Vielseitigkeitspferde, vor allem aus Holstein, sind weltweit gesucht und werden gut bezahlt, sofern sie genug Blut haben. Problem: Es gibt sie kaum, die Nachfrage übersteigt bei weitem das Angebot. Und der Holsteiner Verband tut wenig, um den Buschnachwuchs verkaufsfördernd zu präsentieren.
Vor einigen Tagen erhielt ich eine Whatsapp-Nachricht von einem alten Freund, der auf der, man kann schon sagen verzweifelten Suche nach jungen Holsteiner Buschpferden ist. Da ich im Norden zwischen den Meeren lebe und selbst auf bescheidener Basis Holsteiner Pferde züchte, dachte er wohl, ich könnte ihm helfen. Hätte ich auch gerne. Denn seine Wünsche waren alles andere als vermessen. Ein junges, vielseitig veranlagtes Pferd zwischen zweieinhalb und vier Jahren, das mal ein Buschpferd werden könnte, korrekt, gesund und klar im Kopf. Entsprechend vermögendes Springtalent und mit guten Grundgangarten, vor allem ein hervorragender Galopp, Farbe egal, zwischen 164 und 171 Zentimeter Stockmaß. Ausbildungsstand auch egal. Sowas müsste sich doch finden lassen, dachte ich. Von wegen! Die Sache hatte nämlich einen kleinen Haken: Das Pferd sollte mindestens 40 Prozent Vollblut im Pedigree führen. Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, dass früher vor allem Dreiviertelblüter, also mit 75 Prozent Blut, als Busch-tauglich galten. Die Geländeprüfung war allerdings bedeutend länger als heute, mit einer Rennbahnphase, zwei Wegestrecken und einem um einiges längeren Cross. Seitdem vom Geländetag nur noch der Cross mit maximal 6820 Meter übrig geblieben ist, haben auch Pferde mit weniger Vollblutanteil gute Chancen auf Spitzenplätze, besonders wenn ihnen eine bessere Technik am Sprung, bessere Grundgangarten und bessere Rittigkeit insgesamt Vorteile gegenüber den sehr hoch im Blut stehenden Pferden verschaffen. Aber ohne Vollblut ist auf die Dauer keine Spring- und Vielseitigkeitspferdezucht auf höchstem Niveau möglich.
Wo sollen die Halbblutstuten herkommen?
Das Vollblut gibt im besten Fall Härte, Galoppiervermögen und Kampfgeist mit. Das ist nicht neu und das wissen auch die Käufer von heute, besonders die aus dem englisch sprechenden Ausland. Diese Pferde sind inzwischen in Holstein, und auch in den anderen deutschen Reitpferdezuchten, zu einer Rarität geworden und werden, so vorhanden, gut bezahlt. Denn Vollbluthengste wurden in den letzten Jahren verschwindend wenig eingesetzt. Und wenn die Blüter nicht benutzt werden – die Regeln sind inzwischen so gelockert, dass der Züchter praktisch jeden in Deutschland anerkannten Blüter nehmen kann – dann gibt es auch keine Halbblutstuten in der Zucht. Wo sollen die denn herkommen? Einen Halbblut-Ring gibt es auf der jährlichen Elmshorner Stutenschau schon lange nicht mehr. Findet sich wenigstens in dritter Generation mal das xx, wird schon euphorisch von „Blutpferd“ gesprochen.
Einer der wenigen Blüter, der sich in den letzten Jahren in mehreren Zuchtgebieten einen Namen machen konnte und Top-Pferde hervorbrachte, war Heraldik xx. Er erfreute sich auch deswegen großer Beliebtheit bei den Züchtern, weil er unter dem Sattel in Dressurlektionen und über dem Sprung präsentiert werden konnte. Da konnten sich die Züchter besser vorstellen, was sie von den Nachkommen zu erwarten hatten als bei einem an der Hand des Vorführers in stoppeligen Tritten herumhampelnden Hengst frisch von der Rennbahn. Heraldik bekam genügend Stuten, um seine Vererberqualitäten beweisen zu können. Das ist den meisten in dieser Zeit eingesetzten Vollblütern nicht vergönnt.
Diarado führt in der Vielseitigkeit die Weltrangliste Zucht an
Den Blutmangel haben fast alle deutschen Reitpferdezuchten, in Holstein macht er sich besonders schmerzlich bemerkbar. Denn die Holsteiner Zucht, die ja in der Sparte Dressur von anderen weit überholt wurde, war schon immer eine Hochburg der Vielseitigkeitszucht. Die Kombination von Stuten aus alten Holsteiner Karossierstämmen, in denen das Vollblut schon seit dem 19. Jahrhundert verankert ist, mit Vollblütern der neuen Zeit in den 70er- und 80er-Jahren hat so fantastische Pferde wie die Hengste Lord und Landgraf, beide von Ladykiller xx, wie Vizeweltmeister Santiago v. Sable Skinflint xx, Olympiapferde wie Foliant und Fair Lady, beide v. Follywise xx hervorgebracht, um nur ein paar wenige zu nennen. Ein viel späteres Beispiel für dieses Erfolgsrezept ist der kürzlich verstorbene Olympiasieger von Hongkong 2008, Marius v. Condrieu xx.
Ihre Nachfolger heißen London v. Landos, Dublin und Dacapo v. Diarado, der in der Sparte Vielseitigkeit die Weltrangliste Zucht anführt, und haben erneut Holsteiner Buschpferde ins Blickfeld gerückt. Solche Pferde sind begehrt.
Auch Springpferdekäufer wollen Blut
Hier ist eine Marktlücke, die Holstein füllen könnte, auch wenn für Buschpferde in der Regel keine Millionen gezahlt werden. Aber wenn sie talentiert sind, bringen sie immer noch gutes Geld. Ein Markt, den der Holsteiner Verband nicht vernachlässigen sollte, zumal auch immer mehr Springpferdekäufer aus oben genannten Gründen auf das xx im Pedigree achten. Förderung erfahren die Holsteiner Vielseitigkeitszüchter bei ihrem Verband wenig. Dort träumt man von Fünfsterne-Superspringern von 1,50 Meter aufwärts. So wurde jetzt das Projekt eines Geländeplatzes an der Verbandszentrale Elmshorn kurzerhand eingestellt. Die Idee hatte ursprünglich Inken Gräfin Platen, die einzige im Vorstand mit eigener internationaler Erfahrung im Sattel, Vize-Europameisterin in der Vielseitigkeit im Jahre 2001, aus einer renommierten Züchterfamilie, der der Holsteiner Verband zahlreiche Qualitätshengste und -stuten verdankt.
Geländeplatz in Elmshorn gestrichen
Auf der weitläufigen Verbandsanlage sollten typische Geländehindernisse wie Wälle, Gräben und Wasserstellen entstehen, die Finanzierung von rund 70.000 Euro stand weitgehend. 60.000 Euro waren schon über Sponsoren gesichert, den Rest hätte der Verband dazugeben müssen. „Man hätte hier Geländetage für Holsteiner Vielseitigkeitspferde durchführen können“, sagt Inken v. Platen, „oder auch spezielle Fohlenschauen für Busch-interessierte Fohlenkäufer.“ Und damit dem einen oder anderen Züchter den Gang zum Vollbluthengst schmackhaft machen können. Doch dann wurde trotz des zunächst positiven Vorstandsbeschlusses das Projekt gestoppt. Kein Geld, hieß es. Und wahrscheinlich auch zu geringes Interesse seitens der Verbandsführung. Schade und kurzsichtig. „Blut ist der Saft, der Wunder schafft“, heißt ein Spruch. Wunder dauern bekanntlich etwas länger. Vielleicht zu lange.
Leider sind die Zeiten vorbei wo ein Herbert Blöcker als Angestellter des Holsteiner Verbandes den Vielseitigkeitssport auf höchster Ebene präsentiert hat.
Herbert als Aushängeschild des Verbandes und hoch erfolgreiches Vorbild im Vielseitigkeitssport konnte die Züchterschaft zum Einsatz von Vollblut motivieren.
süssliche Erinnerungen: ein Proust Duft
Vollblut oder Blüter für die Vielseitigkeit gesucht?
Seltsam, dass dieses Thema in regelmäßigen Abständen immer wieder erscheint, denn wer Halb- oder Vollblüter verkaufen will, hat oft doch große Probleme. Als Fohlen eher schwer verkäuflich, weil Spezialisten für Dressur und Springen gesucht sind, und später auch erst dann, wenn sie leistungsmäßig hervorstechen, was ihnen, wenn überhaupt, oft später gelingt als Warmblütern. Es gibt nicht viele Züchter, die ihr F1-Pferd solange behalten wollen oder können.
Die weniger Auffälligen brauchen zudem dann einen Platz im Freizeitpferdebereich – der eher pflegeleichte, mental ruhige, körperstabile Pferde für immer größer und schwerer werdende Reiter mit immer weniger Kenntnissen sucht. Von Kostendeckung sprechen wir gesamt gesehen lieber mal gar nicht.
Wer übrigens einen Vollblüter oder Halbblüter sucht, dem können folgende Adressen helfen:
Iris Wenzel, die sich sehr um Vollblüter in der Warmblutzucht bemüht und viel darüber geschrieben hat, mit der Seite „Vollblut in Reitsport und Warmblutzucht“ sowie
Janina Beckmann, die auf ihrer facebookSeite „Ein Rennpferd geht in Rente“ so gut wie monatlich mehrere VerkaufsPferde abbildet. Zu Preisen übrigens, für die kein mir bekannter Warmblutzüchter Pferde verkaufen würde. Freilich muss man die Qualität der Vollblüter stets selber einschätzen und diese auch selber ausbilden oder eben in die Zucht bringen. Dass dies geht, zeigt die Seite von Janina Beckmann übrigens auch ….
Wer ausgebildete Pferde sucht, der könnte sich an Elmar Lesch ( früher Auktion, jetzt Verkaufstage) oder an das Trakehner Schaufenster / Neumünster wenden.