„Pferde sind kein bequemes Hobby“

Von
Moment mal_Gabriele Pochhammer

Gabriele Pochhammer, Herausgeberin St.GEORG (© Toffi)

Das sagt die Princess Royal, Prinzessin Anne, einst selbst Spitzenreiterin und heute Präsidentin der Pferdeschutzorganisation Welfare of the Horse. Auch wenn sie eher selten ausmisten und Tränken auffüllen musste, weiß sie, wovon sie redet. In einem Winter wie diesem, der keiner ist, in dem sich die Welt in Wasser und Matsch aufzulösen scheint, gilt das besonders. Aber wir Züchter und Pferdehalter sind bekanntlich unverbesserlich, wir haben unsere Pferde fest im Blick und sind sicher: Alles wird gut.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich war diesmal froh, als ich schon am Neujahrsmorgen – der in diesem Jahr jeglicher winterlicher Romantik entbehrte, sondern ein weiterer dieser nassen trüben Regentage war – mein Haus „entweihnachtet“ habe. Alles weg, was glitzert und blinkt. Den Weihnachtbaum (bio) vor die Haustür gezerrt, damit die Ponys später noch eine Weile dran knabbern können.

Das Jahr 2023 war für viele zum Abhaken, nicht nur wegen des Wetters und der betrüblichen Weltenlage. Wir ließen das Jahr in kleinem Verwandtenkreis ausklingen bei einem geriatrischen Liebesfilm mit Robert Redford und Jane Fonda, wobei letztere mit ihrem ursprünglichen Gesicht ja nicht mehr viel zu tun hat. Aber schön war’s. Robert Redford, der beste „Pferdeflüsterer“, den es je gab, unerreicht auch als alter arthrose-geplager Gentleman. Geknallt wird bei uns schon seit Jahren nicht mehr, wegen der Pferde.

Besuch bei der Familie

Zwischen den Jahren, wie es so schön heißt, ist auch der richtige Moment, nach den eigenen Pferden zu schauen, die ich vor einiger Zeit in die Obhut eines jungen Paares gegeben habe, dass sich auf die professionelle Betreuung von Zuchtstuten und ihrem Nachwuchs spezialisiert hat. Ich schau regelmäßig vorbei und freue mich, wie sie sich entwickeln. Auf das operative Geschäft, sprich Ausmisten, verzichte ich inzwischen gerne.

Wie überall nicht nur in Schleswig-Holstein stehen die Wiesen und Auen unter Wasser, unvorstellbar, dass es hier im Mai so trocken war, dass nichts mehr wuchs und schon Heu zugefüttert werden musste. Zum Glück liegt das Gestüt auf einer Anhöhe, kein Pferd musste, wie in mehreren Betrieben in Niedersachsen, wegen Hochwassers evakuiert werden.

Mama in spe

Mein erster Blick geht zu den beiden Zuchtstuten, Flaminia und Cara Mia, die in einer großen Gruppe von Kolleginnen nonstop an der Heulage mümmeln. Rund um die Uhr an der frischen Luft, mit trockenem Strohlager unter Dach, wenn gewünscht. Während sich Cara Mia dieses Jahr zuchttechnisch eine Auszeit genommen hat, ist Flaminia tragend von Contendro I, ihr Bauch rundet sich verheißungsvoll und ich hoffe, dass sie auch das letzte Drittel der Trächtigkeit übersteht. Da steckt ja auch schon einiges Geld drin, in dem neuen Erdenbürger: zweimal in die Klinik zum Besamen, Decktaxe in mehreren Raten, Tierarztkosten, über die wir nicht als einzige stöhnen. Wenn ich komme, löst sich Flaminia aus der Gruppe, kommt zu mir, um mich zu begrüßen. Ich bin jedes Mal gerührt, fürchte aber, ich brauche mir darauf nichts einzubilden. Sie freut sich über jeden Besuch, sie ist einfach ein sehr menschenfreundliches Pferd.

Die nächsten Generationen

Dann geht es in die Laufställe mit den jungen Jahrgängen, auch hier alles luftig, einfach und zweckmäßig. Da unsere Pferde am 1. Januar alle ein Jahr älter werden, wenigstens auf dem Papier, schaut man sie mit anderen Augen an. Die Zweijährige gilt dann als drei und quasi reif für den Sattel. Wenn ich mir Papagena so angucke, so heißt die Cyrkon xx-Tochter, habe ich meine Zweifel. Sie hat eine Phase, die man schnell überwinden möchte. Langes Haar, der Kopf nicht mehr so blütig, alles ein bisschen auseinander gewachsen. „Nachgegröbt“, sagten die alten Landstallmeister dazu. Zum Glück bin ich lange genug dabei, um zu wissen, dass auch diese Zeit vergeht. Meist sind die Pferde dann wieder so schön, wie sie als Fohlen waren. Das hoffen wir jetzt mal ganz stark.

Die Jährlingsstute Dakota hingegen, ab gestern eine Zweijährige, hat einen Schuss nach oben getan. Aus dem strubbeligen Jährling ist ein Jungpferd mit Riss und Ausdruck geworden, auf Diarado ist halt Verlass.

Bleibt Coronation Charlie, der selbstbewusste kleine Hengst, der am Tag der Krönung von König Charles geboren ist. Er ist ein einigermaßen braver Internatsschüler geworden, der sich gut in seine Boys Group einfügt. Wie lange er seine Männlichkeit behalten darf, wird sehr von seinen Manieren abhängen.

Große Hoffnungen

So wie ich schauen tausende von Züchtern in diesen Tagen auf ihren vierbeinigen Nachwuchs. Hat sich der Einsatz gelohnt, der finanzielle, aber auch der persönliche? Die durchwachten Nächte, wenn das Fohlen kommt, der Kampf mit Matsch und Regen, in diesem Jahr weniger mit Frost und Schnee? Erfüllt der Youngster unsere Hoffnungen? War es richtig, den Junghengst zu nehmen, auf dessen Vererbungskraft man nur hoffen kann?

Wenn die jungen Pferde zum ersten Mal in die Halle gelassen werden zum Freilaufen, dann ist so etwas wie der Moment der Wahrheit gekommen. In den Weidemonaten erhält man selten einen Eindruck davon, wie sich das junge Pferd bewegt und mit seinem Körper umgeht. Hat er genug Trab? Eine der Gretchenfragen nicht nur für Dressurpferdezüchter. In der Aufregung der ungewohnten Umgebung zeigt sich da manchmal mehr, als wirklich drin ist, aber das merken wir erst, wenn mal ein Sattel und ein Reiter drauf sind. Das sind dann die ernüchternden Momente. In unzähligen Hallen wird den Youngstern in diesen Tagen schon mal das eine oder andere Cavaletti hingestellt. Wenn der erste Sprung schon nach Aachen schreit, haushoch, tolles Vorderbein, denn schmeckt der Neujahrssekt nochmal so gut. Aber so sind nicht alle, leider. Da gibt es auch das eine oder andere Hängebein, trotz Fünf-Sterne-Pedigree.

Dann greift wieder das Prinzip Hoffnung, wird schon noch werden. Darin sind wir Züchter unverbesserlich. Wenn die jungen Pferde in ihren Laufställen einer hoffentlich großartigen Zukunft entgegenknabbern, bestellen wir schon die Karten für die diversen Hengtschauen, schließlich müssen wir wissen, was sich tut in der Vätergeneration. Wir geben niemals auf, wir glauben an die Zukunft unserer Pferde. Und stimmen zu, wenn Prinzessin Anne, die königliche Pferdefrau aus England, sagt: „Pferde zu halten, ist kein bequemes Hobby.“ Wirklich nicht!

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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