Moment mal! WEG 2006 reloaded: Aachen macht’s nochmal!

Von
Moment mal_Gabriele Pochhammer

Gabriele Pochhammer, Herausgeberin St.GEORG (© Toffi)

Meinst Du, ich soll mir schon mal Karten besorgen, fragte mich eine dressurbegeisterte Freundin vorgestern. Immerhin sind es noch knapp drei Jahre hin, bis in der Soers wieder Treppchen für die neuen Weltmeister aufgebaut werden. Aber besser ist es. Seit Montag sind die Kassen für Tickets in Dressur und Springen geöffnet und drei Stunden später waren schon ganze Blöcke ausverkauft. Denn die Pferdesport-WM in Aachen soll das Mega-Event des Sommer 2026 werden, zumindest in Europa. Fußball-WM – wo war die noch gleich? Ach ja da gab’s doch was im fernen Amerika.

Übernächtigt – schließlich war es Ortszeit sechs Uhr morgens – aber glücklich zeigte sich das Team des Aachen-Laurensberger Rennvereins (ALRV), als es in einer Online-Pressekonferenz verkündete, was jeder schon wusste: Das Mega-Event in der Soers im Jahre 2026 wird zwar nicht Weltreiterspiele heißen, soll aber sowas wie eine Wiedergeburt der Idee eines vereinigten Pferdesports sein. Die Damen und Herren saßen in Mexiko, wo die Internationale Reiterliche Vereinigung (FEI) im Zuge der jährlichen Generalversammlung die Championate vergibt. Wie von Zauberhand thronten sie vor der Rundum-Kulisse des Soers-Stadions – Allgegenwart dank Technik.

Immer wieder ging der Blick zurück ins Jahr 2006, als Aachen die bisher einzigen Weltreiterspiele ausrichtete, die nicht in einem finanziellen Desaster endeten. Das soll es auch diesmal nicht, aber um es gleich zu sagen, billig wird‘s nicht. „Die WM wird ein Budget von 30 Millionen Euro haben“, sagt Michael Mronz, frisch gewähltes IOC-Mitglied und Chef der Aachener Turniergesellschaft. Alles eingerechnet, auch Investitionen in die Infrastruktur, spricht Mronz von 80 Millionen Euro. Also kleckern statt klotzen. Mronz holt das große Besteck raus: „Aachen soll langfristig als das Aushängeschild des gesamten Reitsports weltweit und als Deutschlands größte Sportveranstaltung erhalten bleiben.“ Man wolle Standards für künftige Sportveranstaltungen setzen, sagt er. Stand das Jahr 2006 im Zeichen der Rundum-Erneuerung der Soers mit einem riesigen neuen Tribünen- und Bürogebäude, zum großen Teil aus Steuergeldern finanziert, soll 20 Jahre später eine neue Voltigierhalle die Turner zu Pferde empfangen.

Viele aus dem Orga-Team waren schon 2006 dabei, vom Vermarkter bis zum Ordner, und dann wieder bei jedem CHIO – die müssen das Rad jetzt nicht neu erfinden. Aber alles wie gehabt, so soll es auch nicht werden. „Viel digitaler“, sagt Michael Mronz. Schließlich ist die Zeit nicht stehen geblieben, einiges hat sich verändert, unter anderem halten jetzt auch zwei Frauen die Zügel in der Führungsetage des ALRV, Sportmanagerin Birgit Rosenberg und Vereinspräsidentin Stefanie Peters.

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Die FEI hatte nicht die Qual der Wahl, wem sie das wichtigste Ereignis nach den Olympischen Spielen anvertraute. Es gab nämlich nur einen einzigen Bewerber. Lediglich für die Vielseitigkeit hatten sich das britische Burghley und das niederländische Boekelo beworben, beides renommierte Geländeplätze. Aber Mronz und die deutsche FN, vertreten durch Präsident Hans Joachim Erbel und Generalsekretär Soenke Lauterbach, machten klar, dass Aachen auf seinem Konzept mit sechs Disziplinen bestehen und keine Abstriche vom Gesamtpaket machen würde.

Der Sponsorenwettbewerb, um nicht wieder vom „Uhrenkrieg“ zu sprechen, wurde friedlich entschieden. Der langjährige Aachen-Sponsor Rolex bekommt zwei Monate vor der WM sein Fünfsterne-Turnier (kein CHIO) mit dem Großen Preis von Aachen als Grand Slam-Station. Ob außer Springen auch Dressur auf dem Plan steht, wird derzeit diskutiert. Longines, der Hauptsponsor der FEI, kommt dann zusammen mit anderen Großsponsoren bei der WM zum Zuge, wird aber nicht Titelsponsor, wie bei den Europameisterschaften dieses Jahres. „FEI World Championships“ ist der offizielle Titel des Events.

Neu dabei sind die Para-Dressurreiter, sie haben sich inzwischen einen festen Platz bei Championaten erobert. Vermissen werden wir die Distanzreiter und die Westernreiter. Oder vermissen wir sie gar nicht, weil sie eh nicht recht in Portfolio passten? Die von den USA dominierten Reiner haben inzwischen die FEI verlassen, unter anderem, weil sie die strengen Dopingregeln nicht einhalten wollten. Und die Distanzreiter sorgten in den letzten Jahren immer wieder für hässliche Bilder mit erschöpften, gedopten und überforderten Pferden trotz ständiger Regelverschärfungen. Ich weiß, dass ich damit den vielen Langstreckenreitern, auch aus Deutschland, unrecht tue, die fair und pferdegerecht ihren Sport betreiben. Aber das Image bestimmen andere. Also diesmal keine VIP-Paläste mit Kronleuchtern und Indoor-Palmen für die jungen und nicht mehr so jungen Götter aus dem Morgenland. Keine 500 Euro Trinkgeld für verduzte Taxifahrer, weil man es gerade nicht kleiner hatte, und keine Staus und Abschleppdienste am Nobelhotel Quellenhof, wo die wüstentauglichen SUVs die Straße blockierten. Das werden wir alles verschmerzen können.

Die Dressur feiert sich wieder selbst im großen Stadion, in der Kür bei Flutlicht bei garantiert wieder Höllenstimmung. Erinnerungen an den grandiosen Grand Prix Special-Sieg von Isabell Werth und Satchmo werden wach, unvergessen auch der Anblick der Kür-Weltmeisterin Anky van Grunsven bei der Ehrenrunde auf einem lahmen Polizeipferd, weil ihr Star Salinero ihr zwei Tage zuvor bei der Siegerehrung durchgegangen war.

Im Springen werden wir den Pferdewechsel der vier Finalisten doch ein wenig vermissen, er hatte etwas ganz Besonderes. Der Niederländer Jos Lansik war ein würdiger Champion, aber am Ende ist die Zeit auch darüber hinweg gegangen. Die Voltis und ihre lautstarken Cheerleader werden die nagelneue Halle fast zum Einsturz bringen. An der Geländestrecke, wo nochmal tausend Meter dazu gebastelt werden müssen, um auf WM-Länge zu kommen, wird sich die Barbour-Fraktion in langen Schlangen von Sprung zu Sprung schieben. Eine Woche später brausen dann die Nachfahren Ben Hurs mit vier Pferden über die Wiesen und frickeln sich durch die Fahr-Hindernisse, für die unsereins ein Navi bräuchte. Auf geht’s! Wir freuen uns Pferdesport at its very best in der Soers 2026.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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