Über William „Bill“ Steinkraus und die Vorbilder aus dem US-Springsport

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Anfang Dezember starb der US-amerikanische Springreiter William Steinkraus. Gabriele Pochhammer wirft einen Blick zurück auf ihn und sein Lebenswerk.

Viele werden es schon bei St.GEORG-online gelesen haben: Der US-amerikanische Springreiter William Steinkraus ist gestorben. Das ist bei einem 92-Jährigen gewiss eine traurige, wenn auch keine erschütternde Nachricht. Viele, vor allem die jüngeren Leser, werden seinen Namen gar nicht mehr kennen oder höchstens aus Statistiken, wenn mal wieder Olympiamedaillen aufgelistet werden. Die Ruhmesliste von „Bill“ Steinkraus, wie er allgemein genannt wurde, war beachtlich: Teilnehmer an fünf Olympischen Spiele, davon herausragend der Olympiasieg 1968 mit Snowbound, der erste eines amerikanischen Reiters. Bei den Olympischen Spielen 1972 in München waren die Deutschen ihm besonders dankbar, ein Fehler am Wassergraben seines Pferdes Main Spring sicherte ihnen das Mannschafsgold, das US-Team gewann Silber.

In jeder Hinsicht eine Ausnahme

Es ist aber nicht die dürre Papierform, weswegen Steinkraus zu den Reiter gehört, die man nicht vergessen wird. Von schlanker Gestalt mit feinen klugen Gesichtszügen bot er im Sattel ein Bild von unerreichter Eleganz. Er war nicht nur zu Pferde eine Ausnahme, er spielte Geige, war hochgebildet und belesen. Gespräche mit ihm waren ein Erlebnis, er wusste einfach alles, nicht nur übers Reiten. Der Student der renommierten Yale-University verstand sich zeitlebens als Amateur. Bill Steinkraus hatte den Pferdevirus nicht geerbt, er war der erste seiner Familie, der sich dem Reitsport zuwandte. Und das schon als Kind. Als Teenager gewann der die beiden wichtigsten Prüfungen für den amerikanischen Springnachwuchs, AHSA Junior Horsemanship Cup und ASPCA Maclay Final. In diesen Prüfungen geht es um den Stil von Reiter und Pferd, um das passende Hinreiten zum Sprung, um feine, unsichtbare Hilfengebung, um rhythmisches Galoppieren. Diese Prüfungen waren das Vorbild sowohl der Springpferdeprüfungen als auch des Nachwuchschampionats für junge Springreiter, das Hans Günter Winkler einst ins Leben rief. Der fünffache Olympiasieger hatte in den USA erlebt, wie es ist, wenn Reiter und Pferde in Ruhe ihre Runde reiten können, wenn es um Sitz, Einwirkung, Rittigkeit und passende Distanzen geht und nicht um Sekundenbruchteile. Damals war es im deutschen Turniersport üblich, dass man schon in kleinen Klassen aufs Tempo drücken musste. Mit entsprechend wüsten Bildern.

Ein Team, das begeisterte

Der so geschulte US-Nachwuchs begeisterte in den 50-er und 60-er Jahren die Springreiterwelt. Ihr Lehrmeister war der Ungar Bertalan de Nemethy, der auch eine Zeitlang an der Kavallerieschule in Hannover geritten hatte, unter anderem bei Otto Lörke, dem Stallmeister des letzten deutschen Kaisers und späterem Trainer von Dressurolympiasiegerin Liselott Linsenhoff. De Nemethy verband das Beste aller Reiterwelten, die deutsche klassische Dressurauffassung mit der italienischen Springschule. Das passte hervorragend zu den Pferden, die die US-Reiter für den Springsport wählten: großrahmige Vollblüter, die auch schwere Parcours mit Leichtigkeit absolvierten, die sich nicht in eine starre Form zwingen ließen (es war ja auch die Zeit der Schlaufzügelreiterei, der zur Brust gezogenen Pferdenasen), sondern sich mit relativ hoher Nase ihren Weg suchten. Die de Nemethy-Mannschaft, zu der außer Bill Steinkraus auch George Morris, Kathy Kusner, Mary Mairs und andere gehörten, waren Kult. Alle die gleiche Eleganz, der gleiche Stil, derselbe Typ Pferd, das Team wie aus einem Guss. Das war Reitkultur in höchster Vollendung und wenn das USET-Team in Aachen auftrat, wollte die Begeisterung kein Ende nehmen.

Die Entwicklung ist weiter gegangen, Vollblüter sind aus dem Springsport so gut wie verschwunden, eine der letzten Repräsentanten diese Pferdetyps war die Olympiasiegerin von 1984, Touch of Class unter Joe Fargis. An ihre Stelle sind springgewaltige Warmblüter getreten, mit höherem Blutanteil als in früheren Zeiten, aber eher bereit, sich in kringeligen Kursen und trickigen Distanzen drehen und wenden, aufnehmen und schicken zu lassen, mit Respekt vor den Stangen, der nicht unbedingt angeboren ist. Auch die Amerikaner suchen inzwischen ihre Pferde in Europa, und McLain Ward, Weltcupsieger 2017, sagt pragmatisch: „Es ist einfacher für uns, in Europa  einzukaufen, als die amerikanische Zucht umzukrempeln.“

Hommage an einen Großen

Auch Stil-Ikonen wie Bill Steinkraus sind selten geworden. Er blieb nach seiner aktiven Karriere noch viele Jahre dem Springsport verbunden, hatte hohe Ämter inne wie das des Präsidenten der American Horse Association, hat Bücher über Reiterei geschrieben und seine Stimme im Weltverband FEI als Vorsitzender der Springkommission geltend gemacht. Ein kompletter Horseman, ein vollendeter Pferdemann. Die gibt es natürlich heute auch noch und jeder Mensch sei ersetzbar, heißt es ja gerne. Und dennoch wünscht man sich für manchen Unsterblichkeit.

www.uset.org

Bill Steinkraus auf Fleet Apple (© www.uset.org)

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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