Die Briten gewinnen Gold, die Deutschen die Silbermedaille von den Dänen. Und in Sachen Einzelleistung stehen Jessica von Bredow-Werndl und Dalera vorne vor gleich zwei Charlottes aus Großbritannien. Mit Vorteil für Charlotte Dujardin. Dazu jede Menge persönliche Bestleistungen im Teamwettbewerb bei der Europameisterschaft in Riesenbeck.
Die Vorentscheidung in der Mannschafts-Europameister Dressur war spätestens mit dem Ritt der Britin Charlotte Dujardin und Imhotep gefallen. Mit 82,422 Prozent, fast vier Prozent vor dem nach der ersten Hälfte in Führung liegenden Carl Hester, hatte sich die dreifache Olympiasiegerin, an die Spitze des Feldes gesetzt. Damit hat sie eine Duftmarke gesetzt für die beiden Einzelentscheidungen am Freitag (Grand Prix Special) und Sonntag (Kür). Vor allem aber hatte sie das Team Großbritannien mit einem Abstand von 5,9 Prozent vor die Deutschen positioniert.
Insofern war es eine eher theoretische Chance, dass Deutschland zum vierten Mal in Folge nach Göteborg (2017), Rotterdam (2019) und Hagen (2021) Mannschafts-Europameister Dressur würde werden können.
Es kam auf das Duell an, auf das viele gewartet hatten: Jessica von Bredow-Werndl/Dalera gegen Charlotte, „Lottie“, Fry und Glamourdale. Zunächst „nur“ um den Platz auf dem Mannschaftspodium.
Die Startreihenfolge hätte passender nicht sein können: Deutschland, dann Dänemark, anschließend die Briten. Oder in Pferdenamen ausgedrückt: Dalera, Zepter, Glamourdale.
Briten Mannschafts-Europameister Dressur
Hochkonzentriert ritt Jessica von Bredow-Werndl die Prüfung. Neben den zu erwartenden Highlights – Piaffen, Passagen und die dazugehörigen Übergänge sowie Pirouetten – zeigte sich die 16-jährige Trakehner Stute spritzig wie ein eher sechsjähriges Pferd. Im starken Trab holte die Olympiasiegerin Punkte wie selten. Vor allem auch im starken Schritt zeigte sie sich verbessert. „Wir verbessern uns von Mal zu Mal und heute war er wieder ein Stück besser“, so die zufriedene Reiterin nach dem Ritt, Und der Schritt geht eben auch mal zwei multipliziert in die Wertung ein.
Auf der letzten Linie brillierte das Duo. Jede andere Beschreibung hieße, tiefzustapeln. Insgesamt standen 24 Zehnen im Protokoll des Paars. Und unten drunter 84,612 Prozent – persönliche Bestleistung.
Zepter heute abgelenkt
Die Dänen, von einigen im Vorfeld als ernsthafte Anwärter auf die Silbermedaille bei der Mannschafts-Europameister Dressur gesehen, erlebten heute nicht ihren besten Tag. Ausgerechnet die unangefochtene Nummer eins im Team bekam es heute mit den Nerven.
Nanna Skodborg-Merrald (DEN) und Zepter
Das Weltcup-Finale und der Auftritt des Paars aus Dänemark hatte klar gemacht: Diese beiden aus dem Gestüt Blue Hors muss man auf der Liste haben.
Beim Gruß ruhte der Fuchs hinten links (7,9). Beeindruckende Traversalen – im Fluss, bergauf, untermauerten diese Voreinschätzung. Die erste Piaffe in perfekter Silhouette, die Kruppe tief, das Pferd aktiv abfußend. Etwas Energieverlust im Übergang aus der zweiten Piaffe (8,8), aber dennoch Weltklasse. Den starken Galopp ritt Nanna Skodborg Merrald nicht mit dem letzten Risiko. Die 15 Einerwechsel leitete sie früh ein, sie waren nicht optimal eingeteilt (8,4). Dann kam es zu einem Missverständnis nach der ersten Pirouette und Spannung kam auf im Laufe der folgenden Galoppsprünge. In einer missglückten Rechtspirouette manifestierte sich diese Irritation.
Danach fand das Paar schnell wieder zu sich. Die Mittellinie mit Passage, Piaffe und Passage gelang. Aber die letzten Meter zum Schlussgruß waren wiederum zögerlich. Zu diesem Zeitpunkt des Nachmittags lag der Bereich vor C im Dressurviereck bereits im Schatten der Baumwipfel. 78,566 Prozent ließen die Dänen mit 228,72 Prozent die Bronzemedaille bei der Mannschafts-Europameisterschaft Dressur gewinnen. Zweitbeste Reiterin war Carina Cassøe Krüth (siehe unten).
Charlotte Fry (GBR) und Glamourdale
Die Weltmeisterin und der mächtige Hengst galoppierten selbstbewusst die Mittellinie herunter. Starker Trab und Traversalen mit Noten bis 8,7. Das Rückwärtsrichten war etwas eilig (7,1). Im Galopp ist der Hengst kurz vor der Kategorie „unschlagbar“. Vor allem hat der Versammlungsgrad in den Lektionen deutlich dazugewonnen seit seinem Triumph bei der Weltmeisterschaft in Herning. Der Hengst sei nicht voll bei der Sache gewesen, sagte Charlotte Fry im Anschluss: „Er hat wohl Hengstvorführungs-Vibes gefühlt, hat nach draußen geguckt.“ Trotzdem sei sie mehr als zufrieden. „Ich denke, wir hatten auch viele Highlights. Dinge, die wir noch nie so gut hinbekommen haben, beispielswiese die Zick-Zack-Traversalen.“ Morgen erhoffe sie sich „Glamie“ etwas konzentrierter.
Schwach war der Rappe heute in den Piaffen. Zäh, ungleichmäßig und unrhythmisch – nach wie vor sah das noch nicht wie eine „fertige“ Piaffe aus. Eher nach „Work in progress“. Bei der letzten Piaffe bei X hielt der Deckhengst zunächst an, dann fand er noch einmal einen Weg in eine Art Piaffe.
Mit 81,258 Prozent lieferte sie das zweitbeste Ergebnis für das britische Team (242,22), das mit 2,546 Prozentpunkten Abstand vor Deutschland Gold gewann.
Von der nächtlichen Weide zum Mannschafts-Europameister Dressur
Charlotte Dujardin ist wieder da, wo sie mit Valegro war: Ziemlich weit oben, kurz vor dem Moment, in dem aus der Jägerin eine Gejagte wird. Jede Gratulation gab sie eins zu eins an ihren „Pete“, Imhotep, weiter. „Er geht darein, als hätte er nichts anderes in seinem Leben gemacht.“ Natürlich könne sie ihn noch nicht voll ausreiten, er sei ja gerade erst zehnjährig. „Mir ist es wichtig, dass ich ihn ohne Aufwand reiten kann. Da zeige ich lieber etwas weniger als er schon kann, damit es leicht aussieht. Das ist es, worum es für mich in der Dressur geht. Leichtigkeit. Für den Moment ist es das, was er leisten kann.“
Aus Aachen habe sie Hausaufgaben mitgenommen, hier in Riesenbeck konnte sie schon Dinge umsetzen. Petes größter Vorteil: „Er möchte immer gefallen, immer will er nur sein Bestes geben“. Natürlich ginge es in den kommenden Tagen um Goldmedaillen. Aber ihr persönlich sei es am Wichtigsten, wenn die Leute sie nach dem Ritt ansprächen, wie schön und harmonisch die Vorstellung war.
Imhotep lebt nahezu 24/7 auf der Weide – „nur nicht bei Überflutung“, sagt Charlotte Dujardin. Das käme seinem Temperament sehr entgegen. „Und es hält die Lebenshaltungskosten niedrig“, ergänzt Imhotep-Besitzer Carl Hester. Er sei froh, dass mehrere seiner Pferde so gehalten werden können. „Ist doch natürlich“. Das Verletzungsrisiko? Bedenken dieser Art wischt Hester, der mit dem Bordeaux-Sohn Fame im Grand Prix mit der fünftbesten Vorstellung (78,54) glänzte, weg. „Ich höre sie nachts Grand National spielen“ – egal.
Deutschland „super happy“
Silber für Deutschland, „mehr war heute nicht drin“, sagt Jessica von Bredow-Werndl. Das gesamte Team sei super geritten. Die Briten seien in Riesenbeck „abnormal stark“. Noch vor der Meisterschaftsehrung blickte sie aber bereits nach vorn: „Unser Ziel ist es, im nächsten Jahr stärker zu sein.“ Und die nahe Zukunft, sprich der Abend nach dem Teamsilber und vor dem Grand Prix Special? „Mit den Kindern spielen, früh ins Bett, den Ritt analysieren“.
Bundestrainerin Monica Theodorescu strahlte nach der Teamwertung: „Ich bin sehr, sehr glücklich, wie unsere Pferde gegangen sind, wie unsere vier Reiterinnen und Reiter sich gezeigt haben, die Prüfung absolviert haben. Einer besser als der andere, zweimal „Personal Best“ und dann auch noch in einer tollen Art und Weise. Junge Pferde, ein wiederhereingekommener Reiter als Reservist und dann wirklich von vorne bis hinten klasse. Ich bin total happy damit.“
„Gutes Reiten wird belohnt. Und das ist auch genau richtig so“
Den Briten zollt die Bundestrainerin Anerkennung: „Sie reiten einfach auch sehr gut und sehr korrekt. Alle sind perfekt in ihrem Sitz und Einwirkung, da bewegt sich nichts, da ist die Hilfengebung fast unsichtbar. Die Pferde sind an feinsten Hilfen, auch wenn hier und da bei dem ein oder anderen Pferd vielleicht nicht die allerletzte Qualität da ist. Aber: Gutes Reiten wird belohnt! Und das ist auch genau richtig so.“
Morgen Einzelwertung bei Europameisterschaft Dressur
Die 30 besten Paare sind für den Grand Prix Special qualifiziert. Darunter alle vier Reiter der Mannschaften, die heute auf dem Podium als Dressur-Europameister mit den entsprechenden Medaillen ausgezeichnet wurden. Wer durch die 36 Lektionen des Grand Prix Special am besten kommt, wird morgen Einzel-Europameisterin, oder -meister. Das erste Paar geht um 10.15 Uhr an den Start. Die Meisterehrung ist für 17 Uhr angesetzt.
0 Kommentare
Schreibe einen Kommentar