Moment Mal! Superliga sollen Nationenpreise retten

Von
Moment mal_Gabriele Pochhammer

Gabriele Pochhammer, Herausgeberin St.GEORG (© Toffi)

Mehr Geld, weniger Stationen und ein Finale mit neuem Format – so könnte die für 2024 geplante Superserie der Nationenpreise aussehen. Ob damit die traditionsreichste Serie des Springsports zu retten ist, wird sich zeigen. Bundestrainer Otto Becker ist optimistisch und hofft, auch die Top-Reiter dafür begeistern zu können. Beim CHIO Aachen bleibt man entspannt. Obwohl auch weiterhin nicht Teil der FEI-Serie, kommen die Stars gerne in die Soers. Nicht nur, aber auch wegen satter Geldpreise.

Natürlich geht es vor allem ums Geld, wenn die Internationale Reiterliche Vereinigung (FEI) die erste Liga der Nationenpreise neu beleben will und dafür sogar in Windeseile das Reglement änderte, um nicht bis zur Generalversammlung im November warten zu müssen. Die Geldpreise sollen deutlich erhöht werden, um weiterhin attraktiv für die Akteure zu bleiben. Die „Division 1“ der bisherigen Serie bekommt einen neuen Namen, „Longines Leagues of Nations“. Eine deutsche Station wird es voraussichtlich nicht geben, denn das CHIO Aachen läuft auch weiterhin außerhalb der FEI-Serie und ein zweites deutsches CSIO5* ist nicht angedacht. „Aachen ist weltweit eines der besten, wenn nicht das beste Turnier“, erklärt auch Springausschussvorsitzender Peter Hofmann. „Das dürfen wir nicht schwächen. Es ist unser Leuchtturm.“ Er ist Ausrichter des Mannheimer Maimarktturniers, Station der CSIO3*-Serie, veranstaltet vom europäischen Pferdesportverband EEF, die sich vor allem für jüngere Reiter und solche aus der zweiten Reihe bewährt hat.

Otto Becker: „Fünf Jahre zu spät“

„Ich finde die Idee im Prinzip gut, aber sie kommt fünf Jahre zu spät“, sagt Springreiter-Bundestrainer Otto Becker. „Man hat zu lange gewartet, bis die Situation so festgefahren ist, wie sie jetzt ist. Aber zunächst muss man sagen, dass wir sehr dankbar sein können, dass wir zwei so engagierte Sponsoren haben wie Longines und Rolex, die bereit sind, viel Geld in unseren Sport zu investieren,“ betont der Bundestrainer. „Die Entscheidung, jetzt eine Top-Serie zu machen, ist richtig. Fünf Turniere mit einer angemessenen Dotierung sollen ausgesucht werden. Das unterstützen wir und hoffen, die Top-Reiter zu den Turnieren zu bringen. Das wurde nämlich immer schwieriger, weil Aachen schon länger, seit letztem Jahr auch La Baule und Rom aus der Nationenpreisserie raus sind. Das sind Top-Turniere, wo die Reiter und Besitzer hin wollen, wo die Familie hin will, mit Top-Bedingungen und Tradition, diese Turniere sind weltweit bekannt.“

Tradition hin oder her

Die Nationenpreise, Klassiker des Springsports, gibt es seit 1909, der erste wurde in London mit drei Reitern pro Team ausgetragen. Sie haben seitdem mannigfache Veränderungen erfahren, manche waren dringend nötig. Ich erinnere mich an Aachener Nationenpreise mit 14 und mehr Mannschaften, das ging dann von den frühen Morgenstunden bis kurz vor Sonnenuntergang. Damit kann man heute keinen Zuschauer mehr locken und schon gar nicht die Fernseh-Macher. Die Nationenpreise „gehören“ dem Weltverband FEI, sie wurden auf dem jeweiligen CSIO – das „O“ steht für offiziell – ausgetragen und lange gingen die Einladungen über das Auswärtige Amt, weswegen bis heute immer wieder Politprominenz den Weg auf die Ehrentribüne findet.

Solange die Kasse, sprich die Gewinngelder, stimmten, kamen die besten Reiter der Welt gerne. Aber die Kasse stimmte bei vielen CSIO im Vergleich zu anderen Serien schon lange nicht mehr. Und die Begeisterung der Top-Reiter für die Nationenpreise ließ im selben Maße nach, in dem es woanders mehr Geld zu gewinnen gab, Tradition hin oder her.

Der Titelsponsor der Nationenpreisserie wechselte ein paarmal, seit 2018 ist es der Schweizer Uhrenhersteller Longines, der auch den Gesamtverband FEI mit den Weltranglisten sponsert. Als Longines 2018 auch bei den Nationenpreisen einstieg, gab es Probleme, denn einige der bedeutendsten CSIO, wie Aachen und Calgary, wurden vom Konkurrenten Rolex gesponsert und das seit vielen Jahren. Aachen und Calgary blieben bei Rolex und schieden damit aus der Division 1, also der ersten Liga für die weltbesten Teams, aus, was der Popularität des Aachener Nationenpreises freilich keinen Abbruch tat. Denn Rolex reagierte schnell, schuf den Rolex Grand Slam, eine Serie, der außer Aachen und Calgary auch die Indoor-Turniere Genf und Hertogenbosch angehören mit Gewinnmöglichkeiten, die es im Springsport bis dahin nicht gab.Der Große Preis von Aachen 2023 ist mit 1,5 Millionen dotiert, davon 500.000 für den Sieger, mit Aussicht auf weitere bis zu siebenstellige Prämien bei folgenden Siegen in der Serie. Insgesamt investiert Rolex für die Großen Preise im Grand Slam fünf Millionen Euro pro Jahr. Auch der Aachener Nationenpreis wurde dank Sponsor Mercedes-Benz kräftig ausgestockt. Hier wird am Donnerstagabend ebenfalls eine Million Euro unter acht Teams verteilt, da nehmen sich die 200.000 Euro plus 50.000 für den besten Reiter der Serie pro Longines Nationenpreis aus Reitersicht eher bescheiden aus. Die Großen Preise der renommierten CSIO La Baule (Frankreich) und Rom werden inzwischen ebenfalls von Rolex gesponsert, ohne allerdings zum Grand Slam zu gehören, die Nationenpreise von anderen Sponsoren finanziert.

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Noch sattere Gewinne locken bei Global Champions Tour und Global Champions League, in der sich Longines ebenfalls engagiert. Die Geldverteilung wird nicht sehr transparent publiziert, wie es heißt, werden 36 Millionen Euro in der gesamten Serie aus 16 Turnieren ausgeschüttet, darunter 8,25 Millionen beim Finale in Prag, den „Play Offs“ im Herbst. Die multinationalen Teams müssen sich in die Serie einkaufen, auch Wild Cards sind käuflich zu erwerben, sodass am Ende zumindest ein Teil des Gewinngeldes von den Reitern selbst beziehungsweise ihren Sponsoren und Pferdebesitzern stammt.

Rettungsaktion

Um ihre Nationenpreise zu retten, musste die FEI also etwas tun. So wurde von der „Task Force“ nicht nur beschlossen, ab 2024 das Format und den Namen zu ändern, sondern auch das Gewinngeld zu verdreifachen, auf immerhin 750.000 Euro für jede Station der Longines Leagues of Nations. Die Serie soll von zehn auf fünf Stationen eingedampft werden. Drei sollen in Europa, zwei in Übersee ausgetragen werden, gerne auch auf ganz neuen Plätzen, wie FEI Präsident Ingmar de Vos erklärte. Es werde ein reguläres Bewerbungsverfahren geben, so de Vos. Das Finale wird voraussichtlich wie bisher im September in Barcelona stattfinden. Aber viele Details sind noch offen.

Um das Konzept durchzuziehen, sicherte sich die FEI das Recht, den Veranstaltungsort der Qualifikationen, jeweils ein CSIO5*, auszuwählen. Normalerweise obliegt das den nationalen Verbänden. Schon vor einigen Jahren hatte die FEI versucht, dieses Recht an sich zu reißen, scheiterte aber am Widerstand mehrerer Nationen, unter anderem Deutschland. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die FEI mit einem zweiten CSIO5* eine Konkurrenz zu Aachen aufbauen würde, der Trend geht eher in die Hauptstädte“, sagt Soenke Lauterbach, Generalsekretär der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). Durch die Reglementsänderung wäre es jetzt aber möglich, aber nur für die Qualifikationen der neuen Serie. In Aachen bleibt man gelassen, der Vertrag mit Mercedes Benz wurde gerade verlängert. „Wir als Aachen sind da nicht betroffen, trotzdem haben wir schon deutlich gemacht, dass unserer Meinung nach die FNs weiterhin den Austragungsort der O-Turniere bestimmen sollten“, sagt Birgit Rosenberg, Vorstandsmitglied des Aachen-Laurensberger Rennvereins (ALRV).

Zweiter Umlauf wieder bei Null?

Inzwischen kann sich Otto Becker fürs Finale auch mit dem neuen von der FEI vorgeschlagenen Format anfreunden: Im zweiten Umlauf starten alle wieder bei Null, Reiter und/oder Pferde können ausgetauscht werden. Das vorläufige Konzept sieht diese Format schon für die Qualifikationen vor, was auch bei Reitern auf Widerstand stößt. So sagt der FEI-Athletensprecher Rodrigo Pessoa gegenüber der Website World of Showjumping: „Abgesehen davon dass wir als Reiterclub noch nichts Konkretes von der FEI gehört haben, gefällt mir als Traditionalisten die Idee nicht, den zweiten Umlauf zu streichen. Das ist seit mehr als 100 Jahren die DNA der Nationenpreise. Ich könnte mit der Formel für das Finale leben, aber nicht für die Qualifikationen.“

Im vergangenen Jahr düpierte Präsident Ingmar de Vos die Verbände mit dem Plan, Nationenpreise generell nur noch mit einem Umlauf auszutragen. „Das fand ich eine Frechheit“, sagt Becker, „er hatte niemanden eingebunden, weder den FEI-Sportdirektor, noch das Springkomitee, die FNs oder die Reiter. Er hat an allen vorbei mit den Veranstaltern einen Deal machen wollen, das war nicht in Ordnung.“ Jetzt scheint sich ein Weg abzuzeichnen, den alle gehen können.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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