Moment mal! Wenn die Laufstege leer bleiben

Von
Moment mal_Gabriele Pochhammer

Gabriele Pochhammer, Herausgeberin St.GEORG (© Toffi)

Das Interesse an Stuten- und Fohlenschauen, früher Highlights des Züchter-Kalenders, lässt nach. Das merkte gerade der Holsteiner Verband, zu dessen Eliteschau im Juni nur 31 Stuten antraten, ein Drittel so viel wie in früheren Jahren. Die Ursachenforschung in allen Verbänden hat längst begonnen.

Elitestutenschau in Elmshorn, die besten jungen Zuchtstuten eines Jahrgangs stellen sich der Jury und einem sachkundigen Publikum – stets eines der Highlights der Zuchtsaison, bei dem sich die Leute um die Vorführbahn drängten. So war es jedenfalls mal. Ich erinnere Jahre, in denen sich rund 100 Stuten um den Titel Verbandsprämie bzw. Staatsprämie bewarben. Die Zeiten scheinen vorbei, nicht nur in Holstein. Gerade mal 31 Jungstuten, nicht nur Dreijährige, sondern erstmals auch Vierjährige, zeigten sich im Juni dieses Jahres auf der Verbandsanlage in Elmshorn, ein Drittel weniger als in Hochzeiten, auch die Zuschauer waren nur spärlich gekommen. Schauen verlieren an Bedeutung in der Züchterschaft, darin sind sich alle einig. Gründe gibt es viele.

Holsteins Zuchtleiter Stephan Haarhoff versucht eine Erklärung: „Viele Züchter treffen ihre Selektion schon im Stall, stellen nicht mehr jede Stute zur Eintragung vor, nur die besseren.“ Auf den Eintragungsterminen in den verschiedenen Körbezirken werden die Stuten für die Zentralschau ausgewählt. Schon hier ist die Zahl der Bewerberinnen deutlich geschrumpft. „Früher kamen im Körbezirk Dithmarschen um die 90 Stuten zur Eintragung, jetzt kommen nur um die 20“, sagt Jens Ritters, einer der Top-Sportpferdezüchter in Holstein, unter anderem von Caracho, mit dem Richard Vogel im Januar das Championat von Leipzig gewann. „Das liegt auch am veränderten Lebensstil“, mutmaßt Haarhoff. Sprich, nicht jeder hat Lust, sich einen Tag Urlaub vom Beruf zu nehmen, um seine Stute zur Schau zu kutschieren. Die Eintragung kann auch bei einem Hoftermin erledigt werden und ist bedeutend einfacher, vor allem, wenn man damit wartet, bis man die Stute zusammen mit ihrem ersten Fohlen vorstellt. Das war anders, als Pferde noch zum ganz normalen bäuerlichen Alltag gehörten und die Schauen eine der wenigen Gelegenheit waren, die jungen Zuchtpferde zu präsentieren und mal mit den Züchterkollegen zu schnacken.

Die Platzierung auf Schauen hat für die Vermarktung an Bedeutung verloren. Wenn Jens Ritters heute ein Pferd verkaufen will, dann weiß er, dass sportliche Erfolge der mütterlichen Verwandtschaft mehr zählen als Staatsprämienschärpen. „Gerade ausländische Kunden wollen wissen, was aus der Mutterlinie schon für den Sport gekommen ist.“ sagt er. „Die interessieren sich weniger für Staatsprämien.“ Er bemängelt, dass bei den Fohlenschauen der für den Springsport so wichtige Galopp nicht bewertet wird. „Die sollen neben der Mutter traben, angaloppieren gilt ja fast als Todsünde“, sagt er. „So ein Blödsinn.“

Zwar werden die Stuten auf der Eliteschau nur im Schritt und Trab gezeigt, aber eine Galoppnote bringen sie aus ihrem ersten Eintragungstermin mit, wo sie auch beim Freilaufen begutachtet werden.

Die Frage, wie man die Eliteschauen wieder beleben könnte, steht auf der Agenda des Holsteiner Zuchtausschusses weit oben. „Wir überlegen, wie wir den Sport mehr gewichten können und damit neue Anreize schaffen“, sagt Stephan Haarhoff, „etwa, indem man bei den Vierjährigen erste Einsätze in A-Prüfungen berücksichtigt und bei nachweislicher Eigenleistung auf ein oder zwei Punkte, etwa im Typ, verzichtet.“ 52 Punkte für Exterieur und Grundgangarten bei insgesamt sieben Kriterien nach der Notenskala von 10 bis Null sind die Voraussetzung für eine Staatsprämie. Auch Freispringen ist wieder im Gespräch, das war vorübergehend eingeführt, aber schnell wieder abgeschafft worden. Jetzt wird neu darüber nachgedacht.

Trend aufhalten

Auch der Hannoveraner Verband muss mit sinkendem Interesse an den Stutenschauen leben. „Den Trend gibt es, wir versuchen ihn aufzuhalten“, sagt Zuchtleiter Ulrich Hahne. „Wir versuchen, das Freispringen zu integrieren, das bedeutet natürlich einen höheren Zeitaufwand.“ Zur zentralen Herwarth-von-der-Decken-Schau sind 70 Stuten zugelassen, 22 Springstuten, 48 Stuten mit Dressurabstammung. Das Freispring-Angebot für die Springstuten ist freiwillig. Hahne sieht noch andere Gründe für das abnehmende Interesse an der klassischen Schau: „Wir haben heute eine andere Züchterschaft, viele Züchter kommen aus dem Reitsport, sind dort mehr verankert als in der bäuerlichen Zucht.“ Es sind oft Neueinsteiger, deren Eltern noch keine Pferde züchteten und deren Kinder vielleicht auch nicht mehr. „Die Züchterfamilien begleiten uns nicht mehr so lange,“ sagt Hahne.

Der Trakehner Verband versucht, noch früher anzusetzen. „Wir machen schon die Fohlenschauen zu einem Event“, sagt Nehl-Heinrich Schoof, „Wir nehmen große Plätze, mit Fotografen und Videofilmern vor Ort und jeweils einem Championat. Plätze, auf denen was los ist. Am Ende des Sommers gibt es von mehr als 300 Fohlen Videos, das hilft auch bei der Vermarktung.“

Für die Stutenschauen, die aufgrund der bundesweiten Verbreitung der Trakehner Zucht dezentral stattfinden, wird ebenfalls freiwilliges Freispringen für die springbetont gezogenen Stuten angeboten. Für Noten zwischen acht und zehn gibt es einen Zuschlag auf die Gesamtnote. „So gewinnen wir auch die Spring- und Vielseitigkeitszüchter“, sagt Schoof. Zehn bis 15 Stuten werden für den zentralen Hengstmarkt ausgewählt, dort bekommen sie eine große Bühne, auch für die eventuelle Vermarktung.

Dr. Klaus Miesner, Leiter der Abteilung Zucht der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), hält das Schausystem nach wie vor für wichtig, auch wenn er den aktuellen Trend nicht leugnet. „Vor allem die Springpferdezüchter nehmen sich ihre Informationen heute woanders her“, sagt er. „Sie haben andere Wertigkeiten.“ Für ihn ist der Titel Staatsprämienstute nach wie vor ein Gütesiegel. „Sie haben dann ein korrektes Muttertier, vorgestellt und beurteilt. Das hat schon eine gewisse Aussagekraft, wenn ein Hengst eine mütterliche Ahnenreihe voller Staatsprämienstuten hat.“ Korrektheit heißt ja nicht zuletzt eine gewisse erwartbare Haltbarkeit. Und dann kommt für Miesner noch der soziale Aspekt hinzu: Die Züchter treffen sich vor Ort und nicht nur per WhatsApp, die Zuchtleitung kann noch Zeichen setzen und beraten – falls gewünscht. Aber vielleicht sind die Zeiten, in denen sich die Züchter von ihren Verbänden beraten lassen, auch vorbei. Die Ratgeber von heute heißen FEI-Database, Horsetelex, WBFSH-Statistik, FN-Erfolgslisten und Auktionsergebnisse. Objektiv, aber auch nicht unfehlbar.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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