Moment mal! Von Flugscham und Soja-Importen

Von
Moment mal_Gabriele Pochhammer

Gabriele Pochhammer, Herausgeberin St.GEORG (© Toffi)

Der CO2-Ausstoß von Pferden inklusive ihrer Haltung hat nur einen winzigen Anteil an den Umweltsünden dieser Welt. Peanuts. Aber wir können ihn weiter minimieren. Das haben auch die Reiterverbände begriffen.

Es ist ja nicht so, dass wir noch nie etwas von Nachhaltigkeit gehört hätten. Der Begriff hämmert sich Tag für Tag tausendfach in unsere Köpfe und nicht immer überzeugen die Intentionen dahinter. Etwa wenn Billigsupermarktketten behaupten, dieses oder jenes Produkt sei ach so nachhaltig und klimaschonend, weil es gar kein/ nur wenig/ recyceltes Plastik enthält, gleichwohl, was gerne verschwiegen wird, von unterbezahlten Arbeitskräften am anderen Ende der Welt geerntet, verpackt und dann tausende Kilometer per Flieger in unsere Regale geschwemmt wird. Stichwort Erdbeeren im Januar. Klimaschutz sieht anders aus.

Dass auch Sportlern der Umweltschutz nicht egal sein darf, leuchtet ein und wir Pferdeleute könnten uns eigentlich auf die Schultern klopfen. Kaum ein Sport ist so naturnah wie der unsere, mit einem Lebewesen aus Fleisch und Blut, dass zur Fortbewegung keinen Sprit verbraucht, sondern sich nicht nur von dem ernähren könnte, was im Lande wächst, sondern auch wertvollen Naturdünger liefert. Theoretisch.

Die Wirklichkeit sieht oft anders aus. Da gibt es moderne Ställe, deren Bestandteile nicht nach Umweltfreundlichkeit ausgesucht wurden, da gibt es viele Anlagen mit Abwasser- und Entmistungssystemen, wo niemand genau weiß, wo das alles bleibt. Ganz zu schweigen von Hallenböden, denen fragwürdige Kunststoffe zugesetzt wurden. „Die werden demnächst verboten, darauf müssen sich die Hersteller schon mal einstellen“, sagt Soenke Lauterbach, Generalsekretär der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). Auf das Problem hat St.GEORG vor mehr als 20 Jahren hingewiesen und der Aufschrei der Boden-Hersteller ist mir noch gut im Ohr.

Heu aus Südfrankreich, Soja aus Brasilien

Da gibt es Leute, die das Heu für ihre Pferde aus Südfrankreich herankarren lassen und woher die Zutaten für all die ausgefeilten Futtermischungen kommen, möchte ich auch nicht wissen. Oft ist Soja ein Hauptbestandteil, das doch, wenn man grün bewegte Gemüter hört, in der menschlichen Ernährung Fleisch ersetzen kann und meist aus Übersee stammt, nur 4,1 Prozent aus Europa. 80 Prozent wird an Tiere verfüttert, Rinder, Schweine, Hühner, zu einem vergleichsweise geringen Teil auch an Pferde. Weil die Nachteile nicht von der Hand zu weisen sind, verzichten bereits einige Hersteller auf Pferdefutter aus Soja. So kommt eins zum anderen. Der Verzicht auf überflüssige Chemie etwa in Form von Fliegenspray mag nur ein winziges Bausteinchen zur Rettung der Welt sein. Aber aus vielen Millionen solcher Puzzle-Teile wird dann doch irgendwann ein Rettungsanker. Hoffen wir jedenfalls.

Die Reiterverbände haben erkannt, dass sie das Thema nicht mehr loslassen wird. Die FN hat einen Leitfaden für den „Grünen Stall“ herausgegeben, und ist dabei, so Lauterbach, mit Hilfe von namhaften Experten auch von außerhalb des Pferdesports eine „Nachhaltigkeitsstrategie“ zu entwickeln mit dem Fokus auf der Basis: Vereine und Breitensport. Im Rahmen des Projekts Grüner Stall bietet die FN so genannte „Grünlandtage“ an, am 20. Mai in Sondelfingen (Baden-Württemberg) und am 4. Juni in Wartenberg (Weser Ems), Anmeldung [email protected]. Dabei dreht sich alles um diese und ähnliche Fragen: Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf das für Pferde so wichtige Grünland? Welches Saatgut eignet sich besonders für Weiden und welche Pflanzen sind für Pferde giftig? Wie kann mit der richtigen Pflege von Weiden ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt geleistet werden?

Öko-Check für jeden Stall

Über die Landessportbünde kann man mit Hilfe eines Energieberaters einen „Ökocheck“ auf der eigenen Anlage durchführen lassen. Photovoltaikanlage, Wasserzisternen, LED-Beleuchtungsanlagen, neue Gebäudedämmungen – die Möglichkeiten, eine Reitsportanlage möglichst ökologisch zu betreiben, sind vielfältig. Da ist bei den meisten noch viel Luft nach oben.

Der Europäische Pferdesportverband EEF (European Equestrian Federation) bietet im Mai eine Reihe von Webinars zum Thema an. Eine Expertenrunde gibt Tipps für nachhaltigen Pferdesport von der Basis bis zur Spitze (www.euroequestrian.eu).

Mehr oder weniger nur mit dem Spitzensport beschäftigt sich das Handbuch Nachhaltigkeit, der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI), das Veranstaltern großer Turniere bereits in zweiter Auflage Tipps gibt, die auch für Betreiber von Flughäfen nützlich sind. Als erstes die Ernennung eines Nachhaltigkeitsbeauftragten, des weiteren: Strom sparen, Papier sparen, Müll trennen, Wasser sparen, Plastik vermeiden, Wiederverwendung von Gerät (Hindernisse etc). Ok, wären wir so nicht drauf gekommen.

Zwei Ponys im Sechspferde-LWW quer durch die Republik

Ein wichtiger Punkt wird bisher noch nirgendwo angesprochen: die Transporte von Pferden. Während unsereins von Flugscham gepackt wird, wenn man mal, gequetscht in der Holzklasse, von Hamburg nach München fliegt, werden Pferde zu Top-Turnieren Erster Klasse, also mit reichlich Platz, jede Woche um die halbe Welt geflogen. Wie nachhaltig ist denn das? Und wie man es den Leuten erklärt, dass zwei Ponys für ein Turnier im Sechs-Pferde-Luxus-LKW von Hamburg nach Kreuth chauffiert werden müssen, weiß ich auch nicht. Die FEI kündigte vor einiger Zeit eine Untersuchung zu dem Thema an. Auf das Ergebnis bin ich sehr gespannt.

Auch interessant

#doitride-Newsletter   Sei dabei und unterstütze die #doitride-Kampagne! Mit unserem Newsletter verpasst Du keine Neuigkeiten rund um #doitride. Jetzt aktivieren!

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

stgeorg_newsletter_booklet
  1. RJ

    Was ich hier etwas vermisse: Nachhaltigkeit fängt ja nicht erst beim Stallbau- und Großveranstaltungskonzept an, sondern auch schon bei jedem Reiter und jeder Reiterin. Wer fährt eigentlich noch mit dem Fahrrad statt dem Auto in den Stall? Normales Reitequipment passt in eine Fahrradtasche. Zugegeben, mit dem 20-kg-Futtersack wird es kompliziert, aber hat den wirklich jeder Einsteller im Pensionsstall routinemäßig dabei? Die FN könnte mal eine Aktion „Bike2Ride“ ins Leben rufen – der Reiterfitness täte das sicher auch ganz gut.

    • Julia K

      Ich fühle mich ertappt. Mein Stall ist 12 km entfernt, ich fahre kaum mit dem Rad hin. Vorher stand ich in einem Stall nur halb so weit entfernt, da bin ich ständig mit dem Rad gefahren.
      Allerdings überlege ich mittlerweile schon, wie weit entfernt das Turnier sein muss und ob man wirklich ständig zum Training mit Pferd woanders hinfahren muss.
      Dafür würde ich mir auch von den Stallbetreibern insgesamt mehr Nachhaltigkeit wünschen. Das es noch Hallendächer ohne Photvoltaik gibt, ist eigentlich nicht zu begreifen. Mir gefällt auch nicht, dass gerne das Jakobskreuzkraut mit Chemie bekämpft wird (wahrscheinlich Round up, weil so einfach ist) und dann unsere Pferde darauf grasen.

  2. Britta

    Hallo,

    meine Pferde stehen im Sommer auf der Weide….also der Sattel muss da irgendwie hin…..suche schon seit Jahren eine Idee den Sattel sicher auf dem Fahrrad transportieren zu können. Ich möchte keinen Anhänger. Hat irgendjemand eine Idee? Gibt es Halterungen für den Gepäckträger?

    • Doris

      Ein Lastenrad wäre ggf. eine Alternative, die immer mehr Anhänger findet. Damit kann man, ohne Anhänger, div. Gepäck aber auch Einkäufe etc. transportieren.


Schreibe einen neuen Kommentar