Voltigieren – Leistungsturnen meets Theater

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Das erste CHIO Wochenende in Aachen hat mir die Augen für einen Sport geöffnet, der zu Unrecht mitunter etwas belächelt, aber zumindest als Pferdesportdisziplin nicht wirklich ernst genommen wird.

 

 

Als 2004 in Athen die Olympischen Spiele stattfanden, stand ich neben Turnstar Fabian Hambüchen am Frühstücksbüffet. Er reichte mir in etwa bis zum Bauchnabel, war aber doppelt so breit wie ich – dank seiner Muskeln, versteht sich. Am Wochenende habe ich mir zum ersten Mal alle drei Tage lang die Voltigierwettbewerbe im Rahmen des CHIO Aachen angeschaut und die Sportler auch beim Training beobachtet. Ich habe festgestellt: Fabian Hambüchen ist mitnichten eine Ausnahmeerscheinung. Nur, dass die meisten der Voltigierer eine normale Größe erreicht haben. Ihre Erscheinung kommt nicht von ungefähr. Die meisten von ihnen sind seit Kindertagen mit dem Sport verbunden. Was bei den meisten mit ein bis zweimal pro Woche Voltigieren in der Gruppe angefangen hat, ist zum Leistungssport geworden, der sich wenig vom Alltag anderer Topathleten wie eben Turnern oder Balletttänzern unterscheidet. Trainiert wird jeden Tag, die wenigste Zeit davon am Pferd. Entweder es kommt das Holzpferd zum Einsatz oder inzwischen gibt es auch bewegte Simulatoren, auf denen die Voltigierer ihr Programm wieder und wieder durchspielen können bis die Bewegungen in Fleisch und Blut übergangen sind. Hinzu kommen Kraft-, Ausdauer- und Athletiktraining auf dem Boden. Doch das sind nur die Grundbausteine. Wer heute vorne stehen will beim Voltigieren, der muss nicht nur technisch gut sein, er muss sein Programm auch mit Ausdruck präsentieren. Das lernen die Voltis bei Tanz- und Schauspielunterricht.

Und bei aller Professionalität sind Voltigierer immer noch reine Amateure. Das heißt, sie müssen den Trainingsalltag rund um den Beruf organisieren, so wie beispielsweise die Hamburgerin Kristina Boe es macht, die im wahren Leben ihr Geld als Unfallchirurgin verdient. Apropos Geld, die meisten Voltigierer finanzieren ihren Sport aus eigener Tasche ohne zahlungskräftige Sponsoren im Hintergrund. Auch wenn ihnen die Pferde, auf denen sie turnen selten gehören, gibt es immer noch genug, was bezahlt werden will. So ist es Usus, dass die Sportler jedes Jahr eine neue Kür präsentieren. Das bedeutet, nicht nur Musik und Choreografie werden überarbeitet, es muss auch ein neues Kostüm her. Das wird den Sportlern auf den Leib geschneidert und kostet gut und gerne um 1000 Euro.

Zugegeben, auf den ersten Blick sind stark geschminkte Männer in engen Hosen mit Federn am Rücken (nur als Beispiel, es gibt auch Napoleons, Kettenhemden und anderes) etwas gewöhnungsbedürftig. Wobei, ehrlich gesagt, Fabian Hambüchen in groß – der zweite Blick lohnt! Bei Frauen ist man was Schminke und Kostümierung angeht, ja irgendwie schmerzfreier. Aber: Beim „Mittsommernachtstraum“ wundert sich ja auch niemand über Puck. Da ist es Kunst. Warum sollte das beim Voltigieren anders sein? Ich habe meine Meinung an diesem Wochenende gründlich revidiert: Das ist nicht albern, das ist eine Mischung aus Hochleistungsturnen, Theater, Tanz und Schauspielerei. Mit anderen Worten: Das ist echt toll!

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Dominique WehrmannRedakteurin

Studierte Politologin, seit 2006 bei St.GEORG. Als Jugendliche Dressurtraining bei Hans-Georg Gerlach, Michael Settertobulte und Reitmeister Hubertus Schmidt und das auf einem selbstgezüchteten Pferd. Verantwortet die Bereiche Spitzensport und Pferdezucht. Im Presseteam des CHIO Aachen und der Pferdemesse Equitana, hat für den NDR im Fernsehen kommentiert.

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