Von Bahnproblemen, einer modischen Bandbreite und selbstbewussten Buschreitern. Der Blog von St.GEORG-Herausgeberin Gabriele Pochhammer aus Versailles.
Letzte Nachrichten vor der Eröffnungsfeier: Die deutschen Springreiter sind nicht dabei, sie kamen nur bis Lüttich, weil die Bahn, die sie nach Paris bringen sollte, nicht fuhr wegen eines Anschlags auf das französische Schienennetz. Nur Richard Vogel, der aus dem Süden anreiste, hat’s geschafft. Sieben Nationen haben einen Reiter als Fahnenträger gewählt, der prominenteste ist der Schwede Peder Fredricson. Und da wird mir keiner widersprechen: Der hat es wirklich verdient.
Heute morgen wurde es zum ersten Mal ernst hier im Reitstadion von Versailles. Die Buschpferde mussten zum Vetcheck präsentiert werden, die Deutschen als erste Mannschaft. Alle sahen prima aus, Nickel von Julia Krajewski, Carjatan von Christoph Wahler und Chipmunk von Michi Jung, in dieser Reihenfolge starten sie auch morgen und übermorgen. Das heißt, Julia und Nickel müssen als erste ins Dressurviereck, genau um 9.3O Uhr. Auch am Sonntag, dem Geländetag. „Einer muss ja anfangen“, sagt die Olympiasiegerin von 2021 gefasst. „aber es ist schöner, wenn man sich vorher ein paar Pferde ansehen kann.“ Jetzt hoffen die anderen auf Julias Tipps, die ja ihrem Nickel an Erfahrung einiges voraushat. Es darf gar nichts schief gehen bei nur drei Reitern. Denn wenn es dazu kommt, dass der Reservist, in diesem Fall Calvin Böckmann, dessen The Phantom of the Opera ebenfalls bestens herausgebracht war, eingetauscht werden muss, dann ist die Teammedaille eh futsch. Der Druck auf das Trio ist also riesig.
Wie immer war auch diesmal der Vetcheck eine erste Parade der Pferde, die hier im wichtigsten Cross des Jahre antreten. Viele ausgesprochene Warmbluttypen mit europäischen Springpferdevätern, ein paar hochbeinige Blutpferde. Die deutsche Mannschaft tritt an mit drei Holsteinern und einem Hannoveraner mit Holsteiner Vater.
Weniger als in vergangenen Jahren geriet der Vetcheck zur Modenschau, das Nieselwetter lud auch nicht dazu ein. Die meisten hatten ihre Mannschaftskleidung an, die Deutschen mit eierschalenfarbenem Sweatshirt und schwarzen Hosen, schlicht und elegant. Die belgischen Damen in Oversize-Hosenanzügen in kanariengelb und pink – das muss man mögen. Die Polinnen in knöchellangen wehenden Sommerkleidern, hübsch, wenn auch nicht besonders sportlich. Die beiden Österreicher im Alpenlook, Harald Ambros in Lederhosen, Lea Sigl in was Trachtigem. Aber das half ihr nicht viel, ihr Pferd Flightline v. Ostermond xx passierte als einziges von 85 Konkurrenten den Vetcheck nicht.
Glück hatte die Einzelreiterin aus Marokko, Noor Slaoui, deren Pferd Cash in Hand zweimal vortraben musste. Beim ersten Mal hatte sie den elfjährigen Hengst verkehrt, also rechts um den Pfosten am Ende gewendet. Netter Versuch. Die Richter hatten die Augen auf. Nochmal dasselbe richtig rum, dann ab in die Holding Box, aber eine halbe Stunde später gab es doch noch das OK.
Nach der Verfasssung und einer weiteren Trainingssession stellten sich die deutschen Buschreiter nochmal der Presse für Fotos und kleine Interviews. Alle gaben sich natürlich optimistisch. „Aber wir müssen von Anfang bis Ende sehr konzentriert sein“, sagt Michi Jung vor seinem vierten Olympiastart, „Chippi ist lockerund frisch, ich freu mich, dass es losgeht.“
Calvin Böckmann, der Reservereiter, ist glücklich, überhaupt dabei zu sein. „Ich werde mich darauf konzentrieren, das bestmögliche Backup fürs Team zu geben“, sagt er.
Christoph Wahler, der bei den letzten drei Championaten sichere Runden abgeliefert hat, sagt: „Hier ist einfach alles noch ein bisschen größer. Man fiebert auf Olympia hin, und es wird schwer werden für mich, in meiner Karriere noch einmal über einen Kurs zu reiten, der so schön ist. Der Kurs ist so konzipiert, dass man gut ins Galoppieren kommt. Abfragen gibt es bis ganz zum Schluss, da wird nochmal selektiert.“ Bundestrainer Peter Thomsen: „Ich bin mit unserem Geländetrainer die Strecke am Video zweimal durchgegangen, damit wir mit den Reitern ganz genau die verschiedenen Möglichkeiten besprechen können.“ Klingt alles gut. Jetzt hilft nur Daumen drücken.
Ich bin heute nochmal im Gelände gewesen, für den zweiten Blick. Als ich zurückkam, waren bereits die Dressurreiter bei der „Familiariziation“, so das schöne Wort dafür, dass man dem Pferd schon mal den Schauplatz künftigen Ruhms zeigen darf. Was mir auffiel: Anders als die Buschpferde wird mindestens die Hälfte der Dressurpferde an einer Hundeleine ins Stadion geführt. Sollte uns das zu denken geben?
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