Eine Geburtstagstorte, Drei-Liter-Flaschen Schampus, Schulterklopfen, Küsschen und alle mal aufs Foto – im Deutschen Haus in London wurden die Goldkinder der Vielseitigkeit gebührend gefeiert.
Was für ein Tag gestern! Was für ein Abend, bis spät in die Nacht! Im Deutschen Haus wurde gefeiert, bis die Wände wackelten, die ersten beiden deutschen Goldmedaillen durch unsere Vielseitigkeitsreiter, es war, als ob ein riesiges Aufatmen durch die Sportszene ging. Das Deutsche Haus, Treffpunkt der Sportler, Funktionäre, Sponsoren, Journalisten, liegt in der Nähe der Canary Warft, ein ehemaliges Fabrikgebäude, schick hergerichtet. Die Sicherheitskontrolle schlimmer als in den Sportstadien ist ja auch ein deutscher Security-Service dann gibts ein Foto, und ein Bändchen, und dann erst darf die Schranke passiert werden.
Als endlich unsere Goldreiter erschienen, mit der Medaille um den Hals, Michi und Sandra zwei, einem Marathon aus Fernsehinterviews und Pressekonferenzen, zusammen mit den beiden Trainern Hans Melzer und Chris Bartle, da hatte sich die Szene schon warm getrunken. Entsprechend lautstark war die Begrüßung. Wildfremde Menschen umarmten Sandra Auffahrt, wollten sich mit ihr fotografieren lassen, einmal die Medaillen anfassen und überhaupt eine echte Olympiasiegerin – und die sagte nur Jetzt habe ich Hunger. Dem konnte abgeholfen werden, im deutschen Haus werkeln jede Menge Chefs und zaubern Köstlichkeiten und gestern gabs auch noch vom Grill.
Michi Jung wurde sofort eine kleine Geburtstagstorte mit brennenden Kerzen in die Hand gedrückt, die er vorsichtig durch die Menge bugsierte, um den Schulterklopfern auszuweichen. Sonst wäre das Deutsche Haus womöglich noch in Flammen aufgegangen. Endlich konnte er sicher sein, dass ihn keiner auf Englisch anquatschte und fragte, wie er sich fühlte. Die Antwort wäre klar: Its amazing, was so viel heißt wie Ganz toll. In den meisten Fällen reicht das völlig aus und Queen-Enkelin Zara Phillips sagt schließlich auch nicht viel mehr. Später kamen die fünf Reiter noch mal auf eine kleine Bühne und wurden interviewt, konnten noch mal erzählen, wies kam, bevor sie jeder eine Dreiliter (!)-Schampus-Flasche im Arm hielten. Die Vorgabe des DOSB an die Reiter, fünf Medaillen, davon zwei goldene, die haben die Buschis schon alleine mehr als zur Hälfte erfüllt. Die FN-Spitze, Präsident Breido Graf zu Rantzau und sein Generalsekretär Soenke Lauterbach, konnten sich entspannt zurücklehnen und den Abend genießen. Ihnen werden jedenfalls keine Zuschüsse gekürzt. Natürlich feierte der ganze Anhang mit, der kopfstarke Jung-Clan, Peter Thomsens Frau Kirsten fotografierte eifrig, die ganze Klimke-Sippe war angerückt, Ingrids Mann Andreas Bussacker und Mutter Ruth. Tochter Greta durfte mal ganz lange aufbleiben. Bruder Michael Klimke, Dressurreiter und Rechtsanwalt, war mit Kurt Gravemeier am Vorabend eingeflogen. Der frühere Bundestrainer der Springreiter sollte Braxxi über die Hindernisse helfen und das ist ja auch ganz gut gelungen, nur zwei Abwürfe war ja gar nichts im Vergleich zu den sechs vor einem Jahr in Luhmühlen. Da war Kurt nämlich nicht dabei gewesen.
In der englischen Presse wurde übrigens nur mit dürren Worten erwähnt, dass die Deutschen gewonnen hatten. Die Times kriegte es fertig, auf einer Doppelseite über das britische Teamsilber weder dem deutsche Team noch Michael Jung mehr als einen Halbsatz zu widmen. Da sag ich doch nur auf rheinisch: Man muss auch jönne könne.
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