Europameister mit Ansage und mit Weile: Deutschland hat mit einem Abstand von mehr als 13 Punkten den Titel in Göteborg gewonnen. Das Team setzte sich vor die Dänen und die Equipe der Gastgeber Schweden. Dorothee Schneider wurde Sechste und lieferte damit das Streichergebnis, darf aber im Grand Prix Special um den Einzeltitel starten.
Eine Europameisterschaft im Pferdeland Schweden, ein Fußballstadion unter nachtblauem Himmel, die Uhr des Hauptsponsors zeigt 21.37 Uhr, im Flutlicht eine Rappstute in einer Piaffe, wie man sie so nur ganz selten sieht. Dann ein fließender Übergang in eine Passage, die nur als perfekt bezeichnet werden kann. Plötzlich geschieht das Unfassbare: Die ersten Zuschauer vergessen, dass während einer Dressuraufgabe, einem Grand Prix, doch eigentlich nicht einmal lautes Atmen erlaubt ist. Sie beginnen im Takt der Passage zu klatschen. Dankbar nimmt der Rest des Publikums den Takt sofort auf, bis zum Schlussgruß. Dann löst sich der Rhythmus in einen tobenden Applaus auf, ein Tutti würde man wohl im Orchester sagen. „Das habe ich auch noch nie erlebt“, sagt Isabell Werth, die mit Weihegold im Grand Prix von Göteborg mehr als nur eine Duftmarke gesetzt hat. Und wie es sich angefühlt hat? „Great – großartig!“
Nahezu perfekter Grand Prix zum Titel bei der Europameisterschaft
Schon bevor sie ins Göteborger Ullevi Fußball Stadion, in dem sonst Fußballer, Leichtathleten, Robbie Williams oder Bruce Springsteen für Applausstürme verantwortlich zeichnen, einritt, war die Goldmedaille der deutschen Equipe sicher. So gut waren Sönke Rothenberger, Helen Langehanenberg und Dorothee Schneider geritten. Abgesehen von einem leichten Taktfehler in der Trabverstärkung auf der ersten Diagonale gelang Isabell Werth ein nahezu perfekter Grand Prix (Details lesen Sie in unserem LIVETICKER hier). Danach war sie glücklich über die 15. Goldmedaille in ihrer internationalen Karriere, die 15. bei Europameisterschaften wohl bemerkt! Schon die nüchternen Zahlen des Ritts sprechen eine klare Sprache:
83,743 Prozent
5,4 Prozent Abstand auf Platz zwei, Sönke Rothenberger/Cosmo
11 x die Idealnote 10,0 im Protokoll
7 Richter hatten in ihren Einzelergebnissen
nur einen Unterschied von 9,5 Punkten
„Ich wusste, dass Weihe in guter Form ist, aber die Frage ist ja auch immer, ob man das im Viereck abrufen kann“, sagt die Titelfavoritin. Und Isabell Werth wäre nicht Isabell Werth, wenn sie nicht nach vorne schauen würde. „Jetzt gilt es, diese Form bis ans Ende dieser Woche zu halten“. Auch wenn das Gold programmiert zu sein schien, so waren alle, inklusive Werth und Bundestrainerin Monica Theodorescu überrascht, wie souverän sich die Deutschen im kontinentalen Vergleich geschlagen haben. Immerhin waren ja zwei Pferde aus der siegreichen Olympia-Mannschaft ausgefallen, Kristina Bröring-Sprehes Desperados und Dorothee Schneiders Showtime. Bundestrainerin Theodorescu brachte es so auf den Punkt: „Ich hätte uns stark eingeschätzt, nur nicht so stark. Aber nach Helens Grand Prix-Ritt hatte ich das Gefühl, dieses wird ein gutes Turnier. Jetzt ist es ein fabelhaftes Turnier geworden.“
Isabell Werth trieben am Ende dieses Tages dann doch andere, recht pragmatische Probleme zur Eile: Es gab nur eine kleine Flasche Champagner, nicht die erwartete Magnum-Buddel. 0,75 Liter edlen Tropfens reichen aber nicht, um mit dem gesamten Team zu feiern.
Dies ist die späteste und trockenste Pressekonferenz meiner ganzen Karriere
Isabell Werth
Sönke Rothenberger macht frühzeitig alles klar
Sönke Rothenberger und Cosmo hatten es spannend gemacht. Überragender Auftakt, kleine Unsicherheiten und dann ein dicker Patzer in den 15 fliegenden Galoppwechseln von Sprung zu Sprung.
Ich habe in den Zickzack-Traversalen die Schenkel zu weit zurückgelegt, da hat er schon gesagt, hey, was soll das?
„Da hat er nicht mehr voll durchgeatmet“, erläuterte der 22-Jährige. Aus dieser Spannung heraus sei dann der Fehler in den Serienwechseln erwachsen. Aber Cosmo war sofort wieder bei seinem Reiter und die letzte Linie – Passage, Piaffe und Passage bis zum Schlussgruß – war sicherlich die beste, die das Paar bislang gezeigt hat.
„Wir haben im Trainingslager mit Jonny (Hilberath) und meinen Eltern an den Piaffe-Passage-Übergängen gearbeitet, die fühlten sich gut an, ich musste mich nur mehr hinsetzen und er war sofort vor meinen Hilfen.“ Auch an den Traversalen war noch etwas Fine-Tuning von Nöten, hatten die Videoanalysen ergeben. „Die fanden wir, meine Eltern und ich, in Aachen nicht so ganz gelungen.“
In eineinhalb Jahren von null auf Weltspitze: Damsey und Helen Langehanenberg
Den Grundstein für das Teamgold hatten Helen Langehaneberg mit dem Hannoveraner Hengst Damsey als erste deutsche Reiterin am Dienstagnachmittag gelegt. Der Dressage Royal-Sohn kam nicht ganz an seine souverän und lässige Form von Aachen heran, wo Helen den Schritt zurück in die deutschen Championatsmannschaft geschafft hatte. Beim CHIO Aachen hatte es noch etwas gefälliger ausgesehen als in Göteborg, wo Damsey zweimal energisch aufgefordert werden musste. Helen Langehanenberg war aber komplett zufrieden und happy. Dass Damsey trotz seiner 15 Jahre sich immer frischer und gar nicht „wie ein altes Pferd“ anfühlt, führt sie darauf zurück, dass er „ein Macho“ sei. „Ein Turnier, bei dem es sich nur um ihn dreht, bei dem ,seine‘ Pflegerin Ann-Christin zur Rundumbetreuung da ist, das findet er schon gut.“ Die Pflegerinnen, sagt Helen Langehanenberg, seien eigentlich immer, aber vor allem bei Championaten, ein ganz wichtiger Faktor für das Wohlergehen der Pferde. „Anfang des Sommers habe ich nicht einmal davon geträumt, in Göteborg zu reiten und jetzt habe ich in diesem tollen Team Gold gewonnen und bin Vierte im Einzel“, staunt die ehemalige Weltcupsiegerin.
Nur 0,4 Prozentpunkte hinter ihr landete Dorothee Schneider auf Position sechs. Und das mit ihrem „Grand Prix Baby“, wie sie den Bayern Sammy Davis jr. v. San Remo nennt, der erst im März seinen ersten internationalen Grand Prix Start absolviert hat. Der Rappe ging in vielen Lektionen verbessert, selbst im Vergleich zum CHIO Aachen, das ja noch nicht so lange her ist.
Das Trainingslager, die Konzentration auf nur ein Pferd, hat sich auch hier ausgezahlt. Zwischen die Teamkameradinnen hatte sich noch der Brite Carl Hester mit Nip Tuck gesetzt, der aber nicht in der Form war, die er beim Weltcupfinale im April in Omaha gezeigt hatte.
Dänen-Girls gewinnen Silber
Es war ein Championat, in dem es mehr Fehler gab, als man erwartet hatte. Selbst routinierte Paare kamen nicht fehlerfrei durch die Lektionen. Ein komplett verkorxtes letztes Drittel der Aufgabe von Spencer Wilton ließen den Traum der Briten auf eine Medaille schwinden. Die niederländische Hoffnung Madeleine Witte-Vrees patzte im Galopp mit Cennin, so dass die Titelverteidiger, die verletzungsgeschwächt angereist waren, auch leer ausgingen (weitere Details in unserem LIVETICKER). So waren es die Skandinavier, die um die Podiumsplätze stritten.
Der größte Druck lastete auf der Dänin Cathrine Dufour, die mit Atterupgaards Cassidy lediglich 43 Hundertstel hinter Sönke Rothenberger auf Platz drei landete. Aber den Druck habe sie für sich nutzen können, sagte sie. Mit Silber hätten sie im Vorfeld nie gerechnet, Bronze war der Traum der Mannschaft, so die vier jungen Frauen einhellig. Dänemark hat seit 2001 keine Medaille mehr auf einer Europameisterschaft gewonnen.
Die Equipe mit neben Dufour Anna Zibrandtsen, Anna Kasprzak und Agnete Kirk Thingaard ist die jüngste im Starterfeld, zwei der Reiterinnen sind noch Altersklasse U25. Die Trainerin Prinzessin Nathalie zu Sayn-Wittgenstein verriet während der Pressekonferenz, sie habe es sich im Vorfeld nicht getraut zu sagen, „aber ich wusste, Silber ist möglich!“
Bronze gab es für die Schweden, bei denen Shooting Star Therese Nilshagen mit Dante Weltino als Siebtplatzierte die meisten Punkte fürs Team holte. Und das trotz eines teuren Fehlers in den Serienwechseln.
Mannschaftseuropameisterschaften Dressur, Göteborg 2017 – Grand Prix
1. Deutschland, 237,072 Punkte
(Isabell Werth/Weihegold, Sönke Rothenberger/Cosmo, Helen Langehanenberg/Damsey, Dorothee Schneider/Sammy Davis jr.)
2. Dänemark, 224,643 Punkte
(Cathrine Dufour/Atterupgaards Cassidy, Anna Kasprzak/Donnperignon, Anna Zibrandtsen/Arlando, Agnete Kirk Thingaard/Jojo AZ)
3. Schweden, 221,143 Punkte
(Therese Nilshagen/Dante Weltino, Tinne Vilhelmson-Silfvén/Paridon Magi, Patrik Kittel/Delaunay, Rose Mathisen/Zuidenwind)
Und jetzt auf in die Einzelkonkurrenz
Alle vier deutsche Reiter unter den ersten Sechs – das ist stark. Im Grand Prix Special dürfen alle vier starten. Nur für die Kür gilt die Beschränkung auf die drei besten Reiter einer Nation.
Teamgold in der Tasche und nun umstellen auf Einzelkämpfer? Sönke Rothenberger stutzt und schmunzelt. Der Teamspirit sei gut, „wir sind ja keine Gegner oder Feinde“. „Aber“, fügt er mit einem spitzbübischen Grinsen hinzu, „ich kann ja gewinnen und die anderen sind dann Zweiter und Dritter.“ Vermutlich sollte er das mit Isabell Werth nochmal bei einem Schluck Champagner heute Nacht diskutieren.
Im Grand Prix Special sind die 30 besten Reiter am Start. Er beginnt am Freitag um 11.45 Uhr.
Zwischenstand Dressur Europameisterschaften 2017, nach dem Grand Prix
1 | Isabell Werth | Weihegold | GER | 83,743 % |
2 | Sönke Rothenberger | Cosmo | GER | 78,343 % |
3 | Cathrine Dufour | Atterupgaards Cassidy | DEN | 78,300% |
4 | Helen Langehanenberg | Damsey | GER | 74,986 % |
5 | Carl Hester | Nip Tuck | GBR | 74,900 % |
6 | Dorothee Schneider | Sammy Davis jr. | GER | 74,586 % |
7 | Therese Nilshagen | Dante Weltino | SWE | 74,429 % |
8 | Patrik Kittel | Delaunay | SWE | 73,829 % |
9 | Anna Kasprzak | Donnperigonon | DEN | 73,386 % |
10 | Anna Zibrandtsen | Arlando | DEN | 72,957 % |
11 | Tinne Vilhelmson Silfvén | Paridon Magi | SWE | 72,871 % |
12 | Daniel Pinto | Santurio de Massa | POR | 72,600 % |
13 | Diederik van Silfhout | Four Seasons | NED | 72,514 % |
14 | Edward Gal | Voice | NED | 72,457 % |
15 | Jurado Severo Jurado Lopez | Deep Impact | ESP | 72,371 % |
16 | Emile Faurie | Lollipop | GBR | 72,286 % |
17 | Spencer Wilton | Super Nova II | GBR | 72,086% |
18 | Madeleine Witte-Vrees | Cennin | NED | 71,643 % |
19 | Jorinde Verwimp | Tiamo | BEL | 71,286 % |
20 | Patrik van der Meer | Zippo | NED | 71,114 % |
Die Ergebnisse aller Ritte finden Sie hier.
Lesen Sie in unserem Liveticker noch einmal die Zusammenfassungen der wichtigsten Ritte!
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