In Jahr eins nach der letzten traditionellen Holsteiner Herbstkörung in Neumünster begann in der Elmshorner Fritz Thiedemann-Halle ein neues Zeitalter, auf jeden Fall ein kleiner Vorgeschmack darauf. Ein Probelauf, wobei allerdings noch an ein paar Stellschrauben gedreht werden muss. Die gute Nachricht: Auch nach der Leitlinienreform geht die Zuchtwelt nicht unter.
Die „Leitlinien für Tierschutz im Pferdesport“ sind der Anlass, dass fast alle Warmblutzuchtverbände ihre Selektionsveranstaltungen für junge Reitpferdehengste nachbessern oder neu gestalten müssen. In Elmshorn wurde jetzt ein Modell versucht, das, so Zuchtleiter Stefan Haarhoff, auch ein Konzept für die Zukunft sein könnte. Körung, Kurzveranlagungstest und auch noch Auktion an einem Wochenende und an einem Ort, so war es diesmal. Klingt gut, aber Raum für Verbesserungen ist noch reichlich vorhanden. Zuerst die gute Nachricht: die prächtig geschmückte Halle war zumindest am zweiten Tag, dem Samstag gut besetzt, vor allem mit Züchtern und potentiellen Auktionskunden. Auf anderen Plätzen soll auf den Rängen beim Veranlagungstest gähnende Leere geherrscht haben. Natürlich schade, denn so oft bekommt man die jungen Hengste nicht in Aktion zu sehen, sieht man von den aufgemotzten Hengstvorführungen und den dazugehörigen Videos ab.
Es waren 20 Hengste, die zum Teil schon gekört waren, zum Teil noch gekört werden mussten. Dreijährige und Vierjährige legten verschiedene altersangepasste Tests ab und man mussten den Katalog schon sehr genau studieren, um zu erfahren, auf welchen Junghengst welche Aufgaben warteten. Am Ende standen elf Hengste zur Sattelkörung an, vier bekamen das „Go“.
Körung „nackt“ auch mit 30 Monaten
Andere waren bereits im November 2021 gekört, der bisher letzten Körung vor vollem Haus in der Holstenhalle. Doch die Zeiten sollen wiederkommen, im nächsten Jahr vom 9. bis 11. Februar tritt der Jahrgang 2020 an, nunmehr ein halbes Jahr älter, mindestens 30 Monate alt, so sehen es die Regeln vor und wie bisher „nackt“ also nicht geritten, nur an der Hand, beim Freilaufen und im Freispringen. So soll den Youngstern ein halbes Jahr unbeschwerte Jugend geschenkt werden, hoffen wir mal, dass das auch passiert. Kombiniert wird die Körung dann mit der traditionellen Hengstvorführung im Februar, das kann eine runde Holsteiner Woche werden. Der Veranlagungstest dann im Herbst, wie diesmal.
Für die Dreijährigen standen zwei Springtests an, einmal Freispringen und einmal ein kleiner Parcours aus fünf Sprüngen unter dem Reiter. Interessant war, dass einige Youngster deutlich schlechter freisprangen als vor einem Jahr bei ihrer Körung. Das kann verschiedene Gründe haben, einmal weil das Freispringen erfahrungsgemäß nicht besser wird, wenn die Pferde bereits unter dem Sattel springen und dass es weniger geübt wird als vor der Hauptkörung. Was theoretisch ja auch ein Vorteil sein könnte. Die Vierjährigen mussten nur Parcoursspringen mit Hindernissen bis 1,10 Meter. „Das lässt ja schon eine gewisse Aussage zu“, sagt der Holsteiner Stefan Haarhoff.
Nachteil Fremdreitertest
Beim Rittigkeitstest und auch beim Fremdreitertest, den alle absolvieren mussten, machte sich dann ein Nachteil bemerkbar, der sich wohl nicht ausbügeln lässt: Das Pferd mit dem besseren Reiter im Sattel ist klar im Vorteil. Pferde, die schon sicher an den Hilfen stehen und sich ausbalanciert überall hinreiten lassen, womöglich schon sichere fliegende Galoppwechsel bei Richtungsänderung springen, kriegen am Ende natürlich ein besseres Zeugnis, ohne dass das irgendetwas über ihre Vererber-Qualitäten aussagt.
Bestehen tut sowieso jeder, der die Gesamtnote 7,5 erreicht, also keine Selektion, sondern nur eine Vergewisserung, dass der Youngster begriffen hat, wozu er da ist, nämlich einen Menschen auf seinem Rücken zu tragen. Die wirkliche Selektion soll dann in mehreren Etappen über den Sport erfolgen. Bleibt als Möglichkeit der 50-Tage-Test, der den Hengst dann endgültig als leistungsgeprüft ausweist, aber wohl eher ein Auslaufmodell ist. Denn gefragt sind bei den Züchtern Hengste, die möglichst hochwertige Sportleistungen vorzuweisen haben. Am liebsten natürlich olympische Goldmedaillen!
Schrauben und Schräubchen
Die Körung plus Veranlagungstest ergibt einen Eintrag ins Hengstbuch I und grünes Licht für den Beruf als Deckhengst. Falls der eine oder andere Hengsthalter in dem Punkt etwas voreilig gewesen sein sollte, hat er gepokert: Nur der bestandene Veranlagungstest garantiert den Fohlen volle Papiere.
Noch ein paar Worte zur Gangart Schritt. Auch wenn sie im realen Sport immer mehr an Bedeutung verliert, im Springen sowieso aber auch in der Dressur, spricht ein raumgreifender, taktmäßiger, fleißiger Schritt Bände über die körperliche Verfassung des Pferdes. Der Schritt war in Elmshorn gleichwohl nicht zu beurteilen. Bei der Pflastermusterung einmal gefühlte zehn Meter hin und zurück, wobei die meisten Hengste aufgeregt hin und her zappelten – da war gar nichts zu erkennen, das kann man sich sparen und dann nur noch den Schrittring in der Halle als Anhaltspunkt nehmen. Und beim Satteltest schepperte es beim Umbau der VIP-Tribüne zwischendurch so laut, dass es den Junghengsten in die Glieder fuhr und sie den Schritt vergaßen. Für den es dann immerhin eine Note gab, die den Hengst sein ganzes Leben begleiten wird.
Fazit: Da muss noch an einigen Schrauben und Schräubchen gedreht werden. Die gute Nachricht: auch mit den neuen Leitlinien geht die Welt nicht unter, sondern weiterhin bekommen junge Hengste die Bühne, die sie verdienen, ein halbes Jahr älter und womöglich besser, weil erwachsener.
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