In Österreich starben 2018 15 Pferde an atypischer Weidemyopathie, einer Krankheit, die noch immer nicht vollständig erforscht ist. Die jüngsten Fakten fasst Gabriele Pochhammer hier noch einmal zusammen.
as geht eigentlich nie, dass man sich als Pferdebesitzer entspannt zurücklehnen kann und denkt, man hat alles im Griff. Irgendetwas ist immer. Wenn es nicht gerade eine Verletzung ist, ein Hufgeschwür, Husten oder Pickel in der Sattellage, dann vielleicht das giftige Jakobskreuzkraut, das am Rande der Weide sein Unwesen treibt. Jetzt im Herbst lauern schon wieder neue Gespenster. Eines heißt atypische Weidemyopathie.
Übeltäter Ahorn
Lieben Sie auch das herbstliche Laub in seinen glühenden Farben? Gerade haben wir nach dem trockenen Sommer noch einen „goldenen Oktober“ obendrauf bekommen und freuten uns, dass unsere Pferde noch die verlängerte Weidezeit genießen konnten. Besonders golden und rot leuchtet der Ahorn. Wenn er auch in der Nähe Ihrer Pferdeweide seine Pracht entfaltet, sollten allerdings die Alarmglocken schrillen. Erst vor ein paar Jahren hat die Wissenschaft herausgefunden, dass Eschen- und Bergahorn für die tückische Krankheit Atypische Weidemyopathie, auch plötzlicher Weidetod genannt, verantwortlich ist. Seit Jahrzehnten sterben Pferde, vor allem im Herbst, aber auch im Frühjahr an dieser rätselhaften Stoffwechselerkrankung, die meist tödlich endet und für deren Ursache man lange vergeblich nach einer Erklärung suchte. Oft liegen die Pferde morgens tot auf der Weide, wohl das Schlimmste, was man sich als Pferdebesitzer vorstellen kann. Erst im Jahr 2012 bestätigte sich die Vermutung, dass die Samen des Ahorns, diese kleinen flügelartigen Früchte, die sich Kinder gerne auf die Nase kleben, die Übeltäter sind.
Bis zum 25. Oktober 2018 wurden der Veterinärmedizinischen Fakultät in Lüttich 121 Fälle von atypischen Myopathie aus insgesamt europäischen Ländern gemeldet, doch die Dunkelziffer ist hoch. In diesem Jahr sind allein in Salzburg 15 Pferde an der tückischen Krankheit gestorben, wie die Salzburger Landesveterinärdirektion verlauten ließ. Es wird von einem Züchter berichtet, der drei Pferde verloren hat, eine Mutterstute, ihr Fohlen und einen Jährling. Die Pferde standen auf einer Weide, die u. a. durch Ahornbäume begrenzt ist. Offenbar haben die Pferde die Samen – mit Gras und Laub vermischt – in so großen Mengen gefressen, dass sie krank wurden.
Die Gefahr ist momentan besonders groß
Tierärzte wiesen darauf hin, dass das Vergiftungsrisiko in diesem Jahr besonders groß ist. Durch die lange Trockenperiode waren viele Weiden frühzeitig abgeweidet, Dann nehmen die Pferde, was übrig bleibt und verlieren offenbar die Scheu vor den giftigen Ahornfrüchten. Die herbstlichen Winde verteilen die Samen bis 150 Meter übers Land. Sie enthalten den Wirkstoff Hypoglycin A, der zu schwerer Muskelerkrankung führt. Die ersten Anzeichen lassen manchmal eine Kolik oder einen Verschlag vermuten, die Pferde wirken schwach. Große Muskelgruppen sind betroffen, auch die Atmungs- und Schluckmuskeln. Oft sterben die Pferde durch Atemnot. Typisch ist dunkelrot gefärbter Urin. Die Krankheit schreitet schnell voran. 75 bis 95 Prozent der Pferde sterben. Überlebenschancen bestehen nur, wenn in ganz frühem Stadium behandelt wird. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts sind geschätzt mehrere tausend Pferde gestorben. „Genaue Zahlen haben wir nicht, weil die Krankheit nicht meldepflichtig ist“, sagt die Leiterin der Veterinärabteilung bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), Henrike Lagershausen.
Zwischen Herbst 2006 und Januar 2015 wurden der weltweit arbeitenden Forschungsgruppe AMAG (Atypical Myopathy Alert Group) 1600 Fälle in 20 Ländern Europas gemeldet. Aber auch in den USA, Neuseeland und Australien sterben Pferde den plötzlichen Weidetod.
In der Universität Lüttich beschäftigt sich eine Forschungsgruppe mit der atypischen Weidemyopathie. Bei Untersuchungen an 17 Pferden aus Belgien, Deutschland, und Holland wurde ein hoher Gehalt von Hypoglycin A gefunden. Botaniker inspizierten die Weiden aller 17 Pferde und in allen Fällen wurden in der Nähe Ahornbäume gefunden, genauer die bei uns weit verbreiteten Arten Bergahorn und Eschenahorn. Dabei stellte sich heraus, dass einige Pferde offenbar immun gegen die Krankheit sind.
Offene Fragen
Ob die Samen tatsächlich gefressen werden müssen, oder ob es schon reicht, wenn der feuchte Boden oder etwa auch das Oberflächenwasser wie Pfützen, Wasserläufe oder Tümpel mit dem Gift in Berührung gekommen sind, ist noch nicht erwiesen, wird aber vermutet. An der TiHo Hannover ist eine wissenschaftliche Arbeit zum Thema online einsehbar. Auch der Verband der Freizeitreiter Deutschlands (VFD) hält ein Update bereit (vfd.net.de). Nach dem ersten stärkeren Frost und Schnee ist die Gefahr meist vorüber – vielleicht kommt dann doch der Moment, wo man sich entspannt zurücklehnen kann. Und denkt, man hat alles im Griff.
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