Pochhammers Blog aus Riesenbeck: Flanieren an der Surenburg

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Gabriele Pochhammer bei den Europameisterschaften (© privat)

Verkehrte Welt – vom Dorfturnier in der Millionenmetropole zum kosmopolitischen Ambiente zwischen Maisfeldern.

Ein bisschen paradox ist das schon: Vor einer Woche in Mailand fühlten wir uns mitten in der Großstadt wie auf einem Dorfturnier, hier auf dem platten westfälischen Land in Riesenbeck kommt man sofort in Championatsstimmung. Die Tribünen doppelt so groß wie in Italien, die heute am Mittwoch noch nicht allzu zahlreichen Zuschauer flanieren gutgelaunt unter den schönen alten Bäumen auf dem Gelände neben der Surenburg.

Ich habe erstmal die Ausstellung inspiziert, da kann man richtig Geld loswerden, falls man sich nicht schon in Mailand pleite gekauft hat. So viele schicke Stände gibt es nicht mal in Aachen, höchstens noch in Balve, auch so ein schönes Turnier auf dem Lande mit Hauch von großer weiter Welt.

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Eigentlich ging es ganz gut los, die Deutschen lagen nach den ersten beiden Reitern, Matthias Rath und Isabell Werth in Führung, aber nur kurz. Bis Carl Hester die Spitze übernahm und sein Team an die Spitze brachte. Und die richtig starken Paare kommen ja noch. Das war eine sehr ordentliche Vorstellung von Rath und Thiago, der Hengst sehr sehr gut im Futter, dunkel glänzend. Mit der großen roten ovalen Plastronnadel von Matthias Alexander Rath hat es seine besondere Bewandtnis. Er hat sie von seiner Stiefmutter, Ann-Kathrin Linsenhoff, bekommen, die sie wiederum von ihrer Mutter geerbt hat. Liselott Linsenhoff bekam sie anlässlich ihres Olympiastarts 1956 in Stockholm geschenkt, dort gewann sie auf Adular Teamsilber und Einzelbronze. Auf der Vorderseite ist das Emblem des Deutschen Olympiadekomitees für Reiterei (DOKR) in Gold eingelassen, ein Reiter zu Pferde in der Levade, auf der Rückseite des Medaillons ist ein vierblättriges Kleeblatt eingelassen. „Die darf ich natürlich nicht verlieren“, sagte Matthias rath. Bloß nicht, das brächte ja wirklich Unglück.

Auch Isabell Werth war entspannt und zufrieden, Quantaz ruhiger und kooperativer, als man ihn schon gesehen hat, aber im Grand Prix werden ja ohnehin noch nicht alle Karten ausgespielt. Sie schwärmt von der Infrastruktur hier in Riesenbeck, von der viele Championatsplätze nur träumen können. Feste Boxen in kühlen Ställen statt Zelte, die ja schnell entweder zu heiß oder zu kalt sind. „Die können hier auch Dressur“, sagte Isabell zufrieden, „ich denke, hier müssen öfter Dressurturniere stattfinden.“

Das denken wir auch, ein großer kühler Presseraum mit hoffentlich genügend Platz, funktionierendes Internet – das ist ja schon mal das Wichtigste. Aber natürlich ist immer noch Raum für Verbesserungen: Bis heute gab es eine Pressetribüne, aber nur acht Plätze mit Tischen, die nach Gutdünken der Pressestelle vergeben wurden. Der Rest teilte sich die Sitze mit Teilnehmern und ihrer Entourage, die man dann immer belästigen muss: „Darf ich mal vorbei? Danke sehr.“ Das finden nicht alle lustig. Ab morgen soll das besser werden. Tatsächlich wird es höchste Zeit, dass im FEI-Regelwerk nicht nur die Größe der Pferdeboxen sondern auch die Arbeitsmöglichkeiten für uns Journalisten festgeschrieben werden. Vorausgesetzt man legt Wert auf die Medien und ihre Berichterstattung.

Übrigens sind nicht nur viele Journalistenkollegen gleich von Mailand nach Riesenbeck weitergereist. Auch Pedro Cebulka ist schon hier, der „Ring Master“. Unübersehbar farbenfroh gekleidet, ist er keineswegs der Pausenclown, sondern hat hier eine ganz wichtige Funktion. Er managt den Aus- und Einritt. Und da braucht es Durchsetzungskraft und psychologisches Gespür. Beides hat er und deswegen sind die Reiter immer froh, wenn er mit im Boot ist.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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