Springderby 2012: Sonnencreme, 4 Grad, Rippenbrüche und Jannes Überraschung

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Derbyplatz vorm Aufbau 2012

(© www.st-georg.de)

Im beschaulichen Hamburger Stadtteil Klein Flottbek ziehen die Anwohner die Nasen kraus, weil Pferdetransporter die engen Straßen verstopfen. Das Deutsche Spring- und Dressurderby steht an diesem Wochenende auf dem Programm. Gestern war eine Pressekonferenz inmitten der zahlreichen Helfer, die das Derby zum Event werden lassen. Es gab Überraschungen und ausgebackene Scampi.

Der Platz ist groß, grün und leer. Selbiges gilt für das VIP-Zelt, jenen zweistöckigen Monumentalbau, an dem schon seit einer Woche in Hamburg Klein Flottbek gearbeitet wird, abgesehen von der Farbe grün. Denn das Zelt ist weiß, drinnen ist noch viel Raum. Der Weg zur Pressekonferenz führt an einer Batterie von Pappkartons entlang. Aufschrift: Plasma. Dahinter verbergen sich keine Blutkonserven, wir sind ja nicht im Feldlazarett. Die großen Bildschirme in den Kartons ermöglichen es allen, die eines der begehrten VIP-Bändchen haben, stets das Geschehen auf dem Platz zu verfolgen. Auch wenn man gerade mal mit einem Gläschen Champus in der Hand nach einer KKK (kleinen kulinarischen Köstlichkeit) schaut. Die gibt es auch für die Journalisten, die teilweise neidvoll auf die Steppjacken schielen, die die Mitarbeiter des Veranstalters En Garde Marketing über ihren Anzügen(Chef Volker Wulff) oder Fleecepullovern und anderen wärmenden Bekleidungsstücken (der Rest) tragen. Die sind schon länger hier, die wissen, dass sich Hamburg von seiner kalten Seite zeigt.

Man hat sensationelle Neuigkeiten zu vermelden: Neun Reiter der aktuellen Top Ten der Weltrangliste haben ihren Start zugesagt, es kommen 24 der 28 toprangierten des Weltspringsports am Himmelfahrtswochenende in den Derbypark. So gut besetzt sind nur ganz wenige Turniere, strahlt Derbychef Volker Wulff. Es ist die Global Champions Tour (GCT), die die Reiter lockt und die, das wird später auf der Pressekonferenz noch gesagt, wohl auch in den kommenden fünf Jahren in Hamburg Station machen wird. Nach Doha und Valencia gehen die Pferde hier in einem deutlich größeren Stadion und das erste Mal in der Saison auf Gras. Schon das verspricht Spannung, sagt der Sportdirektor der weltweit höchst dotierten Serie im Springsport Marco Danese. Auch er in Jacke. Der Mann ist Italiener, der geht nicht davon aus, dass es Mitte Mai morgens nur vier Grad warm ist. Er spricht Englisch, kein Deutsch. Dann hat er jedenfalls im Taxi vom Flughafen nicht verstehen können, dass für die nächsten Tage Neuschnee im Harz prognostiziert wurde.

Volker Wulff ist aber optimistisch. Wettermäßig und überhaupt. Denn viele Reiter, die wegen der Global Champions Tour an die Elbe kommen, haben plötzlich Lust, auch ein Derbypferd zu satteln. Zwischenzeitlich fehlten uns 40 Boxen, so viele Anfragen hatten wir. Jetzt ist alles wieder im Lot, Wulff grinst zufrieden und Janne Friederike Meyer an Wulffs rechten Seite, deren Stall 15 Autominuten vom Derbyplatz entfernt liegt, strahlt ja soundso. Hat auch noch mal blond nachgelegt der Sommer kann kommen! Volker Wulff empfiehlt, die Sonnencreme zuhause zu lassen. Am Sonntag werden nämlich Gratisproben verteilt, ein Hersteller aus Hamburg, dessen wichtigstes Produkt so ähnlich wie Niveau geschrieben wird, wird seine Hostessen in den Derbypark schicken. 21 Grad, werden es, da ist sich der Derbychef sicher. Während die Journaille mit hochgezogenen Schultern ihre Finger an Kaffeetassen wärmt und parallel zu den Ausführungen auf dem Podium halblaut von Glühwein und heißem Kakao träumt, lässt Mannschaftsweltmeisterin Janne Friederike Meyer die Katze aus dem Sack. Sie hat ein Derbypferd dabei. Ich habe geübt, das klappte erstaunlich gut, auch den Wall runter. Am Wall hatte Janne mal einen spektakulären Sturz, der ihr auch noch in den Knochen sitzt. Wenn mein Pferd da oben stutzt und zurücktritt, dann werde ich bestimmt kein Bein geben. Da dreh ich um und reite im Schritt wieder herunter. Oder ich führe. Da kann die BILD-Zeitung gerne schreiben, ich habe ein Psychoproblem, das ist mir egal! Die Zeitung mit den vier großen Buchstaben schreibt ja momentan nur von Wunderhengsten, da muss Janne sich vermutlich keine Sorgen machen. Ihr Coach Tjark Nagel gibt ihr übrigens psychologisch nur wenig Unterstützung. Tjark hat nur gesagt, Janne, lass den Sch …, denk doch mal an London!

Aber: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Und Sport ist, sich auch mal durchbeißen! Das weiß Denis Lynch. Der Ire ist am vergangenen Wochenende in La Baule bei einer Ehrenrunde mit einer Blumenschubkarre kolidiert: Zwei Rippenbrüche, eine Fleischwunde am Ellenbogen. Am Sonntag wollte er absagen, am Montag hat er für die GCT in Hamburg zugesagt und Dienstagmorgen sich nach einem Startplatz im Derby erkundigt. Weil er das so gerne auch einmal in seiner Karriere gewinnen möchte.

Das Fernsehen überträgt reichlich, auch das zaubert ein weiteres Lächeln auf das Gesicht des Derbychefs. Aber die Journalisten nehmen das nur ganz bedingt noch zur Kenntnis. Es hat sich herumgesprochen, dass die in WanTan-Teig ausgebackenen Scampi, die gereicht werden, innen noch ganz heiß sein sollen. Das sind doch Aussichten!

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Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).

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