Berufsreitertag auf dem Klosterhof Medingen – Olympia-Nachlese vom Feinsten

Von

Reitmeister und Dressurtrainer
Klaus Balkenhol, Reitmeister Dolf-Dietram Keller sowie Jan Tönjes,
stellvertretender Chefredakteur des DRFV-Verbandsorgans ST.GEORG, ließen am
Mittwoch, den 19. September, die sportliche und züchterische Entwicklung des
Dressursports in den vergangenen Jahren Revue passieren. 

Das Festzelt auf dem wunderschönen Klosterhof Medingen der Familie Wahler war gut gefüllt, die Zuhörer in gespannter Erwartung. Zunächst gab es einen kleinen Exkurs zu den züchterischen Entwicklungen bei den Spring- und Vielseitigkeitswettbewerben. Waren früher die vorderen zehn Plätze immer mit Holsteinern besetzt, sind nun die französischen Blutlinien ganz stark geworden, erklärte Jan Tönjes. Er wies außerdem darauf hin, dass bei vielen der Pferde in London bereits die Eltern erfolgreich im schweren Sport gingen. In der Vielseitigkeit verlange das neue Prüfungsformat ohne Rennbahn und Wegestrecken nach einem Pferd, das auch in Dressur und Springen hervorragend ist. Reitmeister Keller: Früher wurden diejenigen Pferde Vielseitigkeitspferde, die Dressur und Springen nicht konnten. Das ist heute anders. Der Sieben-Achtel-Blüter aus Neuseeland sei abgelöst worden. Heute sehe man mehr Halbblüter, wobei vor allen Dingen der Vollblüter Heraldik xx und die Zuchtprodukte des Friedrich Butt erfolgreich sind. 

Danach wurden Filmaufnahmen gezeigt der Dressurwettbewerbe bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona, bei denen Klaus Balkenhol mit Goldstern die Bronzemedaille gewinnen konnte und Nicole Uphoff mit Rembrandt zum zweiten Mal Olympiasiegerin wurde. Klaus Balkenhol wies auf die Unterschiede hin zwischen seinem kalibrigen westfälischen Weinberg-Direx-Sohn Goldstern und den heutigen Dressurpferden an der Weltspitze. Goldstern war eher klein und kurzbeinig und in Schwung und Saft begrenzt. Aber er hatte einen großen Arbeitswillen und war ehrgeizig. Zugleich betonte Balkenhol, dass man mit systematischer Gymnastizierung auch mit einem begrenzten Pferd viel erreichen kann Der Reiter formt das Pferd. Andererseits habe sich aber auch die Notengebung verändert. Piaffen, für die es früher eine 8 gab, werden heute nur noch mit 6 bewertet. Im Falle des Romadour II-Sohnes Rembrandt ist Klaus Balkenhol überzeugt, dass der Westfale auch heute noch in der Weltspitze mithalten könne auch wenn seine Piaffen, die bei aller Leichtfüßigkeit und allem Takt immer mehr einer Passage auf der Stelle ähnelten, schon damals für Diskussionsstoff sorgten.

Jan Tönjes fragte die beiden Dressurexperten (oder Fachidioten, wie Gastgeber Burkhard Wahler sie bei seiner Begrüßungsrede mit einem Augenzwinkern betitelte), woher eigentlich die Entwicklung stamme, dass Traversalen plötzlich nicht mehr im versammelten, sondern im Mitteltrab geritten werden. Dies sei ein Trend, den Anky van Grunsven mit dem KWPN-Hengst Cocktail begründet habe, erklärte Klaus Balkenhol. Dieses große Schwingen zur Seite gebe zwar Punkte, berge aber auch die Gefahr frühzeitigen Verschleißes bei jungen Pferden durch die Scherbewegungen.

Der nächste Filmstar war der hannoversche De Niro-Sohn Dablino unter Balkenhols Tochter Anabel. Der Donnerhall-Sohn De Niro, der Star unter den Deckhengsten auf dem Klosterhof Medingen, stellte neben Dablino unter anderem auch noch Kristina Sprehes Desperados für die deutsche Mannschaft. Angesichts der überragenden Schwungentfaltung des Fuchses berichtete Balkenhol, dass es einen enormen Zuchtfortschritt gegeben hat. Dolf Keller bestätigte: Dablino ist eines der modernsten Pferde, die wir haben. Aber auch ein solches will geritten werden. Gleichwohl sei es wichtig, so Balkenhol, dass der Reiter nur Impulse gibt. Im Wesentlichen sollten die Pferde aber alleine arbeiten. Dafür müsse das Pferd aber auch die richtige Arbeitseinstellung mitbringen. In London wurde das feine Reiten belohnt. Die Dressur braucht positive Eindrücke in der Öffentlichkeit, betonte Balkenhol. Der große Sport regelt sich von allein. Aber in den Klassen L bis S müssen die Berufsreiter dafür sorgen, dass gutes Reiten gefördert wird!

Klaus Balkenhol lobte noch einmal die Leistung von Vererberlegende Donnerhall, der nicht nur dem deutschen Quartett seinen Stempel aufgedrückt hat mit gutem Rücken und Halsung sowie tadellosen Gliedmaßen, sondern auch der Konkurrenz einige Pferde lieferte. Neben dem Vorfahren haben die vier deutschen Pferde noch etwas gemeinsam: Sie alle kamen über den Nürnberger Burgpokal und den Medien Cup, der heute Louisdor-Preis heißt, in den großen Sport. Das ist ein guter Weg, betonte Jan Tönjes, der Zuchtanalyst auf dem Podium. Er zeigte außerdem auf, dass das viel gerühmte Jazz-Blut in London gerade mal bei einem Pferd auftauchte, bei Adelinde Cornelissens Parzival.

Sehr interessant waren auch die Ausführungen zu Damon Hill, der mit Helen Langehanenberg für das beste Mannschaftsergebnis gesorgt hatte und in der Einzelwertung haarscharf an einer Medaille vorbeischrammte. Klaus Balkenhol, der Helen und den Hengst trainiert, erklärt, es habe lange gedauert bis Damon Hill genug Kraft hatte, um die Lektionen korrekt auszuführen. Dafür musste er ganz klassisch gymnastiziert werden. Wenn er sich in den Piaffen mit einem Sprung nach vorne rette, sei dies aber ein Balanceproblem. Der Hengst nehme dann zu viel Last auf, schiebe zu sehr unter und käme dann nicht mehr raus aus der Piaffe.

Schließlich wurde noch über den neuen Olympiasieger gesprochen, Valegro unter Charlotte Dujardin (GBR). Ferro zusammen mit Springblut, das funktioniert, kommentierte Jan Tönjes den Wallach aus züchterischer Sicht. Dolf Keller lobte nicht nur das Pferd, sondern auch seine erst 27 Jahre alte Reiterin, die die Prüfung zelebriert hat. Sie reite sehr korrekt und nehme sich die Zeit, das Pferd gut auf die Lektionen vorzubereiten, hob Keller Dujardins Leistungen hervor. Jan Tönjes berichtete, wie beeindruckt er war als er im Rahmen einer Homestory für den ST.GEORG das Training von Carl Hester und Charlotte Dujardin verfolgen konnte. Denn die Pferde werden dort nicht nur dressurmäßig gearbeitet, sondern gehen zum Lösen erstmal ins Gelände und dürfen auch auf die Weide. Dazu Dolf Keller: Aber man darf auch nicht vergessen, dass Pferde lange brauchen und regelmäßig gearbeitet werden müssen, um Kraft aufzubauen. Die Pferde müssen positiv in die Lage versetzt werden, die Lektionen auch ausführen zu können! Klaus Balkenhol: Stimmt! Aber der Kopf darf nicht vergessen werden. Pferde müssen auch abschalten und entspannen können. Wo bleiben denn all die hervorragenden Pferde auf den Bundeschampionaten? Müssen wir unsere Ausbildung nicht manchmal überdenken? Mit dieser rhetorischen Frage und dem Versprechen, dieses Thema bei der nächsten Podiumsdiskussion aufzugreifen, wurden die Gäste entlassen in die Aktionshalle des Klosterhofes, wo in wenigen Minuten der Kurz-Grand Prix im Rahmen des Auktionsturniers beginnen sollte.

Auch hier gab es etwas zu lernen, denn jede Vorstellung wurde entweder von Richter und Ausbilder Jürgen Böckmann oder von Reitmeister Dolf Keller kommentiert. Am Ende siegte die Tochter des Hauses, Theresa Wahler natürlich auf einem De Niro-Sohn, dem Hengst Danone I. Weitere De Niro-Kinder und -Enkelkinder konnten die Teilnehmer des Berufsreitertages dann noch am Abend bewundern, als die aktuellen Medinger Auktionskandidaten vorgestellt wurden. Das war der Schlusspunkt des ereignisreichen Tages auf dem Klosterhof. Der Dank geht an die Familie Wahler, die Referenten und die weiteren Mitwirkenden!

 

 

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