Es war eine spannende, vor allem eine hochklassige Prüfung. Und es war ganz knapp am Ende. Bis zum letzten Ritt führte Jessica von Bredow-Werndl mit Dalera. Dann kam Isabell Werth mit Emilio ins Stadion in Balve. Neue Kür, neues Glück und nach den knapp sieben musikalischen Minuten stand fest: Isabell Werth feierte ihren 15. Deutschen Meistertitel. Bronze ging an Helen Langehanenberg.
Vier Ritte über 80 Prozent, zwei weitere deutlich über 79 Prozent – die Deutschen Meisterschaften in der Dressur-Kür in Balve waren nach dem gestrigen Grand Prix Special trotz der Abwesenheit zweier Championatspferde ein echtes Highlight. Katrina Wüst Chefrichterin zog eine euphorische Bilanz: „Die Kür toppte alles“.
Die Küren in der Einzelbeschreibung.
Gold: Isabell Werth und Emilio 88,15 Prozent
Bella Rose, die noch im Aufbau sich befindet, sollte keine Kür gehen. Dafür aber hatte Isabell Werth ein neues Programm für Emilio versprochen. „Funiculi funicula“ in der Passage zum Einreiten. Italienische Melodien aus Opern des 19. Jahrhunderts, Gassenhauer zum Mitpfeifen. Gleiche zum Auftakt ritt Isabell Werth eine ganze Piaffepirouette nach dem Gruß, bei der Emilio einmal den Kopf etwas schüttelte. Es folgten konventionelle Linien. starker Trab über die Diagonale, der direkt in eine weiter Piaffepirouette mündete, aus der heraus eine Passagetraversale nach links entwickelt wurde. Seitengänge im versammelten Trab und Passage wechselten sich harmonisch ab. Über eine Halbdiagonale Schritt, dann versammeltes Tempo und dann Auftakt zur Galopptour. Aus den Lautsprechern erscholl „Nessun dorma“ aus Puccinis Oper Turandot. Wieder ein leichtes Kopfschütteln vorm starken Galopp, doppelte Pirouette, dann ein Wechsel in der Musik: Verdi ist angesagt„ La Donna é mobile“, aus Rigoletto. Werth ritt dazu Zweierwechsel, „Ach wie so trügerisch sind Weiberherzen“, dann schlossen sich eine doppelte Pirouette und Einerwechsel auf gebogener Linie an. Am Ende zauberte Werth dann nochmal und nutzte die gesamte Klaviatur ihres Könnens aus annähernd 30 Jahren Spitzensport: Aus der doppelten Pirouette in die Piaffe und dann in eine Passagetraversale. Am Ende zur Piaffepirouette vorm Schlussgruß dann noch etwas aus Verdis Troubadour. Vier Richter sahen Isabell Werth als Siegerin, Gotthilf Riexingers Sympathien lagen knapp bei Jessica von Bredow-Werndl. 96 Prozent zückte Reinhard Richenhagen als Richter bei E in der B-Note. Mit 88,15 Prozent wurde Isabell Werth damit deutsche Meisterin, zum 15. Mal in ihrer Karriere.
Es war das erste Mal, dass Werth diese Kür ritt. „Ich musste unterwegs noch so ein bisschen gucken, wo es lang geht.“ Arrangeur Michael Erdmann hatte die Musik am Freitag direkt nach Balve geschickt. Die Kür wurde von Montag bis Mittwoch in Köln mit Musikern des WDR Funkhausorchesters, den Kölner Symphonikern, einem Chor, zwei Sopranistinnen und einem Tenor im Studio von Tom Gaebel eingespielt. Diese Aufnahmen wurden dann von Erdmann und Manfred Struck in Erdmanns Studio in Dülmen gemischt. Freitag war das Werk fertig.
Jessica von Bredow-Werndl und Dalera 85,6 Prozent
Direkt nach Helen Langehanenberg musste Jessica von Bredow-Werndl ins Viereck. Da wusste sie, dass 84,275 Prozent zu schlagen waren. Der Film Lala-Land ist das Thema der Kür, und so hört man zur Passage und Piaffe gleich die Stimmen von Emma Stone und Ryan Gossling. Das Paar begann mit einer federnden Piaffepirouette gefolgt von starkem Trab und weit greifenden Trabtraversalen. Zu den Piaffen erklang das musikalische Leitmotiv des Oscar-prämierten Films. Wer den Film gesehen hat, sah vor seinen Augen wie Dalera und die Tanzszene oberhalb des nächtlichen Los Angeles zu einem verschmolzen. Aus der Piaffepirouette direkt in die Trabverstärkung, dann im Schritt das einschmeichelnde „City of stars“, die Gitarre gezupft, dann ein kleiner Trommelwirbel und aus dem versammelten Schritt direkt in die Galopppirouette. Es schlossen sich Zweierwechseln auf gebogener Linie an. Die Präzision, mit der Jessica von Bredow-Werndl zu jedem Takt der Musik die angedachte Lektion zeigte, beeindruckte. Die Ausführung noch dazu. 18 Einerwechsel ebenfalls auf gebogener Linie. Tänzerisch leicht ist die Musik, und so auch der Gesamteindruck des Paares „City of stars“ dann zu einer Piaffe, aus der des direkt in die Passagetraversale ging. 92 Prozent war die höchste der B-Noten, das Endresultat bezifferte sich auf 85,6 Prozent – Silber. Ein Juror, Dr. Dietrich Plewa bei M, sah das Paar auf Platz drei. Er gab für den technischen Wert 76,5 Prozent, alle anderen Beurteilungen lagen hier über 80 Prozent. „Ich habe mit Gold geliebäugelt, aber ich freue mich, auf dem Podium zu sein.“ Es war die persönliche Bestmarke für das Paar.
Helen Langehanenberg und Damsey
Die irisch-keltischen Klänge mit Querflöte und Trommeln plus der klaren Frauenstimme machten den Auftakt. Natürlich reitet Helen Langehanenberg auch hier die Kür, mit der sie Dritte beim Weltcup-Finale in Göteborg geworden war. Konzentriert ritt die zierliche Münsteranerin passgenau zur Musik. Auch heute passagierte Damsey so gleichmäßig wie eigentlich noch nie in seiner Karriere. Und spätestens wenn die beiden dann im starken Schritt auf dem Zirkel dokumentieren, wie Losgelassenheit aussieht, muss die Gänsehaut bei Dressurenthusiasten einsetzen. Die beiden sind ein Paar, jeder Meter passt, die richtige Lektion im Einklang mit der Musik, die aus einem Guss ist. Wunderbare Einerwechsel auf der Mittellinie, jede der doppelten Pirouetten entsprechend musikalisch untermalt. Übergang aus dem Galopp in die Fächerpirouette und daraus starker Trab – gleich zweimal zum Abschluss der Prüfung. Und der starke Trab die Mittellinie herunter endete, anders als im Hexenkessel von Göteborg, nicht in einem Beinahe-Sprung, sondern ordentlich beim Punkt G. Bei M von Dr. Dietrich Plewa gab es für den Ritt sogar 90 Prozent in der B-Note. 84,275 Prozent, Bronze für den siebzehnjährigen Hengst! „Ich bin nicht der Typ, der sich vorher so viel Gedanken macht“, sagte Helen Langehanenberg. Sie freute sich und sei „stolz auf den Dicken“. Damsey sei für sie ein Faszinosum: „Der wird auf’m Papier älter, aber optisch immer jünger“
Dorothee Schneider und Sammy Davis jr. 81,95 Prozent
„Darf ich bitten“ – die Tangoklänge aus dem Film mit Richard Gere sind das Markenzeichen von Dorothee Schneider und Sammy Davis jr. Das Bandoneon, die verschiedenen Perkussionsinstrumente, der melancholische Gesang und dazu der lang- (und vier-)beinige Tänzer Sammy, der in Bayern zur Welt gekommen ist. Plus die neue deutsche Meisterin im Sattel. Fliegende Galoppwechsel zu zwei Sprüngen auf einer „quasi-einfachen Schlangenlinie“. Der schwierige Übergang aus der Piaffe in den starken Schritt – alles gelang. Auch die fliegenden Galoppwechsel von Sprung zu Sprung, ebenfalls auf der einfachen Schlangenlinie. Am Ende eine Fächerpiaffe und Sammys Markenzeichen: die gut abgesetzte Passage.
Hubertus Schmidt und Escolar, 79,75
Es ist das vierte „echte“ Grand Prix-Turnier für den westfälischen Hengst Escolar und seine zweite Kür nach München. Hubertus Schmidt kommt im Galopp hinein, der „Mambo“ von Herbert Grönemeyer. Musik, die schon seine Olympiastute Wansuela suerte in den 200er Jahren einst begleitete. „Männer“ zu Trabtraversalen, eine Piaffepirouette, die auch schon gut gelang, „Alkohol“ dann zur Passagetraversale. Die Piaffen ganz klar auf dem Punkt – der tolle Eindruck der ersten zwei Turniertage verstärkte sich in dieser Kür noch einmal. Denn auch bei lauter Musik kommt Escolar entspannt zum Schreiten. „Sie mag Musik nur wenn sie laut ist“ passenderweise dann zum Galopp, zu Zweierwechseln und – etwas großen – Galopppirouetten. Nach neun wunderbaren Einerwechseln gab es einen kurzen Haker – schade! Der starke Galopp sucht weltweit Seinesgleichen. Der schwierige Übergang aus einer Galopptraversale nach rechts in eine Piaffe gelang noch nicht super flüssig, aber es ist beeindruckend, was der Reitmeister aus diesem gerade erst zehnjährigen Deckhengst schon herausholen kann. Es gab ja mal einen schwarzen Deckhengst, der die Menschen begeistert hat. Aber nun gibt es einen braunen Vererber, dessen natürliche Veranlagung unter Hubertus Schmidt nach den Regeln der klassischen Reitkunst verfeinert und zur Reife gebracht wird. Gänsehaut! Mit dieser Kür haben Hubertus Schmidt und Escolar eindrucksvoll unter Beweis gestellt, warum sie seit gestern zum deutschen Olympiakader gehören. B-Noten bis 85 Prozent, insgesamt: 79,75 Prozent.
Benjamin Werndl und Daily mirror, 79,525
Afrika goes Sauerland. Mystische Klänge und eine doppelte Galopppirouette direkt nach dem Gruß gefolgt von den ersten Einerwechseln, dann wieder eine doppelte Pirouette und über die Diagonale starker Galopp, gefolgt von Galopptraversalen und Einerwechseln auf einer gebogenen Linie. Dann der Übergang aus der Galopptour in den starken Schritt. Benjamin Werndl betont in seiner Kür die Stärken des Damon Hill-Sohns Daily mirror geschickt in der ersten Hälfte des Programms. Heute war die Harmonie des Paares voll da. Selbst die Piaffen gelangen relativ fleißig, auf jeden Fall regelmäßig. Die beiden sind wohl eine „Turniermannschaft“ wie die deutschen Fußballer, will sagen: Sie werden im Verlauf des Turniers immer besser! Daily mirror beendete die Kür mit einer Piaffepirouette, aus der heraus sofort eine Zickzack-Traversale in der Passage links und rechts der Mittellinie. Der Familienvater aus Aubenhausen strahlte bei Schlussgruß wie er es bislang an den Tagen in Balve noch nicht gemacht hatte. Ein Lächeln, das wohl sagen sollte: „Ja, geschafft, gezeigt, was „Ken“ so alles kann.“ Alle B-Noten lagen über 82 Prozent – 79,525 Prozent für den Weltcupfinalisten dieses Jahres.
Fabienne Lütkemeier-Müller und Fabregaz: 77,175
Gewaltige Orchestrierung plus einige Höchstleistungen: Piaffe Pirouette auf der Mittellinie, der Übergang aus der Piaffe in die Passage-Traversale: Fabienne Lütkemeier-Müller ist eine Kürspezialistin und verstand es als erste Starterin, die Höhepunkte ihres gewaltigen Rappen Fabregaz v. Florestano auszuspielen. Unter anderem wie an der Schnur gezogene fliegende Galoppwechsel von Sprung zu Sprung gerade auf die Chefrichterin zu. Zum Abschluss dann eine Fächerpirouette, aus der die Mannschaftsweltmeisterin von 2014 direkt in den starken Trab zum Schlussgruß schmetterte. Kleine Abstriche in der Kür musste es geben, weil Fabregaz an der kurzen Seite einmal kurz aus der Passage in den Schritt gefallen. Was besonders schön zu sehen war: Mit welch leichter Anlehnung der hünenhafte Rappe von seiner Reiterin durch das technisch anspruchsvolle Programm gelenkt wurde. 77,175 Prozent. Sogar zwei B-Noten von 83 Prozent!
Jan Dirk Gießelmann und Real Dancer, 74,1 Prozent
Jan-Dirk Gießelmann und der Hannoveraner Real Dancer ritt die Kür, die schon zum Markenzeichen des 1,90 Meter großen Wallachs geworden ist: Tom Jones-Klassiker, allen voran in der Trabtour „Give a little Love“ und „Sex Bomb“ für die Passagen. Im Schritt dann „Green, green grass of home“. Im Galopp dann „Delilah“ zu den Pirouetten. Der mütterliche Halbbruder des Hengstes Hotline wirkte heute frischer als an den beiden vorherigen Tagen. Nur in den Einerwechseln auf einer Halbdiagonale gab es einen Wackelmoment. Da machte sich der Wallach frei, blockierte. Aber Jan Dirk Gießelmann bekam rechtzeitig den Vorwärtsgang wieder hinein. Am Ende standen für die niedersächsische Kombination zu Buche. 74,1 Prozentmen’s jordan 1 release date | what is the next air jordan 1 release
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