Sieg für Isabell Werth und Wendy in der Kür beim CHIO Aachen 2024. An dem noch jungen Paar war kein Vorbeikommen. Das zweite Mal ging die Stute zu der ihr auf denLeib geschriebenen Kür, nun zählen die beiden zu den Paaren, denen der Gewinn einer Einzelmedaille bei den Olympischen Spielen in Paris zugetraut wird.
Im Sattel von Wendy hat Isabell Werth bei der Kür in Aachen einmal mehr gezeigt, wie sie kämpfen kann. Ein halbes Jahr nachdem sie die Stute von Andreas Helgstrand übernommen hat, siegte sie im Aachener Dressurstadion. Mit einer Bewertung von über 89 Prozent ist das Paar damit endgültig in der Weltspitze angekommen.
Isabell Werth und Wendy – die zweite gemeinsame Kür in Aachen
Barry Manilow, berühmt für seine Schmachtfetzen („Copa Cabana“) aus den 1970ern zum Einreiten: „Mandy“, ein musikalisches Zitat mit Augenzwinkern, wie sich später herausstellen soll. „Stumblin in“ von Smokie-Sänger Chris Norman und Suzie Quattro, auf Deutsch von Schlagerpartys vielleicht bekannt als „Schau mal herein“ (Bernd Clüver und Marion Maerz) – das ist die Musik für Passagen und Piaffen zu Beginn der Kür.
Zu den Traversalen im versammelten Trab „Go your own way“ von Fleetwood Mac und wenn es in der Passage schräg geht, dann ertönt „Islands in the stream“ der Country-Ikonen Kenny Rogers und Dolly Parton („Nichts an mir ist echt, aber alles kommt von Herzen“). Die Stute ist eifrig dabei, ihr vergleichsweise junges Alter sieht man der Sezuuan-Tochter nicht an, so routiniert zeigt sie die Lektionsabfolgen. Und die sind anspruchsvoll. Im Schritt lässt die Stute (7,7 für den starken, 6,5 für den versammelten) begleitet von gezupfter Gitarre los. Im Galopp wird aus Garry Manilows „Mandy“ ein „Wendy“. Die Linkspirouette gelingt sehr gut, die nach rechts nicht ganz so. 17 Einerwechsel auf der Diagonale läuten den Abschluss der Galopptour ein. Am Ende dann wieder „Stumblin in“ zu Fächerpiaffen und Passagen. Das Publikum springt von den Sitzen. Alle Richter werten über 89 Prozent, 89,095 Prozent – der Sieg für das doppelte W.
Es war der 15. Sieg von Isabell Werth im großen Dressurpreis von Aachen.
Frederic Wandres und Bluetooth OLD
Frederic Wandres trabt Bluetooth OLD noch einmal eine halbe lange Seite leicht, dann passagiert er an, hebt die Hand. Es kann losgehen – „Reiß dich zusammen“, hat ihm Isabell vor zwei Tagen geraten. Scheint er sich dran zu halten.
„Would I lie to you” zum Einreiten, dann „Can you feel it?” fragten sich zu diesen Klängen The Jackson Five mit dem kleinen Michael Jackson in den 1970er Jahren. Das erklingt zu starkem Trab und geschmeidigen Traversalen. In der Passage dann wieder „Would I lie to you”. Übergang in eine 90 Grad Piaffe-Pirouette. Daraus Passage-Traversale. Im starken Schritt auf der Zirkellinie ein absolut losgelassen schreitendes Pferd. Dann Galopp – Musik von Earth, Wind and Fire, „Phantasy“. Doppelte Pirouette daraus Zweierwechsel. Starker Galopp über die nächste Diagonale, da ist Wandres etwas vor der Musik. Die nächste doppelte Pirouette, die etwas kleiner sein könnte, wie auch schon die nach links, folgt. Sichere Einerwechsel im Anschluss. Am Ende dann wieder Jackson Five: Piaffe-Pirouette, Passage-Traversale und im starken Trab auf den Chefrichter bei C zu, das ist der Deutsche Henning Lehrmann. 83,01 Prozent, Platz zwei.
Ingrid Klimke und Franziskus
Franziskus galoppiert zu Beginn einmal kurz an, statt im starken Trab durchs Stadion zu fliegen nach dem Auftaktgruß. Zu „La Cintura“ – Alvaro Solers Song von der „schwingenden Hüfte“ – passagiert das Paar dann geradeaus und in der Traversale. Es folgt eine gut gesetzte Piaffe. Die zweite Piaffe nimmt in ihrem Verlauf immer mehr Fahrt auf, die Energie tut dem Hengst gut.
Doppelte Pirouette zum Auftakt der Galopptour zu „Despacito“. Die Einerwechsel gelingen besser als im Grand Prix Special. Schwungverlust in der zweiten Pirouette, Auch die Zweierwechsel an der kurzen Seite bei C sind herrlich anzusehen. Auf der Mittellinie dann ein kurz gesprungener Einerwechsel und ein Stocken vor der nächsten Pirouette. Die Piaffe-Pirouette zum Abschluss und der starke Trab bilden einen gelungenen Abschluss der Vorstellung, die hier und da ein paar kleine Haker hatte. 81,385 Prozent, Platz drei.
Wendy und Werth, Freddie und Bluetooth, Ingrid und Franz – die deutschen Küren in Aachen
Zwischenfazit: Drei musikalisch unterschiedliche Küren. Ingrid Klimke im Hier und Jetzt, bzw.noch in diesem Jahrzehnt musikalisch unterwegs. Isabell Werth und Wendy haben eine Kür in Aachen gezeigt, die so komplex ist wie die Choreografien beispielsweise von Weihegold waren. Dazu noch der witzige Gedanke, statt „Mandy“ „Wendy“ singen zu lassen – Ohrwurm, immer gut fürs Kürreiten.
Und Frederic Wandres, der auf Musik setzt, von der er selbst sagt, dass sie vor seiner Geburt angesagt war. Aber Melodien aus einer Epoche und gut zu den Lektionen abgestimmt.
Weitere Top-Küren in Aachen
Pauline Basquin (FRA) und Sertorius de Rima
David Bowies „Let’s Dance“ ist der erste Song von vielen, die das Wort Dance bzw. „danse“ im Titel führen. Der zarte Sertorius de Rima zeigt mit der Französin Pauline Basquin Passagen ohne auch nur ein einziges Mal mit dem Schweif zu schlagen. Der Schritt ist nicht riesengroß, aber losgelassen in beiden geforderten Tempi. Ein bisschen Funk zum Galopp. Die Linienführung könnte etwas raffinierter sein. Das Musikarrangement ist eine Herausforderung für die Ohren. Als „Alors en danse“ zum Ende zu Passagen und Piaffen ertönt, klatscht das Stadion euphorisch im Takt.
81,12 Prozent, persönliche Bestleistung des Paares, Platz vier. Übrigens geritten im klassischen Frack und nicht in der Uniform des Cadre Noir für den Pauline Basquin reitet. Bei Olympia sind Uniformen tabu.
Patrik Kittel (SWE) und Jovian
„Sunday, bloody Sunday“ – was will uns der Schwede mit dieser Musikauswahl sagen? Die irische Rockband U2 liefert die musikalische Untermalung für die Kür von Jovian. Zu Beginn gibt es fliegende Beine im starken Trab, dazu E-Gitarren. Traversiert wird zu „With or without you“. Die Schwäche im Hinterbein, die der Hengst in den Piaffen zeigt, tritt weniger deutlich zu Tage, wenn die Piaffen als Pirouette angelegt sind. Nach dem Schritt (5,5) liegt die Note bei 75 Prozent.
Dann kommt der Galopp – wieder E-Gitarren und „One Love“ zu den fliegenden Wechseln zu zwei Sprüngen, die schwankend ausgeführt werden auf leicht gebogener Linie. Die Einerwechsel gelingen gerader. „In the name of love“ trällert eine Stimme zur Passage auf der letzten Mittellinie. Daraus dann starker Trab. Das liebt das Publikum. 79,84 Prozent, Platz fünf für den Hengst, der die Kür in Aachen geht, nachdem Andreas Helgstrand das Pferd abgegeben hat.
Dinja van Liere (NED) und Vita di Lusso
„Ready or not“ von den Fugees begleiten den leichtfüßigen Hannoveraner. Das Pizzicato der Streicher passt zur akzentuierten Passage. Beim Piaffieren, eine Spezialität von Vita di Lusso, ertönt Piano. Im starken Trab wünschte man sich mehr Rahmenerweiterung. Im Schritt, von Streichern und dramatischen Pauken begleitet, schreitet der Vitalis-Sohn gelassen.
Jetzt Galopp, da misslingt die erste Pirouette, der Wallach springt um. Die folgenden Zweierwechel sind dann aber wieder gut. Die Niederländerin streicht einmal über. Aber auch die zweite doppelte Pirouette ist groß, eilig und noch nicht so, wie sie aussehen soll. Viele Einerwechsel ohne Fehler schließen sich an. „Invincible“ von Sia begleitet das letzte Viertel der Kür. Das Publikum klatscht, damit kann das junge Pferd noch nicht umgehen, Die Spannung steigt, die Passage wird hektisch. Aber in der letzten Piaffe zeigt das Paar dann seine Qualitäten. 79,285 Prozent, Platz sechs – one to watch, ein Paar, das man im Auge behalten muss. Eine Aussage, die für Isabell Werth und Wendy nach der Kür in Aachen nicht mehr gilt: Geheimtipps sind die beiden nicht mehr nach diesem Wochenende.
Alle Ergebnisse der Aachen Kür beim CHIO 2024
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