„Hoch, breit, weit, schmal, lang, hügelig und nass“ – das geht, und zwar alles alles zusammen auf der Q-Strecke von Haras du Pin und nicht nur nach Ansicht des deutschen Buschreiters Peter Thomsen. Auch hier Chaos – und supernette Helfer. Einer fuhr uns mit dem Golfwägelchen den Berg hoch zum Auto, das wir auf einem Waldweg abstellen mussten. Weil nämlich alle Parkplätze geschlossen werden mussten.
Nach einer Irrfahrt mit dem Hotelshuttle, dessen Fahrerin offenbar zum ersten Mal in Caen am Steuer saß, stand dpa-Kollege Michael Rossmeier fluchend und schwitzend vor uns, dabei hatte er noch Glück, dass überhaupt der versprochene Bus kam. Inzwischen ist unter den Journalisten eine Art Wettbewerb entbrannt, wie sich das Kürzel WEG für World Equestrian Games treffend umdeuten lässt. Worst Ever Games findet ein australischer Kollege, Welch Ein Grusel hätte ich zu bieten. Wetter Einfach Grauenvoll stimmt jetzt nicht mehr, es scheint die Sonne, zur Diskussion stand heute morgen sogar als Kleidervorschlag ein Sommerfähnchen. Der Boden in Haras du Pin trocknet relativ schnell ab, gestern watete man noch im Matsch. Als Falle für Journalisten erwies sich der Weg von Medienzentrum zur Tribüne, nachdem der kurze praktische Weg für uns spontan gesperrt wurde. Nach etlichen Rutschpartien und dem Schlammbad einer Kollegin sollen Eisenschienen und Späne nun verhindern, dass sich die Reihen der Medienvertreter allzu sehr lichten.
Schon am ersten Dressurtag am Vielseitigkeitsschauplatz Haras du Pin wand sich eine Schlange von mehr als hundert Hungrigen um die einzige Pommes-Bude vor Ort. Am Samstag zum Cross werden 50.000 Menschen erwartet. Wer den Geländetag nicht für eine Diät nutzen will, sollte sich also mit Proviant eindecken. Das ist uns im Pressenzentrum verboten (No drinks, no food), sondern wir sollen labbrige Sandwiches für 4 Euro kaufen. Was wir natürlich nicht tun, da uns unsere nette Wirtin in der Domaine de la Tour mit einem Picknick versorgen wird.
Es ist ja nicht so einfach, die Beschreibung des sogenannten stillen Örtchens in gesellschaftsfähige Worte zu kleiden, aber ich werde es trotzdem versuchen. Auch nach mehr als 30-jähriger Reportertätigkeit schaffen es die Normandie-Organisatoren immer wieder, mich zu überraschen. Wenn man einen der sauber aufgereihten Sperrholzkästen betritt, ist man zunächst erstaunt, zwei Sitze vorzufinden. Diese Franzosen! denkt man. Dann stellt sich heraus, dass sich unter der linken Öffnung ein Haufen mit Sägespänen befindet, in dem eine Suppenkelle steckt. Damit soll der Besucher nach verrichteter Tat die Späne in die andere Öffnung löffeln. Gewöhnungsbedürftig, aber irgendwie ja umweltfreundlich.
Gestern sind wir den 6,5 Kilometer langen Kurs zu dritt abgeschritten, ehrlich, wir haben nur eine klitzekleine Schleife ausgelassen, und genau das gesehen, was Peter Thomsen treffend als hoch, breit, weit, schmal, lang, hügelig und nass beschrieb. Als wir zurück ins Medienzentrum wankten, brauchte ich nicht mal auf mein Knie zu zeigen, um einen der netten Herrn vom Staff in laubfroschgrünen Blusons zu animieren, uns per Golfwägelchen zum Auto zu fahren, verfolgt von den wütenden Blicken zwei Engländerinnen, die dachten, sie seien eher dran. Das waren sie natürlich nicht, da hatten sie einfach mal Pech gehabt.
Wir hatten uns gerade bei einem Chinesen niedergelassen, als Rüdiger Schwarz reinkam und sich zu uns setzte. Frohgemut bestellten wir die spicy Version vom Curryhühnchen, mein Mund verwandelte sich in eine Feuerhölle und auch Rüdiger verzichtete auf die rattenscharfe rote Sauce zum Würzen. Der Parcourschef von Aachen fand die Hindernisse angemessen, aber Hügel und Boden werden wohl dafür sorgen, dass keiner am Ende sagt, es war zu leicht. Sorgen macht er sich nur um ein paar Reiter, die irgendwo in der Walachei ihre Qualifikation errungen und null Viersterne-Erfahrung haben. Auch die Zukunft der wunderschönen Schloss plus Park-Anlage von Haras du Pin sieht düster aus, die französischen Staatsgestüte werden bekanntlich aufgelöst und Umweltschützer schicken uns Emails, in denen sie behaupten, ein Unternehmer wolle dort Müll ablagern. Ich hoffe, es stimmt nicht.
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