Professor Hartwig Schmidt: Den Blick nach vorne, bis zum letzten Atemzug

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Er hatte noch so viele Pläne und hatte doch schon so viel erreicht. Mit Professor Hartwig Schmidt verstarb ein Visionär, dem die Holsteiner Zucht großartige Erfolge verdankt.

Ich sah Professor Hartwig Schmidt zum letzten Mal im vergangenen Sommer bei Harm und Ingela Thormählen in Langenhals. Pferdeleute von nah und fern waren zu einer Art Vernissage gekommen, bei der zwei neue Gemälde der beiden Thormählen’schen Erfolgsstuten Fein Cera und Kaiserkrone präsentiert wurden. Unter den Gästen war ein hochgewachsener älterer Herr, der mit seinen vom Winde verwehten grauen Haaren ein bisschen wie Einstein in groß aussah. Unverkennbar Professor Schmidt.

Der 85-Jährige sagte zu mir mit blitzenden Augen: „Es ist mir gelungen noch sieben Portionen von Heraldik xx zu ergattern.“ Von dem erfolgreichsten Blüter der letzten 20 Jahre also, Vater von Olympiasiegern und Weltmeistern. „Ich möchte doch noch mal ein internationales Buschpferd züchten.“ Hartwig Schmidt war ein Freund des Vollbluts und überzeugt, dass jede Warmblutzucht gelegentlich diese Blutinfusion braucht, um nicht zu vergröbern.

Janne Bugtrup

Professor Hartwig Schmidt und der Holsteiner Hengst Cornetino. (© Janne Bugtrup)

Ein Mann mit vielen Ideen

Er hatte noch so viel vor, steckte voller Visionen und Ideen. „Professor Schmidt verkaufte keines seiner Stutfohlen, weil er mit ihnen schon Zukunftspläne schmiedete“, sagt Alf Bartholomäus, mehr als 30 Jahre ein enger Freund von Hartwig Schmidt. „Er wollte 105 Jahre alt werden“. Das war ihm nicht vergönnt, aber über den Sieg seiner Casall-Montender-Stute bei der Stuteneintragung in Steinburg Anfang Mai konnte er sich noch freuen. Wenige Tage später starb er.

Hartwig Schmidt war ein Kind des Landes zwischen den Meeren, stammte von einem bäuerlichen Familienbetrieb in der Nähe von Kollmar. Aber das Leben führte ihn zunächst einen anderen Weg als die meisten seiner Züchterkollegen. Er schlug eine akademische Laufbahn ein, wurde Professor der Physik mit einem Lehrstuhl in Hamburg.

Schon in den 1970er-Jahren baute er in Borsfleth im Kreis Steinburg seine eigene Holsteiner Zucht auf. Sie begann mit dem Stutfohlen Ibylle v. Moltke I, das er Rheder Thormählen abkaufte, mit dem ihm eine enge Züchterfreundschaft verband, wie auch später mit dessen Sohn Harm. Ibylles Mutter war eine Legende: die Ramzes-Tochter Retina, die siebenjährig unter Fritz Thiedemann das Holsteiner Derby gewonnen hatte, die Großmutter des Stempelhengstes Capitol I.

Im Laufe der Jahre wuchs die Zucht in Borsfleth auf sechs bis zehn Stuten an. Schmidt benutzte den Ramiro-Sohn Ronald, die Zuchtheroen Landgraf und Cor de la Bryère, aber auch Hengste jenseits des Mainstreams, deren Pedigree und Leistung er analysiert hatte wie kaum ein Zweiter. Seine profunde Kenntnis der Holsteiner Stutenstämme half ihm, seine qualitätsvolle Leistungszucht aufzubauen.

Stolzer Züchter von Corradina

Die Corrado I-Tochter Corradina, unter Carsten-Otto Nagel Vize-Europameisterin und Mannschaftsweltmeisterin, sowie der Cor de la Bryère-Sohn Corland, EM-Neunter 2001 unter Wout-Jan van der Schans und später ein erfolgreicher Deckhengst, sind herausragende Ergebnisse dieser züchterischen Überlegungen. Mehrere gekörte Hengste, Siegerstuten, hochprämierte Fohlen und Top-Auktionspferde kamen hinzu.

Julia Rau

Carsten-Otto Nagel und Corradina auf dem Weg zu EM-Silber 2011. (© Julia Rau)

Sein Hauptaugenmerk war von Anfang an auf das Sportpferd gerichtet, auf die Leistung im Parcours. Schmidt hielt Kontakt zu den Reitern, die seine Pferde im Sport vorstellten, war oft vor Ort, wenn sie an den Start gingen. „Er war bei jedem Championat von Corradina dabei“, erzählt Carsten-Otto Nagel. So auch bei der Europameisterschaft in Windsor 2009 und bei der Weltmeisterschaft in Kentucky 2010. Er hielt sich im Hintergrund, schaute zu und freute sich mit dem Reiter, wenn es gut lief. „Die Zeit mit Corradina hat uns zusammengeschweißt“, sagt Nagel. „Er war ein ganz besonderer Mann mit einer ganz besonderen Philosophie. Er wird mir fehlen.“

Wie aus Holstein zu hören ist, soll es es weitergehen mit der Zucht des Hartwig Schmidt. Die Tochter seiner Lebensgefährtin Friederike Heyser soll die Zügel in Borsfleth in die Hand nehmen. Und irgendwann sehen wir dann vielleicht in Badminton, Burghley oder Luhmühlen ein Pferd, das Heraldik xx zum Vater hat und von dem es im Programmheft heißt: Züchter Professor Hartwig Schmidt. Dann hat er mal wieder alles richtig gemacht. Und vielleicht kann nur einer bis zum letzten Atemzug den Blick nach vorne richten, der 105 Jahre alt werden will.nike sb dunk sizing and fit guide | air jordan 1 mid red and black release date

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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