Der Tag des Springen-Mannschaftsfinale aus der Sicht von Gabriele Pochhammer.
Heute ist Samstag, heute freuen wir uns auf eine Dressurmedaille. Das wird sicherlich phantastisch, und endlich mal wieder ein Grund zum Feiern. Vielleicht wird ja sogar der Rekord der Kanutin Birgit Fischer gebrochen und Isabell wird die erfolgreichste deutsche Olympiasportlerin aller Zeiten. Jessi hält uns ja in ihrem Instagram-Kanal Tag und Nacht auf dem Laufenden, wie sie mit Dalera die Zeit verbringt zum erhofften Gold-Triumph heute Nachmittag um halb vier: immer locker, fröhlich und soo entspannt. Sogar ihren Mittagsschlaf kann Jessica in der Hängematte in der Box zelebrieren, während Daleras Augen sie bewachen und ihre Lippen sie liebkosen. Der Weg zum Gold …. zu schön, um wahr zu sein.
Ansonsten sind wir noch etwas in Katerstimmung, die Springreiter tun einem einfach nur leid. So gute Reiter, so gute Pferde, so gute Vorleistungen in der Quali, alles für die Katz durch zwei dumme Flüchtigkeits- oder sonstige Fehler. Auch Philipp Weishaupt, der einzige Nuller, kann sich nicht über seinen makellosen Ritt freuen: „Ich könnte besser mit einer schlechten Leistung leben, wenn wir dafür eine Medaille hätten.“ Nicht weil es diesmal zu Lasten der Deutschen ging: Der Modus taugt nichts. Die Tatsache, dass 30 Reiter in der zweiten Runde wieder bei Null anfangen macht die wichtigste Medaille des Springsports zum Glücksspiel und nicht so spannend, wie sich die IOC/FEI-Tüftler ausgerechnet haben. Der klassische Nationenpreis, der konstante Höchstleistung über zwei schwere Runden abfragt, früher immer an einem Tag, heute bei Championaten an zwei, droht bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt zu werden. Ein Olympiasieg muss mehr sein als „nur“ ein normaler Großer Preis. An den Modus muss man jedenfalls nochmal ran.
Kein Wunder, dass die deutschen Springreiter gestern keine Lust mehr hatten, noch ins Deutsche Haus zu kommen, und zum x-ten Mal erklären zu müssen, wie’s kam, dass es nichts wurde mit der Medaille. Auch auf die wahrscheinlichen Dressurmedaillenträger müssen die Haus-Bewohner heute Abend verzichten, denn morgen geht es ja schon mit der Einzelentscheidung in der Kür weiter und da wird nicht am Abend vorher bis nach Mitternacht Party gemacht, sagt der Chef de Mission Dennis Peiler. Gestern im schwarzen DOSB-Hemd. Er unterhielt sich mit seinem Kollegen vom Kanusport und beneidete ihn um die unzähligen Medaillen, die sich da gewinnen lassen. Dagegen ist das Reiten mit seinen sechs sehr übersichtlich. Und davon haben wir bis dato erst eine!
Das vom DOSB gemietete Rugby-Stadion füllt sich zum Wochenende mit Olympiatouristen, auch aus Deutschland trudelt der eine oder andere für die Dressur und noch das Einzelspringen ein.
Gestern entdeckte ich Vivien Schockemöhle mit ihren beiden Kindern Paolo und Giselle zusammen mit Karli und Frida, dem Nachwuchs von Florian Meyer zu Hartum am Rasen vor dem Pressezentrum, das sich allmählich zum Szenetreffpunkt entwickelt. Denn hier können alle hin, ungeachtet der Farbe und Buchstaben auf ihrer Akkreditierung. Schatten gibt es auch und der vegatarische Colastand ist auch nicht weit, mittags die einzige Nahrungsquelle, wenn man keinen Zugang zu den Apfel- und Bananenbergen im Pressezentrum hat. Ich durfte sogar ein Foto machen von den kleinen Schlachtenbummlern, („Huch, wir kommen in die Zeitung.“) Das wird wohl die letzte Generation sein, die noch weiß, was eine Zeitung ist und wie sich Papier anfühlt.
Das vergessen wir auch bald, denn die erzieherischen Maßnahmen der Pressestelle (auf Anweisung von oben) werden allmählich lästig: keine gedruckten Listen, manchmal nicht mal Papier in den Druckern, von denen man vom eigenen Laptop ausdrucken kann. Statt Häkchen auf einer Liste zu machen, nimmt man jetzt einen Block und füllt gleich mehrere Seiten mit Notizen. Nachhaltigkeit ich mir anders vorgestellt. Und ich werde den Verdacht nicht los, dass der Müll, den wir tagsüber brav trennen – Lebensmittelüberreste, Verpackung, Restmüll – abends wenn er in Plastik(!)säcken abgeholt wird, einträchtig wieder vereint ist. Nachhaltigkeit habe ich mir irgendwie anders vorgestellt.
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