Alles ist wie immer, sagt Springreiter Bundestrainer Otto Becker. Auch wenn er weiß, dass nichts so ist wie immer in diesem Olympiajahr.
Alle wollen zu den Olympischen Spielen: Athleten, Medien, Zuschauer. Ein magisches Event für jeden Sportler und seine Fans. Diesmal auch? Gute Frage. Was die Zuschauer angeht, die aus dem Ausland anreisen wollten, und das wären im Fall Tokio ja zumindest beim Reiten einige tausend, viele aus USA und Europa: Ihnen hat man die Entscheidung abgenommen. Japan will sie nicht haben, aus Angst vor der Covid-19-Pandemie, die gerade global aufgrund verschiedener Mutationen wieder Fahrt aufnimmt.
Mit rund 458.00 Corona-Fällen, circa 8800 Todesfällen und einer aktuellen Sieben-Tage Inzidenz von kaum zu glaubenden 7,2 steht das asiatische Land zwar sehr gut da im Vergleich zu den meisten europäischen Staaten – in Deutschland wurden bis heute 2,6 Millionen Infizierte gemeldet, rund 75.000 Menschen starben, die Inzidenz liegt bundesweit bei 108 – aber 80 Prozent der japanischen Bevölkerung fürchten inzwischen, dass das nicht mehr so bleibt, wenn erstmal Millionen Olympia-Touristen aus aller Welt einfallen. Womit sie wahrscheinlich nicht ganz unrecht haben. Auch die Freiwilligen Helfer aus aller Welt sind ausgeschlossen, zugelassen werden lediglich 500 spezielle Fachleute.
Ängste beschwichtigen
Das Einreiseverbot für ausländische Besucher der Olympischen Spiele wie auch der Paralympics hat vor allem das Ziel, die Ängste der Bevölkerung zu beschwichtigen. Das lässt sich das Organisationskomitee einiges kosten. Geschätzt 5,5 Millionen Karten wurden bereits verkauft, davon rund eine Million ins Ausland. Die Eintrittsgelder müssen nun zurückgezahlt werden, es geht um eine halbe Milliarde Euro. Koste, was es wolle, die Entschlossenheit des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und des japanischen Organisationskomitees, die Spiele auf Biegen und Brechen durchzuführen, ist ungebrochen. Manchmal hat man den Eindruck, es geht inzwischen vor allem darum, das Gesicht zu wahren.
Denn diese Spiele werden anders sein als alle zuvor. Die Athleten dürfen nur kurz vor den Wettkämpfen anreisen, müssen zwei Tage später schon wieder verschwinden. Sie dürfen das Olympische Dorf nicht unkontrolliert verlassen, können Sightseeing und Shoppingbummel in der wettkampfreien Zeit vergessen. Und die Entourage, Familie, beste Freunde, Pferdebesitzer und Sponsoren müssen auch zuhause bleiben. „Das ist natürlich traurig“, sagt Christian Ahlmann, „Sie gehören irgendwie dazu und viele tun unheimlich viel für uns und unseren Sport.“
Deswegen auf Olympia verzichten möchte er genauso wenig wie die meisten seiner Reiterkollegen. „Mit oder ohne Zuschauer, ich bin froh, wenn ich bei Olympischen Spielen reiten kann“, sagt Marcus Ehning. Er ist bereit, einiges in Kauf zu nehmen. „So viele Jahre werde ich ja nicht mehr im Spitzensport haben. Aber natürlich ist auch mir ein volles Haus lieber.“
Nicht anders geht es Dressurreiterin Jessica von Bredow-Werndl, die mit Dalera zum engen Kandidatenkreis gehört, es wären für sie die ersten Spiele. „Ich war in Rio 2016 so knapp aus der Mannschaft raus, jetzt freue ich mich, wenn ich mitkomme. Unbedingt möchte ich mit. Irgendwie werden ja auch diese Spiele in die Geschichte eingehen.“
„Wir tun so, als ob“
Zu den unerwarteten Schwierigkeiten gehören die vorolympischen Qualifikationen. „Wir tun so, als ob die Spiele stattfinden,“ sagt Otto Becker. Nicht nur Corona, auch die in Südeuropa ausgebrochene Herpes-Seuche, die zahlreiche Turnierabsagen nach sich zog, macht ihm das Leben schwer. Dienten in anderen Jahren die spanischen und italienischen Turnierserien im Frühjahr als Hinweis auf neue Talente, gab das Weltcup-Finale schon mal einen Vorgeschmack, wie die Top-Pferde durch den Winter gekommen sind, so muss er in dieser Saison neu denken. „Eine vernünftige Planung, wie wir sie gerne hätten, kann im Moment nicht stattfinden. Wir warten jetzt einfach ab, was wann passiert,“ sagt er.
Für die Tokio-Qualifikationen hofft Otto Becker auf die Nationenpreise. In der Sektion I dürfen seine Reiter in vier Fünfsterne-CSIO starten: St. Gallen, Sopot, Rotterdam und Falsterbo. Der CHIO Aachen, traditionell die entscheidende Sichtung für das jeweilige Championat, fällt weg. Das Turnier wurde auf den September verschoben.
Bundestrainerin Dressur-Monica Theordorescu hat jetzt für die Tokio-Nominierungen vor allem die Deutsche Meisterschaft in Balve im Auge, aber das reicht für einige Vielleicht-Olympiapferde nicht, weil sie im letzten Sommer nicht international gegangen sind und jetzt die Mindestqualifikationen (MER) der FEI neu erfüllen müssen (einen Grand Prix mit mindestens 66 Prozent). Das betrifft unter anderem die Pferde Showtime (Dorothee Schneider), Bella Rose (Isabell Werth) und Cosmo (Sönke Rothenberger), die zuletzt laut FEI Datenbank bei der Europameisterschaft 2019 in Rotterdam aufgetreten sind.
Und dann ist da noch die Frage der Impfungen für die Athleten und ihre Betreuer. Das IOC und auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) haben es bisher strikt abgelehnt, dass für Olympia-Athleten Ausnahmen von der vorgesehenen Reihenfolge gemacht werden. „Wir drängeln uns nicht vor“, sagt ein DOSB-Sprecher, „aber wir gehen davon aus, dass ab April ohnehin mehr Impfdosen zur Verfügung stehen. Und ab Juni soll ja auch der Impfstoff Johnson und Johnson kommen, der nur einmal verabreicht werden muss.“ Weniger die Reiter, aber andere Sportler, wie etwa Leichtathleten, könnten durch Nebenwirkungen für einige Tage außer Gefecht gesetzt werden, und das mitten in der Hochtrainingsphase vor Olympia.
Ob mit Impfung oder ohne, Hauptsache Olympia – die Prioritäten von Marcus Ehning sind klar. „Von mir aus auch gerne in Aachen.“ Gute Idee.cheap air jordan 1 low | Cheap air jordan 1 low womens
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