Passt die Peitsche als „Hilfmittel“ noch in die heutige Zeit? Angesichts einer dem Pferdesport kritischer gegenüberstehenden Öffentlichkeit muss sich auch der Pferdesport zunehmend mit Fragen von Tierwohl und Pferdeschutz auseinandersetzen.
Britische Fachleute aus verschiedenen Bereichen haben jetzt eine ausführliche Untersuchung zum Peitschengebrauch vorgelegt. Auch in Deutschland sitzen die Vollblutleute zusammen, um sich des Themas anzunehmen. Soll die Peitsche weiter erlaubt bleiben? Die Antwort ist ein klares „Ja, aber“. Auch die Internationale Reiterliche Vereinigung (FEI) hat die Benutzung der Peitsche reglementiert.
Andrasch Starke (48) ist einer der besten deutschen Jockeys, allein achtmal ritt er den Derby-Sieger ins Ziel. In diesem Jahr musste er zuschauen. Im Unionrennen an Pfingsten hatte er im Laufe des Rennens sein Pferd So Moonstruck sechsmal mit der Peitsche geschlagen, einmal zu viel. Fünfmal sind erlaubt, das sechste Mal brockte ihm eine 14-tägige Sperre ein, damit war nicht nur der mögliche neunte Derby-Sieg futsch, sondern auch täglich mehrere Ritte während der Derbywoche in Hamburg-Horn und damit erhebliches Gewinngeld. Aber so sind die Regeln.
Unterschiedliches Reglement
Nicht von ungefähr hat in Großbritannien, dem Mutterland der Vollblutzucht und des Turfs, ein Gremium von 15 Fachleuten aus allen Bereichen des britischen Rennsports, also Besitzer, Trainer, Jockeys, Züchter, Tierärzte, kürzlich einen „Whip Consultation Bericht“ zur Anwendung der Peitsche (Whip) im Rennen vorgelegt. Die Ergebnisse einer unabhängigen, repräsentativen Umfrage unter britischen Bürgern, in Auftrag gegeben von der internationalen Tierschutzgruppe World Horse Welfare, hat die Pferdesportszene aufgeschreckt. Demnach lehnten 20 Prozent der Befragten den Sport mit Pferden generell ab, 60 Prozent forderten mehr Sicherheits- und Tierschutzmaßnahmen im Pferdesport.
Die Peitsche gilt als wichtigstes Hilfsmittel im Rennen, um das Pferd unter Kontrolle zu behalten und anzutreiben. Dabei wird der Einsatz der Peitsche unterschiedlich bewertet, zwischen der Peitsche, die aus Sicherheitsgründen eingesetzt wird, und deshalb mitgeführt werden muss, etwa um ein Pferd auf dem richtigen Weg zu halten, und als „Encouragement“, also als Aufforderung schneller zu laufen, „einen schnelleren Gang einzulegen“, „sein Bestes zu geben“, wie es euphemistisch in dem Bericht heißt. Ersterer Zweck ist überall erlaubt, selbst in Norwegen, wo die Peitsche nur bei Zweijährigen-Rennen und in Hindernisrennen gestattet ist. In anderen Ländern sind die Regeln völlig unterschiedlich. In England darf siebenmal zugeschlagen werden, in Irland elfmal, in Südafrika zwölfmal, in Hongkong und Japan ohne Limit, in Australien fünfmal bis 100 Meter vor dem Ziel, danach unbegrenzt oft. Man sieht, das Mitzählen kann ganz schön kompliziert werden. In allen Reglements findet sich der Satz, dass „Exzessiver Peitschengebrauch“ bestraft wird, die Rennleitung hat dann das letzte Wort. Auch die Beschaffenheit der Peitsche ist genau festgelegt, ein fester Plastikkern, umgeben von Schaumstoffpolsterung soll Striemen und andere Verletzungen verhindern und die Schläge mildern.
Die registrierten Fälle von Peitschenmissbrauch sind relativ gering, in Großbritannien waren es in den Jahren 2020 bis 2021 bei 91.377 Startern 466 Fälle, also rund 0,5 Prozent. Vorschläge, die Peitsche umzubenennen wurden – vernünftigerweise – abgelehnt. Kunstwörter wie „Encourager“ („Ermutiger“) oder „Persuader“ („Überzeuger“) für die Peitsche dürften die Öffentlichkeit ebenso wenig überzeugen wie einst der Ersatz des Wortes „Barren“ durch „Touchieren“. So blöd sind die Leute dann doch nicht.
Wann darf geschlagen werden?
In Deutschland beschäftigt sich ebenfalls eine Arbeitsgruppe unter Vorsitz des Geschäftsführers von „Deutscher Galopp“, Daniel Krüger, mit dem Thema Peitsche. Ergebnisse lägen zur Zeit noch nicht vor, sagt Krüger. Nach den bereits bestehenden Regeln ist nicht nur die Zahl der Schläge limitiert, sondern auch die Art des Einsatzes. Pferde, die keine Gewinnchance mehr haben, dürfen ebenso wenig geschlagen werden wie ein Pferd, das ungefährdet als quasi sicherer Sieger dem Zielpfosten entgegenstrebt. Und ein Jockey, der – auch das soll schon vorgekommen sein – dem Konkurrenten die Peitsche entreißt, um das eigene Pferd flotter zu machen, muss wohl mit mehr rechnen als nur ein paar Tagen Sperre. Wobei zumindest die Briten darüber nachdenken, bei exzessivem Peitschengebrauch nicht nur den Jockey zu bestrafen, sondern auch das Pferd zu disqualifizieren, und damit auch Besitzer und Trainer zu treffen.
Die Gerte in den Olympischen Disziplinen
Im Pferdesport, der dem Reglement der FEI unterliegt, ist ebenfalls der Gebrauch der Peitsche beschrieben. Keine besonderen Regeln gibt es in der Dressur. Dort wird im Training die lange Dressurgerte eingesetzt, meist zum Touchieren, hier macht das Wort mal Sinn, es heißt soviel wie leichte Berührung. Wer wo auch immer mit der Dressurgerte wüst zuschlägt, macht sich der Tierquälerei schuldig, in der (internationalen) Prüfung ist die Gerte ohnehin verboten.
Beim Springen dient die Gerte eindeutig dazu, Ungehorsam zu bestrafen oder zu korrigieren. Sie darf nicht mehr als dreimal hintereinander eingesetzt werden. Wird die Haut dabei verletzt, handelt es sich automatisch um exzessiven Peitschengebrauch, der mit Disqualifikation geahndet wird. Ist das Pferd einmal abgeklingelt, darf es nicht mehr geschlagen werden. Ähnlich lauten die FEI-Regeln in der Vielseitigkeit, hier darf zweimal „pro Vorfall“ geschlagen werden, nicht mehr nach dem letzten Hindernis und nicht „über Kreuz“, also mit der rechten Hand auf die linke Seite. Und niemals auf den Kopf. In allen Fällen entscheidet die Jury vor Ort, ob es sich um „exzessiven“ Peitschengebrauch handelt.
Drei Schläge, einen an die Flanke, zwei am Hals (oder Kopf, was auf dem Video nicht zu erkennen ist), brachte der Weltranglisten-Erste Martin Fuchs seinem Wallach Viper bei einem Turnier in Linz bei (SG berichtete). Das Pferd ließ sich nicht nach links auf eine Kombination hin wenden. Nach der Korrektur nahm Viper die letzten Sprünge problemlos und gewann zwei Tage später ein Springen. Und der ahnungslose Zuschauer stellt sich jetzt wahrscheinlich die Frage: Dienten die Schläge der „Ermutigung, sein Bestes zu geben“ oder der Sicherheit? Wie man sieht, ist die Sache komplizierter, als man denkt.JmksportShops | Chaussures, sacs et vêtements | Livraison Gratuite | air jordan release dates 2023
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