Der Jubel bei Olympia wird sich in Grenzen halten, es ist ja keiner da, um die Athleten zu beklatschen. Und auch sonst werden die Sportler und alle, die es sonst noch nach Tokio geschafft haben, wenig zu lachen haben. Wir alle kommen in ein quasi feindliches Land, das jeden ausländischen Gast als Eindringling betrachtet. Aber am Ende werden auch diese Spiele Geschichte schreiben. Nicht nur, weil Corona als Spielverderber die Keule schwingt, sondern weil es wieder großartige Leistungen im Viereck, im Cross und im Parcours geben wird.
Die ersten Pferde haben schon abgehoben, vom belgischen Lüttich Richtung Tokio mit Zwischenstopp in Dubai, weil Russland nicht überflogen werden darf. 18 Stunden sind die vier Dressurpferde Annabelle, Bella Rose, Dalera und Showtime (Alphabetische Reihenfolge) unterwegs. Begleitet werden sie von Isabell Werth, die man an dieser Stelle wohl als Olympiaveteranin bezeichnen darf. Sechs olympische Gold- und vier Silbermedaillen seit 1992 – kein Reiter hat jemals mehr Lorbeeren angehäuft. Und niemand eignet sich besser, den weiblichen Part als Fahnenträger der deutschen Mannschaft bei der Eröffnungsfeier zu übernehmen als die Frau, die jetzt schon ihre eigene Legende ist, bei allem Respekt vor den Leistungen der anderen nominierten Sportlerinnen. Die Abstimmung ist öffentlich, jeder kann mitmachen. Also bitte bis spätestens 18. Juli für Isabell stimmen unter www.teamdeutschland.de!
Die Pferde haben es gut!
Gleich nach Ankunft in Tokio auf dem Flughafen Haneda werden die Pferde in klimatisierten LKW, die die japanische Rennsportorganisation zur Verfügung stellt, in die geräumigen Ställe im general-überholten Equestrian Park gefahren – natürlich auch klimatisiert. Wobei im Moment niemand mehr vom Klima spricht, das ja im Vorfeld in aller Munde war. 31 Grad, das gibt’s bei uns im Sommer immer mal, auch ohne Klimawandel.
Im Equestrian Park werden die Pferde bereits von ihren Pflegern und der Bundestrainerin Monica Theodorescu erwartet. Hoffentlich sind sie vor den Pferden da, das Prozedere für die zweibeinigen Einreisenden am Flughafen kann nämlich dauern. Vier Stunden für die Einreise-Formalitäten inklusive PCR-Test (der dritte innerhalb von vier Tagen) gelten als blitzschnell, aus Belgien hört man von Wassersportlern, die 13 Stunden am Flughafen auf das Ergebnis ihrer Test warten mussten. Da wäre dann mancher wohl lieber Pferd.
Die deutschen Reiter werden nicht im olympischen Dorf wohnen, sondern in einem Hotel, das näher am Reitstadion liegt, womit stundenlange Fahrten mit dem Shuttle vermieden werden sollen. Hier kommt auch die (zahlenmäßig minimierte) Entourage aus Funktionären, Partnern und Pferdebesitzern unter. Das war vor Corona so geplant und ist jetzt nicht mehr ganz optimal, weil die Reiter dadurch nicht dem olympischen Transportsystem angeschlossen sind. So musste die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) eigene Busse anmieten, inklusive Fahrer, die mit im Hotel übernachten, also quasi auch in der „Blase“ leben. Öffentliche Verkehrsmittel darf jeder Einreisende erst nach 14 Tagen benutzen und dann sind die meisten ja schon wieder zuhause, hoffentlich mit ein paar Medaillen im Gepäck. Innerhalb von 48 Stunden soll jeder Athlet die Heimreise antreten, so die japanische Vorgabe.
Schöne neue Welt …
Für uns Medienvertreter gelten dieselben Einschränkungen: drei Tage Quarantäne, U-Bahn und normale Taxis erst nach 14 Tagen. Die meisten von uns sind die ganze Zeit über da, es wird ja fast jeden Tag geritten und bei neun Olympischen Spielen habe ich mich darauf gefreut. Jetzt muss man sehen.
Wir kommen nicht in ein Land, das uns mit offenen Armen aufnimmt, sondern das uns als potenzielle Virenschleudern betrachtet, ob geimpft – was wir fast alle sind –, oder nicht. In einem Sportlerhotel hängt an den Fahrstühlen ein Schild: „Nur für Japaner! Keine Ausländer!“ Die Verhaltensregeln empfehlen, weder zu singen noch zu lachen, wegen der Aerosole. Unterhaltungen im Bus sind möglichst zu unterlassen, es lebe die digitale Kommunikation.
Ob das nicht nur mit Corona, sondern auch mit dem Jahrtausende alten Inseldasein unserer olympischen Gastgeber zu tun hat? Die japanische Bevölkerung wird ermuntert, alle nicht-japanisch aussehenden Menschen – und dazu zählt ja fast die ganze „Olympic Family“ – die sich in Parks, Supermärkten oder Shopping Centers herumtreiben, zu fotografieren, und die Bilder in die Sozialen Medien zu stellen. Wer vom Großen Bruder identifiziert wird, muss mit dem Verlust seiner Akkreditierung rechnen. Wo immer man hin will, muss man sich erst durch einen QR-Code ausweisen, wobei ich befürchte, dass uns diese schwarzen, gepixelten Quadrate auch nach Corona verfolgen werden. Völkerverständigung klingt irgendwie anders. Schöne neue Welt. Dagegen erinnern Orwells und Huxleys Zukunftsvisionen an Szenen aus dem Waldorfkindergarten.
Vorfreude bei den Reitern
Und dennoch: Wenn man mit den Reitern spricht, dann wollen sie alle diese Spiele. Olympia bleibt das Größte für jeden Sportler, auch ohne Zuschauer. Die Springreiter kennen leere Ränge längst von einigen Großereignissen in fernen Ländern und die Dressurreiter brauchen zu ihrem Glück auch keine außer Rand und Band geratenen Menschenmenge. Man muss es einfach mal positiv sehen. Reiterkarrieren können über mehrere Jahrzehnte reichen, siehe Isabell Werth, aber die von Pferden ist kürzer, wie bei anderen Athleten auch. Wer jetzt ein gutes Pferd hat, will sich olympisch beweisen. Unsere Reiter werden uns zeigen, dass man alle Widrigkeiten überwinden kann, wenn man will. Wenn man entschlossen, fokussiert und unbeirrt nach vorne reitet. Wir freuen uns auf olympische Sternstunden! „Auch diese Spiele werden Geschichte schreiben“, sagte mir vor einigen Wochen Jessica von Bredow-Werndl. „Auch sie werden einmalig sein.“ Das hoffen wir alle doch stark.men’s jordan retro release dates | air jordan 1 royal nike outlet
Viel Glück und Spass beim Reiten für alle, die dabei sind! Hauptsache alle Vierbeiner kommen gesund in Tokio und wieder daheim an! Auch natürlich die Reiter und Begleitpersonen!
Im Bann der 5 Ringe
18 Stunden Flug, dann LKW, dann Stalltrakt – so so! Na gut, an manch miesen Tagen stehen Pferde auch sonst so lange in einer Box. Die dürften das also schaffen.
Aber müssen sie es schaffen? Zu einem Turnier in einem Land ohne Reitsportbegeisterung, zu einem Turnier ohne Zuschauer, zu einem Turnier in einem Land, dessen Bevölkerung jetzt unter sich bleiben will? Corona verhindert grundsätzlich, wofür die fünf olympischen Ringe stehen, das Zusammenkommen der Völker.
Wie groß die Nolympia-Stimmung in Japan ist, mögen die folgenden Zahlen zeigen. RTL.de spricht davon, dass mehr als 80 Prozent der Japaner angesichts der vierten Welle und einer eher schleppenden Impfkampagne gegen eine Austragung bzw. für eine weitere Verschiebung der Olympischen Spiele sind. Die offizielle „Kyodo News“ gibt 59,7 Prozent Olympiaverweigerer an. (Quelle: https://www.rtl.de/cms/olympia-2021-grosse-mehrheit-der-japaner-gegen-olympische-spiele-in-diesem-sommer-4761148.html)
Restriktive Maßnahmen ggü. den Sportlern sind vor diesem Hintergrund vielleicht eher verständlich. Mit seinem Wunsch nach Isolation ist Japan übrigens auch nicht allein auf der Welt. Auch Australien erlaubt z.B. bis heute (14.7.21) ausländischen Reisenden keine Einreise. Für die Tenniswettbewerbe der australian open mit weit weniger Teilnehmern galten strengste Quarantänebedingungen. In den wenigsten Ländern läuft es so frei wie hierzulande bei der Fußball-EM ! Es stellt sich letztlich sogar die Frage: warum kann dem Unwillen der japanischen Bevölkerung ggü. Olympia nicht statt gegeben werden?
Freilich stimmt es, dass Sportler wie Pferde ein enges Zeitfenster für ihre Hochleistungen haben, und deshalb auf Mega-Events praktisch angewiesen sind – aber diese tollen Leistungen könnten sie auch bei einem Wettbewerb an einem anderen Ort zeigen. Den Pferden dürfte es völlig egal sein, in welchem Stallzelt sie sich -wieder- treffen und über welchen Rasen sie galoppieren.
Und den Reitern? Sieger, Platzierte und die, die ihr persönlich Bestes erreichen, werden tatsächlich von einer Sternstunde des Pferdesports und vom Highlight ihres Lebens sprechen. Der olympische Siegerkranz ist viel wert, ideell. Indes die Welt dreht sich weiter, und zwar schnell. Die Olympiasieger der letzten Spiele aufzusagen, dürfte nur echten Insidern gelingen. Nichts ist so schnell vergessen, wie der Sieg von gestern.
Das wissen die Reiter auch selbst. Olympia ist kaum vorbei, da starten die PS-Piloten schon wieder mit dem nächsten Jumper beim nächsten Event auf dem nächsten Kontinent. Gar nicht so selten ist der vierbeinige Olympia-Partner zu einer enormen Summe verkauft. Neue Beritt-Pferde stehen in den Startlöchern. Olympia – das lohnt sich. Ganz offen sprechen die Verantwortlichen davon, neue Märkte zu erschließen.
Aber ob das vor Ort so gelingt, wenn die persönliche Ergriffenheit sich nicht einstellen kann, weil man weder als Japaner noch als Angehöriger einer Reitsportnation nahe am Pferd stehen kann? Ohne das live-Erlebnis kann man nur dem Credo folgen: Leistung begeistert von überall. Werbewirksame Fernsehbilder müssen eben nicht aus Tokio -oder gar aus dem immer noch strahlenden Fukushima (Baseball), – über den Erdball gesendet werden. Bestens ausgestattete Reitsportarenen gibt es auf der Welt schon genug. Man muss nicht neue bauen, v.a. nicht in Ländern, in denen jetzt und später kaum Bedarf besteht und Geld besser in andere Sektoren fließen sollte. (Hat man aus Rio denn gar nichts gelernt?) Die olympische Schärpe kann man auch andernorts vergeben. Und sollten die japanischen Austragungsorte so einmalig sein, kann man diese später nutzen.
Dass internationale Meisterschaften verschiedener Sportarten zur gleichen Zeit aber an verschiedenen Orten funktionieren können, haben übrigens die European Championships 2018 Berlin/ Glasgow mit sieben Sportarten, 13 Disziplinen an zehn Wettkampftagen gezeigt. Die Begeisterung vor Ort und an den Bildschirmen war riesig. Der Funke sprang über.
Eigentlich ist es kein gutes Zeichen, wenn es tatsächlich stimmen sollte, dass „Olympia … das Größte für jeden Sportler (bleibt), auch ohne Zuschauer“ und das Abgleiten des Sports in eine Parallelwelt durch die Feststellung „Die Springreiter kennen leere Ränge längst von einigen Großereignissen in fernen Ländern“ als normal erscheint. (Zitate aus obigem Artikel)
Man sollte ein „Olympia“, bei dem jedes Verweilen, jeder Kontakt mit anderen per se schon untersagt ist, sich also nicht einmal ein Hauch des olympischen Idealbildes der „friedlichen Gemeinschaft der Völker bzw. Menschen“ einstellen wird, mit etwas Flexibilität an einen Ort verlegen, an dem die Lage nicht so angespannt ist, Kontakte also möglich sind. Manche Sportler empfinden übrigens schon selbst so starkes Unbehagen gegenüber der Gesamtsituation, dass sie die Teilnahme an Olympia abgesagt haben. Die Presse spricht sogar schon von einer Absagenflut.
Alles in allem ist es einfach Fakt, dass sich Begeisterung und Weltoffenheit nicht so einfach verschreiben lässt wie eine Hustenpastille. Corona hat die Situation verschärft, aber selbst ohne Corona erfährt Olympia aufgrund von Kommerzialisierung und Gigantismus immer größeren Gegenwind. Leicht wird vergessen, dass olympiaabgeneigte Japaner nur aussprechen, was in den letzten 10 Jahren Menschen in München, Zürich, Hamburg und etlichen anderen Städte auch getan haben. Hier wurde nämlich schon die Kandidatur für Olympia abgelehnt. Dem Willen der Bevölkerung wurde stattgegeben. Das hat übrigens das italienische Parlament 2016 dazu bewogen, die Bevölkerung Roms vorsorglich gar nicht erst über eine Bewerbung der Hauptstadt um die Olympischen Spiele 2024 abstimmen zu lassen. Austragungsort wurde dann Paris, wobei angedacht wird, z.B. die olympischen Surfwettbewerbe nach Teahupoo auf Tahiti zu verlegen.
Es wird wirklich Zeit, sich über alternative Austragungsmodalitäten einmal ernsthaft Gedanken zu machen. Die außergewöhnliche Lage bietet die Chance dazu.
Bis dahin kann man nur hoffen, dass die Isolation und stete Überwachung für die Sportler in Japan nicht ganz so schlimm wird wie befürchtet.
Der ganze „olympische Gedanke“ ist doch nur noch eine Phrase, es geht wie immer nur und ausschließlich um das liebe Geld.
Daß sich die Dressurreiter nicht an fehlenden Zuschauern stören, konnte man auch schon vor Corona auf ländlichen Turnieren sehen.
Das Vernünftigste wäre gewesen, diese überflüssigen Spiele abzuagen – es interessiert sowieso kaum jemanden.
Komischerweise scheinen einige prominente Tennisspieler nicht so begeistert davon zu sein, vor leeren Rängen zu spielen…
Olympia ist schon lange nicht mehr das Größte, sondern der größte Kommerz.
Im Übrigen gebe ich meiner Vorrednerin völlig recht.
Ist schon bekannt, welcher TV-Sender die Reitsport-Wettkämpfe zeigen wird?
Habe gerade mit Schrecken gesehen, dass ARD und ZDF z.B. in der Dressur
nur die GP-Kür übertragen werden, nicht aber den GP und den GPS.
Und was ist Online mit kompletten Livestreams?
Und FEI-TV oder ClipMyHorse?
jaja, so ist das halt mit dem „uninteressanten“ reitsport. beim fußball alles gezeigt, womöglich noch am schluß noch ein interview mit der putzfrau…… aber beim reiten – das ist offenbar unwichtig, obwohl uns die deutschen reiter über jahre hinweg medaillen, sogar in gold, beschert haben. es ist schon schwer genug, einen einzelnen sportler auf den punkt fit zu machen, damit er am tag seines olympia-starts evtl. siegen kann. beim reitsport ist nicht nur der zweibeinige partner gefragt, sondern auch der vierbeinige. das ist viel schwieriger und wird leider nicht genügend honoriert. schade. nein, traurig ist das. und sehr ärgerlich….
Eurosport und Eurosport Player soll angeblich alles übertragen..
Ich wünsche allen deutschen Sportlern viel Glück und Erfolg bei Olympische Spiele in Tokio!