Der Besuch der Berufsschule ist Teil der Ausbildung zur Pferdewirtin oder zum Pferdewirt. Der Lehrplan ist voll mit praktischen Themen und interessanten Projekten. So bekommt man das theoretische Rüstzeug für den Beruf.
Der Beruf Pferdewirt in seinen fünf Fachrichtungen ist eine praktische Ausbildung im deutschen dualen Ausbildungssystem. Das bedeutet, Auszubildende lernen sowohl in einem Pferdebetrieb als auch in der Berufsschule als kooperierende Lernorte, um übergreifende Lernprozesse zu ermöglichen: Der Betrieb übernimmt überwiegend die praktischen Lehrinhalte, die Berufsschule lehrt in erster Linie theoretische Inhalte. Alles in allem sozusagen ein Rund-um-Paket für Azubis. Ziel der Berufsschule ist es vor allem, verschiedene Kompetenzen zu vermitteln: Fach-, Human-, Sozial-, Lern-und Methodenkompetenz sowie Kommunikative Kompetenz, um den Azubis ein breit angelegtes Rüstzeug mit ins Berufsleben zu geben.
Es gibt einen Rahmenlehrplan, der von der Kultusminister-Konferenz aufgestellt wurde und bundesweit gilt. Er umfasst 15 Lernfelder. Dazu gehören die Themen: Betriebliche Zusammenhänge erkunden und darstellen, Pferde pflegen und versorgen, Futtermittel für Pferde auswählen, Pferde beschreiben und entsprechend der Nutzung auswählen, Pferde bewegen, Pferde züchten, Futterrationen verdauungsphysiologisch gestalten, Grünland für Pferde bewirtschaften, Haltungsformen und -systeme gestalten, Pferde für spezielle Disziplinen trainieren und ausbilden, spezielle Futterrationen gestalten, an zuchtorganisatorischen Maßnahmen teilnehmen, Infektionskrankheiten feststellen und kranke Pferde betreuen, Pferdesportlerinnen und -sportler ausbilden sowie Dienstleistungen und Produkte vermarkten.
Darüber hinaus gibt es die allgemeinbildenden Fächer Deutsch, Sport, Politik und Religion. Mathematik ist in die Berufsfachliche Kompetenz integriert. Meist kommt noch das Fach Englisch hinzu. „Englisch ist immer wichtiger geworden über die Jahre. Wir haben viele Schülerinnen und Schüler, die aus Ställen mit internationaler Kundschaft und Mitarbeitern kommen, in denen nur Englisch gesprochen wird“, erzählt Alfons Kortbuß, Berufsschullehrer für Pferdewirte und Bildungsgangleiter der Berufsschule Münster. Je nach Bundesland wird in Blöcken oder an ein bis zwei Tagen wöchentlich unterrichtet. Die Klassen sind nach Ausbildungsjahr aufgeteilt.
Berufsschulen Pferdewirte: mit Bezug zur Praxis
In Baden-Württemberg liegt die Berufsschule in Münsingen unweit des Haupt-und Landgestüts Marbach. Es gibt pro Ausbildungsjahr zwei Klassen. Agraringenieurin Dr. Andrea Pfirrmann, Berufsschullehrerin für Pferde-und Landwirte sowie Bereichsleiterin für den Fachbereich Agrarwirtschaft, berichtet: „Der Berufsschulunterricht erfolgt handlungsorientiert – das heißt, berufstypische Situationen dienen als Grundlage, um Themen zielgerichtet und systematisch aufzuarbeiten. Dabei können auch Randgebiete und themenübergreifende Aspekte erarbeitet werden. Uns ist wichtig, immer einen Praxisbezug herzustellen. So ist das Prinzip des selbstständigen Handelns – also informieren, planen, entscheiden, durchführen und bewerten, wie es auch bei den Zwischen-und Abschlussprüfungen verlangt wird – für die Auszubildenden zur Routine geworden. Und Praxis erhöht die Motivation bei den Schülerinnen und Schülern.“
Pro Ausbildungsjahr werden im Fach „Projektkompetenz“ zwei größere Projekte durchgeführt, z. B. wird in einem Zuchtprojekt eine Kundin von der Hengstauswahl bis zum Absetzen begleitet, es gibt Projekte über Haltungssysteme, über die Fütterung von Pferden in verschiedenen Leistungsstadien, zum Thema Ausbildung von Reitern und Pferden oder Planungsprojekte für fiktive Veranstaltungen. Ergänzend gibt es im zweiten Lehrjahr einen Bewegungslehre-Tag sowie einen Tag in der DEULA (Deutsche Lehranstalt für Agrartechnik) zum Thema Fahrzeugtechnik mit Fahrübungen. Auch Betriebsbesichtigungen werden regelmäßig durchgeführt.
Prüfungsabläufe simulieren
Die Azubis in Baden-Württemberg gehen jeden Montagnachmittag nach Marbach und können dort in der Landesreit- und -fahrschule reiten oder fahren. Außerdem können die Lehrkräfte dort fachpraktischen Unterricht durchführen: Skelett aufs Pferd malen, Identifizieren und Beurteilen, Exterieurbeurteilung, Vormustern an der Hand, Gesundheitzustand beurteilen, Longieren, praktische Fütterung und Futtermittelkunde, Kundenberatung an praktischen Beispielen oder auch Reiten eines Caprillitests. Für die Fachrichtung Klassische Reitausbildung gibt es Praxiseinheiten wie Gymnastizieren eines Pferdes, Springen, Dressuraufgaben auf Kandare und Parcours reiten. „Wirklich praktisches Üben können wir nicht leisten“, so Dr. Pfirrmann, „aber wir können mit den Schülerinnen und Schülern die theoretisch vermittelten Fachkompetenzen in der Praxis anwenden. Auch Prüfungsabläufe können simuliert werden, wodurch die Auszubildenden mit mehr Sicherheit in ihre Abschlussprüfung gehen können.“ Außerdem macht Dr. Pfirrmann auf den positiven sozialen Aspekt der Berufsschule aufmerksam: „Die Schülerinnen und Schüler lernen sich untereinander kennen, ihre Berufskollegen der Zukunft. Und manchmal entstehen da Freundschaften fürs Leben.“
Alle zwei Jahre treffen sich die Berufsschullehrerinnen und -lehrer aus der ganzen Republik zu einer Netzwerktagung für einen Austausch zur Umsetzung des Lehrplans und der Unterrichtsgestaltung.
In Nordrhein-Westfalen gibt es drei Berufsschulen – in Köln, in Wesel und die größte mit gut 200 Schülerinnen und Schülern in Münster. Es gibt drei Unterstufen (1. Lehrjahr), zwei Mittelstufen (2. Lehrjahr) und drei Oberstufen (3. Lehrjahr). Der Unterricht findet wöchentlich statt, im ersten Lehrjahr 1,5 Tage, dann einen Tag mit acht Schulstunden. Alfons Kortbuß berichtet: „Wir haben in NRW eine recht gute Akzeptanz des dualen Systems, das hat sich im Laufe der Zeit sehr verbessert. Wir brauchen den Berufsschulunterricht für den theoretischen Hintergrund. Viele kommen selbst zu der Erkenntnis, dass sie im Betrieb nicht die benötigten theoretischen Grundlagen bekommen – häufig nach der Zwischenprüfung. Als Prüfer merkt man auch, wer auf der Schule war und wer nicht. Meistens fehlt denen, die nicht zur Schule gehen, die Struktur im Lernen und die Tipps zur Prüfung. Der Lernstoff ist ein riesiger Berg, der schwierig allein zu bewältigen ist.“
Schulpflicht
In Deutschland besteht eine grundsätzliche Schulpflicht bis 18 Jahre bzw. die Pflicht, zwölf Schuljahre zu absolvieren. Geht man in der 9. oder 10. Klasse ab, um eine Ausbildung zu beginnen, greift die Berufsschulpflicht, die bis zum Ende des Ausbildungsverhältnisses gilt. In manchen Bundesländern ist man ab 18 bzw. ab 21 nicht mehr berufsschulpflichtig. Das heißt: Beginnt man die Ausbildung erst nach dem 18. oder 21. Geburtstag besteht keine Berufsschulpflicht mehr. Auszubildende haben aber immer das Recht darauf, die Berufsschule zu besuchen.
Mit Abitur oder einer abgeschlossenen Ausbildung kann die Pferdewirt-Ausbildung und somit auch der Besuch der Berufsschule auf zwei Jahre verkürzt werden. Berufsschullehrerinnen und Berufsschullehrer müssen Agrarwissenschaften auf Lehramt studiert haben. Während des Studiums kann man sich auf eine Fachrichtung z. B. Pferdebereich spezialisieren. Die meisten haben zudem einen Pferdehintergrund.
Die Bundesvereinigung der Berufsreiter (BBR) informiert über die Pferdewirt-Ausbildung, Abläufe, Prüfungen und alle wichtigen Ansprechpartner: www.berufsreiter.com
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