Verstößt die Internationale Reiterliche Vereinigung (FEI) gegen Menschen- und Persönlichkeitsrechte, wenn sie im Fall von Regelverstößen Zugriff auf alle privaten Informationen verlangt? Die meisten nationalen Verbände, auch der deutsche, sehen das so. Auch die geplante Kontrolle über Social Media-Auftritte von Athleten und anderen am Sport Beteiligten dürfte für Irritationen sorgen. In der kommenden Woche wird bei der FEI-Generalversammlung diskutiert.
Alle Jahre wieder im Herbst treffen sich die Delegierten der nationalen Reiterverbände meist an einem vom internationalen Sport weit entfernten Ende der Welt, um über den Zustand des Pferdesports im Allgemeinen und der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI) im Besonderen zu sinnieren, das Budget abzusegnen und neue Regeln zu beschließen. Das heißt, beschlossen wird selten etwas, meistens wird abgenickt, was in den Monaten zuvor vorgeschlagen, ausgearbeitet und abstimmungsfertig gemacht wurde. So etwas wie eine Diskussion findet vorher statt, dann geht’s schneller bei der Generalversammlung. Die findet dieses Jahr vom 18. bis 21. November in Mexiko Stadt statt.
Alle Stakeholder, also Interessengruppen, wie Reiter-, Trainer- und Organisatorenclubs, aber vor allem die nationalen Verbände hatten bis zum August die Möglichkeit, Einwände zu erheben und Verbesserungsvorschläge zu geplanten Regeländerungen zu machen. Manchmal wird nur ein Wort moniert, manchmal macht sich auch energischer Widerstand breit.
Maulkorb in sozialen Medien?
In diesem Jahr waren es zum einen die Richtlinien für das Verhalten in sozialen Medien, die die Gemüter erregten. Denn im Internet geht es, wie wir wissen, oft rücksichtslos und beleidigend zur Sache, nicht nur von Außenstehenden, sondern auch von Athleten und anderen am Sport beteiligten Personen selbst. Dem will die FEI nun einen Riegel vorschieben und eine Art Verhaltenskodex erlassen, der festlegt, was erlaubt ist und was nicht. Das meiste ist einleuchtend und gilt für alle, nicht nur für Pferdeleute. Keine Beleidigungen, keine Hate Speech, keine persönlichen Indiskretionen, respektvoll und fair – ist ja klar. Kritik nur in kleinen verträglichen Dosen.
Die FEI gibt ein Beispiel, was sie meint: Da haut eine Reiterin namens „Moneytalk“ auf der Rückfahrt vom Turnier frustriert in ihr Handy:
„Heute vom Event X disqualifiziert. Mark Zuck und ich legten eine fantastische Runde hin und kämpften um einen Podiumsplatzt, bis B Spears sich einmischte und ohne Grund beschloss, uns zu disqualifizieren. Falsch, falsch, falsch. B Spears ist ein Witz; sie kennt die Regeln nicht und trifft immer die falsche Entscheidung. Jeder weiß, dass sie heimlich Athletin B trainiert. Daher ist es keine große Überraschung, dass Athletin B heute gewonnen hat……≠moneytalks“.
Ganz schlecht! So gefällt es der FEI besser:
„Heute vom Event X disqualifiziert. Mark Zuck und ich legten eine fantastische Runde hin und kämpften um das Podium, wurden aber disqualifiziert. Anscheinend haben wir gegen die Sportregeln verstoßen. Mit der Entscheidung nicht einverstanden! Ich dachte, wir machen alles richtig! Aber wir werden uns von dieser Enttäuschung erholen und nächste Woche wieder losfahren.“
Ich denke, viele junge Leute werden über eine derartige Bevormundung lachen und weiterhin aus ihrem Herzen keine Mördergrube machen. Aber die Erkenntnis, dass nicht alles, was in der ersten Wut in die Tastatur sprudelt, auch viral gehen sollte, ist weder neu noch falsch.
Die FEI fordert darüber hinaus Zurückhaltung bei Diskussionen – das wird schon schwieriger und riecht nach Maulkorb. Der europäische Pferdesportverband (EEF) moniert: „Die Überwachung der sozialen Medien ist keine Angelegenheit von FEI-Regeln. Die FEI kann nicht einfach separat und ohne Berücksichtigung der Grundsätze der Meinungsfreiheit und der einschlägigen EU-Gesetzgebung (und möglicherweise auch anderer Gerichtsbarkeiten) eine Regulierungsbehörde für pferdesportbezogene soziale Medien werden.“ Da kann man kaum widersprechen.
Bemängelt wird auch die unklare Definition, wo die Grenzen des Anstands überschritten werden und mit welchen Sanktionen zu rechnen ist. Geldstrafen? Sperre?
Kritisch äußert sich auch Dressur-Ikone Isabell Werth, Vorsitzende des Internationalen Dressurreiterclubs (IDRC): „Sicher gibt es Wildwuchs, der muss eingehegt werden. Verunglimpfungen sind unmöglich, die gehen gar nicht, aber auch die FEI muss sich an das allgemeine Recht halten, kann Rede- und Meinungsfreiheit nicht einschränken.“
Verstoß gegen die Menschenrechte?
Auf Granit biss die FEI auch mit ihrem Regel-Vorschlag, Zugriff auf die persönlichen Informationen inklusive elektronischer Medien wie Email-Konten, Handys und Tablets, aber auch auf Tagebucheintragungen einzelner an einem Verfahren beteiligter Personen einzufordern, um die Ermittlungen bei Verstößen zu erleichtern.
Wörtlich heißt es: „Jede berechtigte Person verzichtet auf alle Rechte, Verteidigungsmaßnahmen und Privilegien, die durch ein Gesetz in einer beliebigen Gerichtsbarkeit vorgesehen sind, um Informationen, Aufzeichnungen, Artikel oder Dinge zurückzuhalten, die in einer Anfrage angefordert werden.“ Das ist wirklich starker Tobak. Damit stellt sich die FEI auch über nationale Gesetze.
Der Aufschrei war absehbar. „Das geht zu weit. Wir sind dagegen, das verstößt gegen die Menschenrechte“, heißt es aus Belgien. Die britische FN bezweifelt, dass sich die Regel in der Praxis durchsetzen lässt. Auch die deutsche FN lehnt den Vorschlag energisch ab. Er stelle einen klaren Verstoß gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz dar, dass sich niemand selbst belasten müsse und werde vor deutschen Gerichten nicht standhalten. Der Vorschlag verletze die Menschenrechte, wie sie durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützt seien. Ohne richterlichen Beschluss geht in Deutschland wie in anderen EU-Ländern so etwas gar nicht.
Isabell Werth: „Den gläsernen Reitsport wird es nicht geben, auch die die FEI muss sich schließlich an allgemein übliche Regeln halten.“
Bisher beharrt die FEI auf ihrem Text, verweist auf externe juristische Berater und auf andere internationale Sportverbände, die die gleichen oder noch strengere Regeln haben, um Verstöße zu verfolgen. Das klingt nach einer munteren Diskussion in der kommenden Woche in Mexiko, endlich mal. Wir sind gespannt.
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