Springreiter-Frust und Volti-Tränen

Von
IOC-Mitgleid Thomas BAch (l.), FN Sekretär Soenke Lauterbach und FN-Sportchef Fritz Otto Erley

(© Achim Begall )

Warum Corradina heute einen schönen Tag hatte und Kai Vorberg vom „Wind of Change“ vom Treppchen geweht wurde.

Im Taumel war ein Teil, ein Teil in Tränen… Der Dichter Gottfried Benn lässt grüßen. Wen? Die deutschen Springreiter. Nach der großen Freude über das Mannschaftsgold folgte der Frust, dass Carsten-Otto Nagel so knapp das Einzelfinale verpasst hatte. Statt Umarmungen tröstendes Schulterklopfen am Abreiteplatz. Carsten-Otto Nagel gab sich keine Mühe, den Frust zu verbergen. Ich bin schon sehr enttäuscht, sagte er. Da war man so dicht dran. Morgen tritt er den Heimflug an, heute war wenigstens Corrdaina das glücklichste Pferd am Platze. Sie durfte auf der Geländestrecke der Buschis spazieren gehen und sich die Hindernisse begucken. Da hat sie schon die ganze Zeit hingeschielt, sagte Nagel. Was war los? Ich glaube, die Pferde waren insgesamt ein bisschen müde, denen steckten die vielen schweren Prüfungen doch in den Knochen. Er plädierte für eine etwas andere Formel. Warum müssen es in der dritten Wertung noch zwei Runden sein, eine tuts doch auch?! Das sagte er, obwohl der sich im B-Parcours noch um einen Platz verbessern konnte. Und ein Tag Ruhe vor dem Finale wäre auch besser,.

Ich wäre gerne Doppelweltmeister geworden, aber wer weiß, wozu es gut ist, vielleicht hätte ich womöglich aufgehört zu reiten. So bin ich noch jung, mein Pferd auch und wir können es noch mal versuchen., sagte der 48-Jährige.

Keiner wusste so gut wie Bundestrainer Otto Becker, wie man sich als Fünfter bei einer WM fühlt. Es ist genau 20 Jahre her, dass er mit Pamina in Stockholm mit einem blöden Fehler an der gewellten Planke das Finale verpasste. Kopf hoch, Otto, sagte einer. Ach lass mich den Kopf doch jetzt einfach mal eine halbe Stunde hängen lassen, dann gehts schon wieder.

Dramen auch bei den Voltis, der große Wachwechsel: Kai Vorberg verlor den Titel im allerletzten Moment an seinen Freund und Schüler Patric Looser aus der Schweiz, noch bei der Pressekonferenz flossen die Tränen bei beiden, wegen des verlorenen Titels, wegen des gewonnenen Titels, weil man doch befreundet ist, und überhaupt und alles. Der Wind of Change, das musikalische Motto von Vorbergs Kür, hat Kai Vorberg  unversehens vom obersten Podest geweht.

Wieder waren alle deutschen Rothemden da bei den Voltis, standen für die Medaillenmädels Anje Hill (Silber) und Simone Wiegele (Bronze ) Spalier mit ihren Fähnchen, einschließlich Reiterpräsident Breido Graf zu Rantzau. Er ist sowieso der meistbeschäftigte Mann im deutschen Team, wird den ganzen Tag von seinem Generalsekretär Soenke Lauterbach herumkutschiert, hier ein Sektchen mit Angelika Trabert, um auf das Gold anzustoßen, dann ein Pläuschchen mit den Journalisten. Nur zum Mittagessen mit IOC-Mitglied Dr. Thomas Bach und FEI-Präsidentin Haya hatte er gerade überhaupt keine Zeit.

Auch Bach ließ sich bei der Presse blicken, versicherte den Reitern die weitere Präsenz in der Olympischen Familie und lobte die FN, dass sie in der Frage der Medikationslisten auch einen Kurs gegen die FEI nicht gescheut habe. Jetzt, nachdem die FEI eingelenkt hat, sieht er die neue Liste als einen Kompromiss der Vernunft.

Sehr beschäftigt ist auch Mannschaftsarzt Dr. Manfred Giensch. Nicht nur mit Fähnchenschwenken, das macht er auch sehr brav, aber vor allem mit der Behandlung der diversen Zipperlein. Jeder hatte zu irgendeinem Zeitpunkt Husten, Schnupfen, Heiserkeit. Kaum war die eine Gruppe durchgeseucht, reiste die nächste an und holte sich einen Infekt. Hinzu kam der Fuß von Georg von Stein (verstaucht) und die Hand von Marcus Ehning (Kapselriss im letzten Parcours).

Erwische mich gerade dabei, wie ich auf Tim Mälzers Website herumgucke. Rindsrouladen!! Der Himmel auf Erden für eine, die wie ich, seit zwei Wochen gewürztes Plastik isst! Noch zwei Tage!

Die beste Nachricht: Das WIFI in unserem Häuschen geht wieder, das hatte einen Tag den Geist aufgegeben und zwang uns, hier in der eiskalten Pressestelle zu dichten. Jetzt können wir zuhause schreiben, alles gut. Allrighty, heißt das hier.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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