Moment mal! Statt Gender-Gedöns und Frauenquote: Gutes Reiten reicht

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Starke Frauen ritten in Balve in allen Prüfungen. Die Hindernisse der Springreiterinnen-Meisterschaft waren fast so hoch wie bei den Männern, die Medaillenträgerinnen Profis mit Können und Erfahrung. Das dürfte auch dem Bundestrainer imponiert haben, der in Sopot am selben Wochenende den Nationenpreis-Sieg einheimste, natürlich mit einer starken Frau im Team.

Es ist schon ziemlich lange her, aber doch unvergessen, als die Springen für Reiterinnen, die damals noch Amazonen hießen, von der männlichen Konkurrenz als „Bienensausen“, abgetan und entsprechend belächelt wurden. Noch in Erinnerung ist auch die Empfehlung eines unverbesserlichen Machos angesichts eines recht schweren Parcours in einem Amazonen-S-Springen, man solle doch vorher „lieber ein paar für die Zucht rausnehmen.“ Er sprach von den Reiterinnen. Der Herr war ein angesehener Richter und die Männerrunde um ihn herum brach in dröhnendes Gelächter aus. Solche Unverschämtheit würde sich heute kein Mann mehr herausnehmen können, ohne seinen Job los zu sein. Hoffe ich mal.

Die Deutsche Meisterschaft der Springreiterinnen in Balve war kein Anhängsel, sondern ein Highlight des Turniers, Springsport at its best, und stand darin der Meisterschaft im Springreiten, also für alle Geschlechter, in nichts nach. Gar nichts. Und dabei stand die Frauen-DM vor einigen Jahren schon vor dem Aus. Nur noch sechs oder sieben Reiterinnen bewarben sich, die Parcours waren notgedrungen leichter und die wirklich guten Frauen, die auch sonst in der Spitze mitritten, wie Meredith Michaels-Beerbaum, Helena Weinberg oder Iris Bayer, kämpften bei den Herren, denn nur hier konnten sie beim Bundestrainer für einen Aachen-Start oder Nationenpreis-Einsatz punkten. Meredith Michaels-Beerbaum war 2008 die erste Reiterin, die sich im gemischten Championat den Titel holte, wiederholte dasselbe im Jahre 2010, gefolgt sieben Jahre später von Simone Blum. Die noch amtierende Weltmeisterin kämpft seit dem Ausfall von Wunderstute Alice um ein Comeback, in Balve noch nicht mit überzeugendem Erfolg (Platz zwölf mit Diachacco bei den Damen).

Die Abschaffung drohte

Der damalige Bundestrainer Herbert Meyer wollte angesichts mangelnder Qualität und Quantität sogar die Frauen-Meisterschaft abschaffen. Das ist zum Glück nicht passiert. „Aus gutem Grund“, sagt Frank Rothenberger, internationaler Parcourschef, der auch in Balve die Stangen auflegen ließ. „Denn wenn du in Deutschland nicht zu den Top 50 gehört, dann hast du keine Chance, mal in einem Championat zu starten, kaum eine Möglichkeit, mal irgendwo einen Nationenpreis zu reiten. Du bist darauf angewiesen, dass du zu guten Turnieren eingeladen wirst. Das einzige Championat, das die Damen reiten, ist dann die Landesmeisterschaft, aber die hat heute auch längst nicht mehr den Stellenwert wie früher.“ So bedeutet die Deutsche Meisterschaft für viele Reiterinnen den Höhepunkt der Saison. „Diese Reiterinnen haben Pferdebesitzer und Sponsoren, die auch mal gerne das Meisterschafts-Feeling haben,“ sagt Rothenberger. Und dann vielleicht nochmal in die Tasche greifen, um ein gutes Pferd zu kaufen. Nicht zuletzt sind auch deswegen gut zu handhabende Pferde mit Qualität ein gefragter Markt.

In diesem Zusammenhang bringt Rothenberger auch die Global Champions Tour ins Gespräch, ja nicht unbedingt die erste Adresse für selbstloses soziales Engagement. „Ich sehe die Tour auch als Chance“, sagt er, „da reiten ja auch genug Frauen mit. Das hat nicht nur was mit Geld zu tun. Wenn einer ein Team zusammenstellt, braucht er vier bis sechs gute Reiter. „Der sagt dann, ok, meine Tochter reitet sowieso mit, aber er will ja auch im Team gut dastehen und braucht dafür entsprechende Reiter. Das ist für viele eine Chance.“ So wie für Katrin Eckermann, die für das Team „Shanghai Swans“ reitet und bekanntlich die Global Tour in Miami gewinnen konnte. In jedem der 16 Global Champions Teams reitet mindestens eine Frau mit, manchmal auch zwei und bei den „Stockholm Hearts“ sogar drei. Wie gesagt, auch, aber nicht nur reiche Töchter. „Aber die müssen einfach auch gut reiten“, sagt Rothenberger.

Profis and kompetente Ausbilderinnen

In Balve fanden sich auf den vorderen Plätze vor allem Professionals, die ihren Sport seit vielen Jahren betreiben und ihre Pferde selbst ausbilden. Vizemeisterin Tina Deuerer freute sich über ihren selbst ausgebildeten Clueso, das macht Spaß, auch wenn man in Umständen lebt, in denen nicht auf den Cent geguckt werden muss wie bei der Frau des Vitakraft-Chefs. Und Bronzemedaillengewinnerin Angelique Rüsen, die den Damen-Titel schon 2018 holte, kann, was jeder Profi können muss: sich schnell auf jedes Pferd einstellen, wie auf Calvino, den ihr Arbeitgeber Christian Ahlmann kurzfristig überließ, als sie selbst gerade kein passendes Pferd hatte. Da wird nicht lange gefackelt, sondern losgeritten.

Auch die 23-jährige Marie Ligges gehört in diese Kategorie. Die Enkelin des Olympiasiegers Fritz Ligges trat in Balve im gemischten Championat an und belegte dort einen achtbaren elften Platz. Sie studiert neben ihrem Einsatz im Sattel in Dortmund Betriebswirtschaft und Management und steht bereit, eines Tages in die Fußstapfen ihres Vaters Kai Ligges zu treten, der in Herbern eine Zucht- und Ausbildungsstall betreibt, mit Hengsten, die man kennt. Zum Beispiel Cornet Obolensky, der nach einer Abreise aus der Ukraine dort Asyl gefunden hat und über Frischsperma zur Verfügung steht. Nicht zu vergessen eine, die gar nicht in Balve war, sondern mit einem Doppelnuller half, für Deutschland den Nationenpreis klar zu machen: Janne Friederike Meyer-Zimmermann mit Messi van’t Ruytershof. Sie alle beweisen: Die Reiterinnen brauchen weder sprachliches Gender-Gedöns noch Frauenquoten. Gutes Reiten reicht.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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