Personalmangel in Pferdebetrieben

Von
cavallettitransport4151

Wie viele andere Unternehmen haben auch Pferdebetriebe mit Personalmangel zu kämpfen. (© slawik.com)

Auch Pferdebetriebe sehen sich mit dem Fachkräftemangel konfrontiert. Gute Mitarbeiter zu halten, ist oberste Prämisse. Wie das gelingen kann, erklärt Pferdewirtschaftsmeister Jan Schulze Niehues, Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung der Berufsreiter, im Interview.

Jan Schulze Niehues ist Pferdewirtschaftsmeister und betreibt mit seiner Familie
einen Reitschul­betrieb und eine Fachschule Reiten unweit von Warendorf in Frecken­horst. Er ist Jung­vertreter im Vorstand der Bundesvereinigung der Berufsreiter.

St.GEORG: Wie ist die Lage in den Pferdebetrieben in Sachen Personal?

Jan Schulze Niehues: In allen Bereichen wird Personal gesucht. Besonders bei den Servicearbeiten. Pferdepfleger z.B. werden auf allen Ebenen gesucht, im lokalen Turnierstall genauso wie in einem internationalen Betrieb. Folglich werden für diese Fachkräfte unter Beachtung des Branchendurchschnitts sehr gute Gehälter gezahlt, in manchen Fällen sogar ein höheres als das der Bereiter. Da es an Pflegern immer schon mangelte, bleibt das eine dauerhafte Thematik. Ähnliche Entwicklungen gibt es im Bereich der Stallarbeit. Besonders in den Bereichen mit einem hohen Maß an körperlicher Arbeit ist es schwierig, Fachkräfte zu finden. Ein weiterer Bereich ist die Ausbildung von Reitschülern. Da herrscht nicht erst seit letztem Jahr ein großer Mangel. Es gibt immer weniger Leute, die sich um die Ausbildung junger Menschen kümmern wollen. Das wird noch mehr werden in den nächsten Jahren, da müssen wir unbedingt entgegenwirken.

Was hat sich in der Betriebsführung verändert bzw. in den Erwartungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer?

In der Betriebsführung gibt es mittlerweile deutlich flachere Hierarchien. Da hat sich in unserer ja doch konservativen Branche viel getan, besonders in den letzten Jahren. Für Arbeitnehmer spielt mittlerweile neben dem Gehalt vor allem die Freizeit eine entscheidende Rolle. Wobei man sich immer wieder vor Augen führen muss, dass wir einen Job mit Tieren ausüben, das ist ein 24/7 Job. Eine Fünftagewoche ist für viele Betriebe nicht darzustellen, gerade wegen des Fachkräftemangels. Der wird dadurch noch verstärkt, dass andere Branchen attraktivere Arbeitszeiten bieten können. Wir müssen im Zweifel Aushilfen für Wochenenden und Feiertage einstellen, das wiederum spiegelt sich dann auch in den Kosten für die Kunden wider. Viele vergessen, dass die Personalkosten für einen Pferdebetrieb ein ganz großer Kostenfaktor sind. Man möchte möglichst hochqualifiziertes Personal, das ist aber schwierig zu finden. Das ist in meinen Augen die größte Veränderung in den vergangenen Jahren. Die Betriebe müssen das irgendwie hinbekommen, gute Leute zu finden und zu halten und gleichzeitig den Betrieb wirtschaftlich zu führen, um am Markt zu überleben. Das Fachpersonal, das wir noch haben, wird dorthin gehen, wo die besten Bedingungen zu finden sind. Das ist ein enormer Druck für die Betriebe.

Gutes Betriebsklima

Was braucht es für ein gutes Betriebs- und Arbeitsklima?

Grundsätzlich halte ich eine offene Kommunikation für sehr wichtig, angefangen bei der Betriebsführung, aber auch unter den Mitarbeitern selbst. Bei uns im Betrieb fördern wir die Kommunikation untereinander durch regelmäßige gesellschaftliche Events, sodass die Mitarbeiter die Möglichkeit haben, auch außerhalb des Berufsumfeldes in Kommunikation miteinander zu treten – ich denke, das ist nochmal wichtiger geworden. Wir wollen unsere Mitarbeiter motiviert halten, zu einem besseren Verständnis untereinander zu kommen. Denn es gibt auch für Kunden mitunter nichts Schlimmeres, als sich in einem schlechten Betriebsklima bewegen zu müssen. Das überträgt sich meist auch auf die Zufriedenheit der Kunden und dann haben wir, was wir am wenigsten wollen: Qualitätseinbußen.
Neben der guten Kommunikation halte ich auch klare Strukturen für sehr wichtig. Bei uns hat jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter seinen Aufgabenbereich, der klar strukturiert ist. Aber innerhalb dieser Struktur hat jeder die Möglichkeit, seinen Bereich selbst zu gestalten. Also wir haben beispielsweise Unterrichtsabläufe klar strukturiert, wer wann was macht ist festgelegt. Aber wie die Mitarbeiter das umsetzen, ist ihnen überlassen, da haben sie Gestaltungsfreiheit.

Gilt es bei Auszubildenden etwas Besonderes zu beachten?

Auszubildende darf man vor allem nicht als billige Arbeitskräfte sehen! Man hat eine hohe Verantwortung gegenüber jungen Menschen, die gerade ins Berufsleben eintreten. Das heißt aber nicht, dass man den roten Teppich ausrollen muss. Vor allem sollte man in der Ausbildung mitgeben, was hinter unserem Beruf steckt. Es hilft nicht, wenn Azubis eine Fünftagewoche von 9 bis 17 Uhr geboten bekommen und dann später im Berufsleben merken, dass es ganz anders abläuft. Für mich gehört es dazu, dass Azubis auch am Wochenende mit aufs Turnier fahren oder in einem Zuchtstall die 20 Fohlen begleiten, die auf die Welt kommen (meistens nachts). Sie sollten – zumindest einen Großteil der Zeit – dabei sein, das gehört zur Ausbildung dazu. Es gibt immer wieder Dinge, die außer der Reihe passieren. Ein Auszubildender muss dann auch lernen, wie er mit der Situation umgeht. Ich glaube, dass die meisten Azubis es einem am Ende danken, wenn man sie mit der Realität konfrontiert. Grundsätzlich haben wir gute Erfahrungen mit einer Probewoche vor dem Start der Ausbildung gemacht. Das ist für beide Parteien sehr wertvoll. Das meiste regelt sich da nach zwei Tagen.

Wie hält man gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

Zunächst einmal versuchen wir, auf die Bedürfnisse einzugehen, ganz individuell. Die eine möchte einen Hund mitbringen, der andere seine Pferde … Außerdem ist für uns ganz wichtig, dass wir Fortbildungsmaßnahmen offerieren und Verantwortung übertragen. Wir unterstützen, dass unsere Mitarbeiter auch ihre eigenen Konzepte entwickeln können und ich denke, dass es unheimlich wichtig ist, dass sich die Mitarbeiter weiterbilden können, innerbetrieblich und außerbetrieblich. Das hat dann am Ende auch einen Mehrwert für den Betrieb.

Wir danken Jan Schulze Niehues für das Gespräch.

 

Weiterführende Informationen:

Zuschüsse für Weiterbildungen der Mitarbeiter

Mit dem Qualifizierungschancengesetz kann sich jeder, dessen letzte Weiterbildung und auch die Berufsausbildung mindestens vier Jahre zurückliegen, mit finanzieller Unterstützung durch den Staat weiterbilden – vorausgesetzt, die Weiterbildung ist mit der Arbeitgeberin/dem Arbeitgeber abgesprochen und geht über eine ausschließlich arbeitsplatzbezogene, kurzfristige Anpassungsfortbildung hinaus. Zudem ist das Recht auf Weiterbildungsberatung im Gesetz verankert. Je nach Betriebsgröße können Weiterbildungskosten bis zu 100 Prozent übernommen werden, Lohnfortzahlungen bis 75 Prozent. Zuständig ist die Bundesagentur für Arbeit. 

Bezahlte Praktika

Laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales haben volljährige Praktikantinnen und Praktikanten, die ein freiwilliges Praktikum absolvieren, das länger dauert als drei Monate, Anspruch auf Mindestlohn (2024: 12,41 Euro). Dieser gilt nicht für Praktikantinnen und Praktikanten unter 18 Jahren ohne Berufsabschluss. Wer ein vorgeschriebenes Pflichtpraktikum absolviert, hat keinen Anspruch auf Mindestlohn.

Mitarbeiter online suchen

Stellenanzeigen auf Social Media-Kanälen können eine große Reichweite erzielen – diesen Wert als Stellenmarkt haben noch nicht alle Betriebe erkannt. Gerade Instagram und Facebook ermöglichen eine junge Zielgruppe anzusprechen und mit einer kreativen und visuellen Anzeige Interesse zu wecken. Ansprechende, lustige und unkonventionelle Texte und Bilder sind besonders hilfreich. Man kann in der Anzeige den potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern eine Aufgabe stellen, man kann das Team vorstellen und in einfacher Form relevante Informationen transportieren. Was immer funktioniert sind Memes, vor allem bei der jüngeren Generation

#doitride-Newsletter   Sei dabei und unterstütze die #doitride-Kampagne! Mit unserem Newsletter verpasst Du keine Neuigkeiten rund um #doitride. Jetzt aktivieren!

Laura BeckerRedakteurin

Nach der Lehre zur Pferdewirtin „Klassische Reitausbildung“ und Coach für Longier- und Reitabzeichen Studium der Germanistik. Anschließend Volontariat beim St.GEORG. Mutter von zwei Söhnen, verantwortet alle Themen rund um die Berufsreiterei. Auch Tipps und Hilfen in punkto Pferde- und Reiterausbildung sowie Recherchen rund ums Pferd gehören zu ihrem Aufgabenbereich.

stgeorg_newsletter_booklet