Kent Farrington die entsprechende Förderung erfahren wird, so wurde gesagt. Gegenbieter gab es unter anderem aus Katar, von der holländischen Hengststation VDL und dem Stall Eckermann. Mit der Mutter seiner Neuerwerbung hat Farrington soeben in Genf in der Fünfsterne-Klasse brilliert. Auch ein Trend: Die Prämierung bei der Körung ist weniger entscheidend für den Preis als erfolgreiche Mütter und Großmütter. Diese Spitzenstuten in der Zucht zu halten wird für den kleinen Züchter immer schwieriger, gerade wenn er nicht so ohne weiteres die teueren Reproduktionsmethoden wie OPU/ICSI und Embryo-Transfer plus explodierender Tierarztkosten stemmen kann. Aber das Problem ist ja nicht neu, wird immer aktueller und dringlicher.

Am Ende sah man ob des Ortswechsels vorwiegend zufriedene Mienen. Es kam sowas wie ein Holsteiner Wir-Gefühl auf, unterstützt durch X-Mas-Ambiente und einen kleinen Weihnachtsmarkt vor der Tür. Mancher hätte seinen privaten Klönschnack lieber in etwas wärmerem Umfeld als draußen vor der Tür oder in der kalten alten Reithalle geführt, aber es war ja eine Premiere, die ausbaufähig ist. Dass man in den Pausen etwas länger auf seine Bratwurst warten musste, weil der Ansturm größer war als gedacht – da gibt es ja wirklich Schlimmeres.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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