Nachdem Matthias Alexander Rath mit knapp unterhalb der 75 Prozent-Marke gut vorgelegt hatte, sorgte Isabell Werth mit 77,174 Prozent für die zweitbeste Wertung an Tag 1 der Dressur-Europameisterschaft in Riesenbeck. Der Brite Carl Hester rangiert mit Fame vor ihr und brachte Großbritannien in Führung.
32 Pferde sind heute im Dressurviereck an Tag 1 bei der Dressur-Europameisterschaft in Riesenbeck im Mannschaftswettbewerb am Start gewesen. Es war die erste Hälfte des Grand Prixs, morgen fällt die Entscheidung über Teamgold wenn 35 weitere Pferd/Reiter-Kombinationen die 33 Lektionen zeigen.
Großbritannien hat sich eine gute Ausgangsvoraussetzung für einen möglichen Titelgewinn verschafft. Wie so oft kam das Beste kurz vor Schluss. Und das war der Brite Carl Hester mit dem niederländischen Hengst Fame („Ruhm,“). Den Bordeaux-Sohn reitet Hester nicht mal seit einem Jahr.
Hester Nummer eins nach Tag 1 der Dressur-Europameisterschaft
Der Hengst ist 13 Jahre, ist schon ein paar Grand Prixs mit seiner Besitzerin Fiona Bigwood gegangen. Doch die Mutter dreier Kinder, die schon lange mit Carl Hester trainiert, hat viel um die Ohren. Deswegen fragte sie vorsichtig im vergangenen Jahr, ob Hester es sich vorstellen könnte, den Braunen zu reiten. Er konnte! Der Mannschafts-Olympiasieger war begeistert von dem Vorwärtsdrang des KWPN-Hengstes. Er sei ein weiteres Pferd, das nahezu ausschließlich auf seinem (Gras-)Paddock stünde, verät Carl Hester nach seinem Ritt, der ihn persönlich und auch das britische Team in Führung nach Tag 1 bei der Dressur-Europameisterschaft gebracht hat.
Carl Hester (GBR) und Fame
Den erwähnten Vorwärtsdrang konnte man im ersten Drittel der Prüfung sehen. Fame ist ein schlichter Brauner, der zu Beginn der Prüfung noch nicht so recht an die Hand heranziehen wollte. Aber Carl Hesters ruhiger Sitz, die Art, wie er die Trabtraversalen nutzte, um den Wallach mehr vor die treibenden Hilfen und damit letztendlich in eine stetigere Anlehnung zu bekommen, das war sehenswert. Der starke Trab war laufend, der Braune aufgekröpft. In der ersten Piaffe leuchtete dann das erste Mal die Qualität des Hengstes auf. Am Punkt, gleichmäßig getreten, locker im Rücken. Der anschließenden Passage mangelte es an Abdruck im Hinterbein, der Schritt war sicher geregelt. „Das war der Moment, an dem er durchgeatmet hat“, sagt der 56-Jährige nach dem Ritt. Bewusst habe er nicht gleich auf „Achten und Neuen“ geritten. Die zweite Piaffe war nicht ganz so rhythmisch.
In der Galopptour waren die Serienwechsel und die äußerst präzise und gesetzt gerittenen Pirouetten das klare Highlight. Der starke Galopp hingegen war an der alleruntersten Grenze. Im starken Trab vor der letzten Mittellinie kam Hester dann reell zum Treiben. Fame zog ans Gebiss heran, der Hals wurde länger, der starke Trab ergiebiger. Die letzte Linie war einfach schön. Vor allem in der Passage war nun auch im Hinterbein mehr Aktivität, die Übergänge geschmeidig.
Nach dem Schlussgruß brandete ein Jubel auf im Stadion, der sicherlich nicht von britischen Schlachtenbummlern allein herrührte. Im Gegenteil, das waren Dressurbegeisterte, die sich an wunderbarem Reiten erfreuen konnten und auf diese Weise dafür dankten. „Es ist toll, wenn das Publikum das so wertschätzt“, freute sich Hester. Seine 78,54 Prozent sind eine sichere Bank für die Teamwertung der Briten.
Isabell Werth und DSP Quantaz
Der DSP-Hengst Quantaz ist in diesem Jahr bisher fünf Turniere gegangen. Im Januar und Februar machten die Weltcup-Qualifikationen in Basel und Göteborg den Auftakt. Dann kehrte das routinierte Paar aus Rheinberg als Dritte vom Weltcupfinale aus Omaha zurück. Draußen ist der Quaterback-Sohn in diesem Jahr bislang nur zweimal am Start gewesen, bei den Deutschen Meisterschaften in Balve und beim CHIO Aachen.
Die Resultate dabei in den jeweiligen Grand Prixs: Zwischen 75,913 und 78,261 Prozent. Im Championatsmodus sitzen zwei zusätzliche Richter am Viereck. Sieben Augenpaare, die „außerplanmäßigen“ bei F und K als Ergänzung, begutachten nicht nur an Tag 1 bei der Dressur-Europameisterschaft das Geschehen im Viereck in Riesenbeck.
Das Einreiten war sehr konzentriert. Quantaz hielt sicher. Es folgte ein erster guter starker Trab mit deutlicher Rahmenerweiterung. Auch das zweite Halten war wunderbar durchlässig, ruhig auf allen Vieren, genau wie das folgende Rückwärtsrichten, das mit 7,9 beurteilt wurde. Die Piaffen und Passagen zeigte der Brandenburger Quaterback-Sohn durchweg energisch und ausdruckstark. Am starken Schritt scheint Isabell Werth gearbeitet zu haben, mit 6,4 für den starken und 6,1 für den versammelten Schritt hatte der Hengst hier dennoch die niedrigsten Noten der Aufgabe.
Zick-Zack kostet Punkte im Grand Prix
Einmal lobte Werth den eifrig arbeitenden Hengst kurz mit der rechten Hand nach der zweiten Piaffe – voller Einsatz will belohnt werden! In der Galopptour ließ das Paar beinahe keinen Punkt liegen. Beinahe … Nach geraden Zweierwechseln, einem wirklich starken Galopp bis zum Wechselpunkt, mit lediglich zwei gebrauchten Galoppsprüngen zur Rückführung – nicht sechs oder sieben wie bei anderen Paaren – zum fliegenden Wechsel, folgte die Zick-Zack-Traversale. Dort sprang der Hengst „einmal kurz“, wie Isabell Werth es anschließend beschrieb. Ein Fehler, der sich doppelt negativ auswirkte, weil die Zick-Zack-Traversalen im Grand Prix doppelt bewertet werden (6,4). Anschließend lief alles so, wie es die Note sagt, und wie Werth es auch selbst im Sattel erlebt hat: „sein bester Grand Prix in diesem Jahr“. Erwähnenswert dabei vor allem die Pirouetten! 77,174 Prozent lassen Deutschland zunächst auf Rang zwei in nach Tag 1 bei der Dressur-Europameisterschaft landen.
Hinter den Briten und Team Deutschland rangieren die Dänen auf dem Bronzeplatz in der Zwischenwertung. Nach Andreas Bachmann Andersen am Vormittag (74,146 Prozent) ritt Andreas Helgstrand als zweiter für das Team mit dem Danebrog in den Ring.
Andreas Helgstrand (DEN) und Jovian
Andreas Helgstrand ist bekannt für seine Coolness. An diesen Tagen ist die auch gefordert. Denn den dänischen Pferdehändler, der den ehemaligen Jungpferde-Weltmeister Jovian in Riesenbeck sattelt, beschäftigt zuhause das von ihm angestrengte Gerichtverfahren wegen heimlicher Filmaufnahmen, das ihm – vermutlich ungewollte – zusätzliche Publicity beschert.
Jovian, der erst neunjährige Apache-Sohn, marschierte so los, wie man das kennt. Starker Trab wie von einem anderen Stern, in der Traversale nicht ganz konstant und vor allem nicht voll ausbalanciert, aber: Das Vorderbein ist in der Luft! Noten über 8,0 begleiteten die ersten Lektionen. Wenn es aber ans Eingemachte, an Versammlung und Piaffen ging, legte Jovian den Schalter um. Das Vorderbein, gerade noch mit hoch ausschwingendem Unterarm in Aktion, stützte plötzlich auf der Stelle. Hinten trat der Hengst etwas auf der Stelle. Allen Piaffen war diese geschilderte Technik zu eigen. Vorne bewegt sich das Karpalgelenk kaum, auf das linke Hinterbein fiel der große Apache-Sohn und anschließend beschrieb das rechte eine leichte Kreisbewegung nach außen.
Im Galopp klappten die geforderten Lektionen, aber auch hier hatte man, beispielsweise bei den Pirouetten, den Eindruck, der gerade einmal neunjährige Niederländer könne Bewegungspotenzial und Eckdaten der versammelten Lektionen nicht in Einklang bringen. So „meterte“ er im starken Galopp über die Diagonale, aber die 15 Einerwechsel fanden mühelos auf nicht einmal zwei Dritteln derselben Linie Platz.
Mit 74,41 Prozent rangiert das Paar in der Zwischenwertung an Position fünf hinter Matthias Alexander Rath und Thiago (74,854) und dem Briten Gareth Hughes mit Classic Briolinca (74,565).
Olympia im Visier
Für einige Nationen geht es im Grand Prix in Riesenbeck auch darum, sich für die Olympischen Spiele in Paris 2024 zu qualifizieren. Spanien und Österreich zählen dazu. Aktuell steht Spanien in der Addition der Ergebnisse etwas besser da. Dafür liegt aber der beste Österreicher, Florian Bacher mit Fidertraum, in der Zwischenwertung auf Rang sieben.
Florian Bacher (AUT) und Fidertraum OLD
Das war doch mal klassisch schönes Reiten. Dass Florian Bacher 18 Jahre an der Spanischen Hofreitschule war, sieht man ihm an. Ihm an seinem Sitz und der zurückhaltenden Hilfengebung. Und seinem Pferd vor allem in den Piaffen und Passagen. Der Oldenburger Fidertanz-Sohn hat ein Exterieur, das den Reiter vor ein paar Probleme stellt. Aber wie Bacher den Braunen vorstellte, wie der Schweif des 14-Jährigen Fidertanz-Sohns nicht eine Sekunde in den Serienwechseln unruhig war, das hatte schon etwas.
Sein Kollege Christian Schumach hatte als erster Reiter des Teams mit dem Totilas-Sohn Te Quiero SF 70,21 Prozent erzielt.
Bester Spanier ist aktuell Alejandro Sánchez del Barco mit dem Schimmel Quincallo de Indalo. Im Galopp wirkte der PRE-Hengst schwach im Hinterbein, was dem Dreitakt nicht immer förderlich war (71,584). Genauso viele Punkte erhielt der Franzose Alexandre Ayache (FRA) mit Jolene. Sein Teamkollege Arnaud Serre zeigte mit dem neun Jahre alten James Bond de Massa v. Bravour B ein interessantes Pferd. Züchterisch, weil in seinen Adern väterlicherseits das Blut von Niederländern und Trakehnern fließt und die Mutter eine Lusitano-Stute ist. Aber auch, was das sportliche Talent anbelangt. Noch funktionierte nicht alles, aber die einzelnen Bausteine sind da (71,44/Zwischenwertung 11.).
Morgen Team-Entscheidung im Grand Prix
Die Entscheidung über den Mannschaftstitel bei der Dressureuropameisterschaft fällt morgen. Ab 9.30 Uhr gehen 35 Reiter/Pferd-Kombinationen an den Start. Die Entscheidung dürfte gegen kurz vor halb fünf am Nachmittag fallen. Dann geht die amtierende Weltmeisterin Charlotte Fry (GBR) mit dem KWPN-Hengst Glamourdale an den Start, kurz davor sind mit Jessica von Bredow-Werndl/Dalera (15.57 Uhr) und Nanna Skodborg Merrald (DEN)/Zepter (16.06 Uhr) die beiden letzten Teamkombinationen für Deutschland und Dänemark am Start. Frederic Wandres/Bluetooth werden um 11.57 Uhr im Viereck erwartet. Carina Cassøe Krüth/Heilines Danciera ist die dritte dänische Reiterin (12.15 Uhr) Charlotte Dujardin und Imhotep, „Pete“, gehen um 12.24 Uhr ins Stadion.
Hier findet sich das aktuelle Zwischenergebnis nach Tag 1 bei der Dressur-Europameisterschaft.
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