Erst mit der Akkreditierung um den Hals ist man bei Olympischen Spielen existent. Erste Eindrücke vom Main Press Center, tatsächlich „vom Feinsten“ und obendrein bestückt mit hilfsbereiten netten Menschen. Herausgeberin Gabriele Pochhammer ist als Vorhut schon mal vorgefahren, Chefredakteur Jan Tönjes und Fotografin Pauline von Hardenberg packen noch die Koffer. Dann kann es endlich losgehen.
Welche Autobahn ist die schönste? Die leere, oder fast leere natürlich. Meine elfte Olympiareise begann viel versprechend, trotz Ferienbeginns in einigen deutschen Bundesländern hatte ich von Schleswig-Holstein bis Paris quasi freie Fahrt. Herrlich bequem mit dem Auto, statt alles in einen Koffer zu zwängen, der dann bleischwer durch Flughäfen-Flure gezogen werden muss, packt man alles rein ins Auto und fährt los. Auch auf die Gefahr hin, dass man die Hälfte wieder unbenutzt mit nach Hause nimmt.
Dicht wurde es erst auf dem berüchtigten Peripherique, also der Ringautobahn rund um Paris, und das lag auch daran, dass überall eine Spur für den olympischen Verkehr reserviert ist. Dort dürfen nur Taxis fahren und Autos die mit einer riesigen lila Plakette verziert sind und die, wie ich schon feststellen konnte, es meist sehr eilig haben. Dank unseres französischen Kollegen Eric Knoll, der uns den Weg haargenau beschrieben hat, fand ich das Main Press Centre (MPC) schnell, in Sichtweite des Arc de Triomphe, gar nicht zu verfehlen.
Presse, Pferde, Pfötchen
Es ist das eleganteste MPC, das ich je gesehen habe: im Kellergeschoss nicht nur lauter schicke Boutiquen, sondern auch ein Feinschmeckerrestaurant und ein Supermarkt mit französischen Köstlichkeiten. Da werde ich am Ende der Tage meine Mitbringsel für Pferde- und Hundesitter einkaufen. Leider werden wir Reitsportjournalisten ja selten da sein, weil wir meist von Versailles aus arbeiten. Dort, wo die Reiter um ihre Medaillen kämpfen. Noch war wenig los, meine Akkreditierung (die wir alle vorab nach Hause bekommen haben), war in zwei Minuten „validiert“, also freigeschaltet – erst dann existiert man wirklich für die Olympiacomputer. Dazu gab’s gratis eine Karte für alle öffentlichen Verkehrsmittel im Großraum Paris.
Das kommt einem chinesisch vor
Im großen Arbeitssaal saßen ein paar früh angereiste Kollegen, ein heller weitläufiger Saal, deutlich einladender als die durch Plastikscheiben voneinander getrennten Plätze bei den Corona-Spielen in Tokio. Und keine Aufpasser, die kontrollieren, dass alle immer ihre Maske aufhaben. Ein chinesischer Reporter interviewte jeden, der seinen Weg kreuzte, mich fragte er, was ich von den chinesischen Reitern halte. Dazu konnte ich nicht allzu viel sagen, es sind nämlich nur zwei da, Einzelreiter in der Vielseitigkeit. China verlor bekanntlich seinen Teamplatz, weil beim entscheidenden Qualifikationsturnier in Millstreet 2023 das Pferd Chiko von Alex Hua Tian positiv auf das Hormonpräparat Altrenogest getestet wurde. Das Präparat ist für Stuten zugelassen, um Nebenwirkungen der Rosse zu unterdrücken, bei männlichen Pferden gilt es als beim Turnier verbotene Medikation. Alex Hua Tin konnte nachweisen, dass Chicko verunreinigtes Heu bekommen hatte. In seiner Nachbarbox stand eine Stute die mit Altrenogest, bekannter als Regumate, behandelt worden war. Die FEI akzeptierte die Erklärung.
Er wurde disqualifiziert, das Team fiel vom zweiten auf den vierten Platz zurück. Japan rückte dadurch nicht nur in der Rangierung des Turniers auf, sondern qualifizierte sich für Paris mit einer Mannschaft. Trotz des Medikationsfalles wurde Alex Hua Tian zusammen mit Huang Sun als Einzelreiter nominiert. Die FEI wendete dabei eine Regel an, dass ein Reiter, der zum ersten Mal in einen Medikationsfall verwickelt ist, keine Sperre bekommt, wenn er den „kurzen Weg“ wählt, also ohne Verfahren eine Geldstrafe akzeptiert. Für Alex Hua Tian war die Sache auch so peinlich genug, er entschuldigte sich wortreich bei seinem Verband und den Mitstreitern.
Der 35-jährige Sohn eines chinesischen Vaters und einer englischen Mutter, ist das Aushängeschild des chinesischen Reitsports. Er war 2012 der jüngste Vielseitigkeitsolympiareiter und der erste Chinese. Er ist in England aufgewachsen, für Olympia unterbrach er für ein Jahr seine Schulzeit in Eton. Im vergangenen Jahr gewann er Einzel- und Mannschaftsgold bei den Asia Games. All das hätte ich gerne meinem chinesischen Kollegen im MPC erklärt, aber sein Englisch war etwa so gut wie mein Chinesisch. Ich hoffe, er hatte mit seinem nächsten Interview-Partner mehr Glück. Und das wir in den nächsten zwei Wochen nicht allzu viel über Doping und Medikation reden und schreiben müssen.
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