Gemischter Auftakt für die deutschen Springreiter, die Stimmung im schwarz-rot-goldenen Lager gedämpft. Es kann noch besser werden. Auch für uns Journalisten, die wir uns mit allerlei Widrigkeiten rumschlagen müssen.
So richtig fröhlich war keiner von den deutschen Rote-Polohemden-Trägern mit dem schwarzen Germany-Schriftzug auf den Rücken. (Eigentlich unerhört, dass jetzt auch Schweizer und Belgier in dieser Farbe rumlaufen, erst der Blick auf die Vorderseite, auf der Pikeur und Fendt stehen, verrät, ob es auch wirklich einer von „Unseren“ ist.) Zu lachen gab es nicht viel: ein Totalausfall, drei Fast-Nuller und ein wirklich grandioser Ritt von Philipp Weishaupt auf dem erst neunjährigen Zineday. Zum Verzweifeln ist es aber noch zu früh: Am Ende steht Otto Beckers Team gar nicht so schlecht da, Zwischenrang drei hinter den souveränen Schweden und den Schweizer Titelverteidigern, aber weniger als ein Springfehler zwischen den drei Podiums-Kandidaten. Dass Gerrit Nieberg erst ein bisschen überredet werden musste, bis er sich den – wahrlich nicht zu kritischen – Fragen der Handvoll deutscher Journalisten stellte, die es über die Alpen geschafft haben, kann man ja verstehen. Er hatte sich sein Championatsdebüt anders vorgestellt als vier Abwürfe mit dem hektisch unter ihm weglaufenden Ben. Platz 63, mehr als zwei Springfehler von der Führung entfernt, so was nennt man wohl „Weg vom Fenster“. Und ein Motivationsschub war seine Runde als erster Reiter für den Rest natürlich nicht. „Natürlich ist das erst demotivierend“, sagte Philipp Weishaupt, „aber auf der anderen Seite muss man sich in den Arsch treten, sich aufraffen und sehen, dass man die Chancen, die man noch hat, wahrnimmt.“ Selbiges hat er dann ja auch getan und sich mit Platz drei nach dem Zeitspringen aussichtsreich positioniert.
Riesenbeck riesig in Form
Einiges zu lachen hatte Riesenbeck-Chef Ludger Beerbaum, frisch gebackener 60-er, der gestern vor Ort war, um seinen Reitern zur Seite zu stehen, außer Weishaupt auch der als Einzelreiter nachgerückte Christian Kukuk und der Ire Eoin McMahon. Kukuk gelang mit Mumbai eine fast perfekte Runde. Geschmeidig glitt der Schimmel über die Stangen, aber mit einem Abwurf am allerletzten Sprung, einer roten Planke, an deren Seite eine rote Kutsche als Fang dekoriert war. Eigentlich sollten auf der anderen Seite des Sprungs zwei lebensgroße Plastik-Schimmel stehen, wurden aber nach Protest einiger Reiter wieder entfernt. Begründung: Die Hengste unter den Pferden könnten durch eine Hormonexplosion abgelenkt werden, wenn sie plötzlich mit einem vermeintlichen Konkurrenten im Kurs konfrontiert werden. Wie man sieht, wird alles getan, um die Herren der Schöpfung bei Laune zu halten, genau wie im richtigen Leben.
Dass Christian Kukuk als Einzelreiter das ganze Championat mitreiten darf, ist, wie gestern berichtet, natürlich eine begrüßenswerte Entscheidung der FEI. Aber wie mir Stephan Ellenbruch, Vorsitzender der FEI-Springkommission, sagte, war es im Grunde eine Entscheidung des Computers. Denn der sah sich außerstande, die Teilnehmer am Fünfsterne-Championat und die in den Zweisterne-Randprüfungen startenden datentechnisch zu verarbeiten. Also wurde das Rahmenprogramm eingedampft, die Ersatzreiter zu Einzelreitern umfirmiert und alle sind zufrieden.
Das dritte Pferd außer Zineday und Mumbai, das Ludger Beerbaum erfreut haben dürfte, war die elfjährige Schimmelstute Mila, von ihm selbst noch im Großen Preis von Aachen geritten, in seinem Abschiedsparcours. Unter dem Iren Eoin MacMahon flog sie schnell und fehlerfrei über die Stangen, eine Augenweide, Platz acht.
Doch die Zwischenrangierung sagt eigentlich wenig aus. Auch wenn sich der Schwede Jens Pedersen über seinen Platz eins mit dem Idealergebnis Null freut – zwischen ihm und seinem Verfolger auf Platz 34, dem Ungarn Peter Szuhai, liegt weniger als ein Springfehler. Da tut sich mit Sicherheit noch einiges.
Wäre der Kurs heute nicht wirklich EM-like gewesen, hätte man sich wie auf einem gehobenen Regionalturnier gefühlt, sagen wir mal Paderborn in etwas kleiner. Kein Hauch von großer weiter Springsportwelt wehte über den Rasen, auf dem sich im übrigen hervorragend reiten ließ, trotz des Regens die Tage davor. Eine große und eine kleine gedeckte Tribüne, natürlich ein netter VIP-Bereich, aber ansonsten bleibt man unter sich. Ist natürlich auch gemütlich. Hugo Simon heute im T-Shirt mit Lederhosen-Hosenträger-Print, ganz der Österreicher. Aus NRW sind Pikeur-Chef und Mannschaftsolympiasieger 1988, Wolfgang Brinkmann mit Axel und Mulle Wöckener angereist, alle drei richtige Freaks, dem Springsport so verfallen wie am ersten Tag. Auch André Thieme wurde auf der Tribüne gesichtet, seine Chakaria sei nicht ganz in Schuss, so die offizielle Meldung vom Rückzug des Titelverteidigers, natürlich nicht lahm, aber besser ist es doch, sie schont sich. Für Olympia 2024?
Alle sind nett und freundlich, aber wir Journalisten würden uns über professionellere Arbeitsbedingen freuen, zum Beispiel über Dinge, die woanders längst Standard sind: eine Pressetribüne mit Arbeitstischen, W-Lan auch direkt am Stadion und nicht ein paar hundert Meter weiter im Rennbahngebäude. Der in der Wolle gefärbte Reporter kann sich natürlich helfen, mit Hotspot im eigenen Handy (das man allerdings auch nicht ortsnah aufladen kann). Und zur Not tut es auch eine Eisenstange als Sitzunterlage, SG-Chefredakteur Jan Tönjes macht’s vor.
Man sieht, wir tun alles, um Sie quasi dabei sein zu lasen. Morgen ist ein neuer Tag, neues Spiel, neues Glück. Hoffen wir mal.
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