Dramatisches Teamgold: Deutschland Dressur-Europameister 2019, Dujardin disqualifiziert

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Das strahlende Goldquartett auf der Ehrenrunde: Cosmo, Dalera, Showtime und Bella Rose. (© Pauline von Hardenberg)

Deutschland ist Dressur-Europameister. Mit Weile hat die Equipe um Isabell Werth den Titel gewonnen. Werth und Bella Rose siegten im Grand Prix mit persönlicher Bestleistung. Nach der überraschenden Disqualifikation der Britin Charlotte Dujardin wurden die Niederländer Zweite vor den Schweden.

Mit 14 Prozentpunkten Vorsprung hat die deutsche Equipe die Goldmedaille bei den Europameisterschaften 2019 in Rotterdam gewonnen. 244,969 Prozent ergaben sich für Isabell Werth, Dorothee Schneider, Jessica von Bredow-Werndl und Sönke Rothenberger. Es ist der 24. Mannschaftstitel für ein deutsches Team bei einer Dressur-Europameisterschaft. Damit landeten sie vor den Niederländern und den Schweden. Knappe Vierte wurde die Equipe aus Großbritannien, nachdem deren beste Reiterin nach der Prüfung disqualifiziert worden war. Bei Charlotte Dujardins Hannoveraner Stute Freestyle v. Fidermark war im Anschluss an den Ritt Blut gefunden worden. In einem offiziellen Statement meldete sich der britische Verband zu Wort:

Statement wegen des Bluts bei Charlotte Dujardins Freestyle:

„Die britische Athletin Charlotte Dujardin und Mount St John Freestyle wurden von dem heutigen Grand Prix Wettkampf ausgeschlossen bei den FEI Dressur Europameisterschaften in Rotterdam.
 An der linken Flanke des Pferdes wurde Blut gefunden im Rahmen der Kontrollen nach dem Ritt. Gemäß dem Artikel 430.7.6.2 des FEI Dressur Reglements, führt dies zum Ausschluss.
Ausschlüsse gemäß dieses Paragraphs unterstellen keine Absicht. Sie dienen lediglich dazu, das Wohlbefinden aller Pferde im Wettkampf sicherzustellen.“

Pressemitteilung

Dujardin selbst sagte gegenüber dem britischen Magazin Horse & Hound: „Ich bin natürlich am Boden zerstört! So etwas ist mir noch nie vorher passiert. Die Gesundheit und das Wohlbefinden meiner Pferde ist immer meine oberste Priorität, aber natürlich akzeptiere ich die Entscheidung.“

Von „einfach Pech“ sprach der Vorsitzende von British Dressage, Jason Brautigam. Und die Pferdebesitzer Emma und Jill Blundell betonten, sie wüssten, wie wichtig das Wohl ihrer Pferde für Charlotte sei. „Wir sind stolz, dass sie für uns reitet.“

Bella Gold bei der Europameisterschaft!

Bella Rose zeigte sich, in einer Form, die weit jenseits dessen war, was die Stute in Aachen vor vier Wochen gezeigt hatte. Diesmal ging die Belissimo M-Tochter aus der Zucht von Familie Strunk im Stadion wieder so wie in Tryon beim Gewinn des Weltmeistertitels vor einem Jahr. Die Reiterin mit dem Gesichtsausdruck, der sagt: Jetzt geht’s um alles.

Das Paar kam entspannt ins Stadion, ein paar Piaffen, Passagen, dann im Außengalopp ein halbes Mal herum. Dann ging es los: 8,6 für den Gruß, starker Tab 7,4. Alles nach Erwartung. 8,6, und 8,9 für die zwei Trabtraversalen. Deren Faktor zwei ja in der Grand Prix-Bewertung besonders wichtig ist, wie die Sch…-Situation von Jessica von Bredow-Werndl gestern allen in Erinnerung gerufen hat. Kein Pferd an den zweit Tagen der Mannschaftsentscheidung der Dressur-Europameisterschaft piaffierte auch nur annähernd so wie Bella Rose. Die erste Piaffe erzielte eine 9,4, die anschließende Passage eine 9,1. Im weiteren Verlauf gab es für die Passagen noch höhere Bewertungen und für die Übergänge aus der Passage in die Piaffe und wieder heraus sogar eine 9,9.

Im starken Schritt trat Bella Rose von Anfang an deutlich über die Spuren der Vorderhufe. Im versammelten Schritt schnaubte die westfälische Stute einmal deutlich ab und zog Isabell Werth dabei fast aus dem Sattel (6,9). Beim Angaloppieren aus der Passage war eine leichte Spannung zu erkennen. „Ich bin super glücklich, dass Bella sich in der Galopptour noch so verbessert gezeigt hat“, sagte Isabell Werth im Anschluss. Da hing schon ihre 22. EM-Medaille um den Hals, die 18. Goldmedaille von Europameisterschaften.

Bei der letzten EM in Rotterdam habe sie Ernie (El Santo NRW) dabei gehabt. „Und bei seinem Piaffenproblem hat damals das halbe Stadion mit Schnalzen mitgeholfen“, erinnert sich Werth. „Heute brauchte ich diese Unterstützung nicht,“ ergänzte sie mit einem für sie so typischen breiten Lachen.

Bella Rose im Galopp stark verbessert

Die Zweierwechsel waren sicher, schnurgerade (7,8). Über 85 Prozent zeigte die Zwischenwertung zu diesem Zeitpunkt an. Die Zickzack-Traversalen wie aus dem Lehrbuch (8,5), die 15 fliegenden Galoppwechsel von Sprung zu Sprung etwas kurz aber bergauf (7,9). Die vielleicht beste Pirouette, die Bella Rose jemals gezeigt hatte, war die nach rechts. 8,6 gab es hierfür.

Am Ende stand eine persönliche Bestleistung von Bella Rose und Isabell Werth unterm Protokoll: 85,652 Prozent. In Tryon waren es 84,829 Prozent gewesen, auch das 2018 die Bestleistung.

Bundestrainerin Monica Theodorescu konnte sich über ihr drittes EM-Teamgold als Trainerin freuen. Es ist die sechste Mannschaftsgoldmedaille unter der Ägide des Trainerteams Monica Theodorescu und Jonny Hilberath. „Es war eine überragende Bella Rose, da stimmte alles an diesem Ritt.“ Theodorescu lobte die „große Harmonie“ und „ganz viel Ausdruck“.

Starkes Team Germany

Selten habe es ein so starkes deutsches Team gegeben, heißt es übereinstimmend. Nach dem Grand Prix führt Isabell Werth mit Weile. Dorothee Schneider und Showtime sind Zweite (80,232), eine ausführliche Analyse des Rittes und des ersten Tages finden Sie hier.

Sönke Rothenberger hatte zwei Schrecksekunden als Cosmo leicht scheute. Dazu misslang die zweite Galopppirouette, Faktor zwei in der Wertung. Er sprach im Anschluss von „Patzerchen im Galopp“ und erklärte seine insgesamt verhaltenere Reitweise mit dem Sicherheitsgedanken, „es ging um die Mannschaft und dies ist eine lange Woche“. Da sei Kraftsparen eine Devise.

Pech hatte die Dänin Cathrine Dufour, die sich im strömenden Regen durch das Viereck kämpfte und für kurze Zeit sogar in der Zwischenwertung die Führung übernommen hatte. Doch kaputte Einerwechsel und eine misslungene letzte Piaffe ließen den Traum von „ganz weit vorne“ zerplatzen, Achte (77,143 Prozent). Damit war auch das dänische Team nicht mehr in den Medaillenrängen.

Kein halber Prozentpunkt fehlte Dänemark, um mit den viertplatzierten Briten gleichzuziehen. Und auch Bronze war in der Addition der drei besten Ergebnisse, die in das Teamresultat einfließen, nur 1,5 Prozentpunkte entfernt. Immerhin ist aber der Olympiastart einer Dressurmannschaft der Skandinavier nun sicher.

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Der Ritt von Charlotte Dujardin

Zwei Startplätze hinter Isabell Werth ging Charlotte Dujardin ins Viereck. Ihre erst zehn Jahre junge Hannoveraner Stute Freestyle v. Fidermark hielt sicher. In der ersten Piaffe gab es nach zehn Tritten ein Rhythmusproblem. Auch der Übergang misslang. Im Schritt kam die braune Stute „raus“ (6,9). Nach der Passage (8,4) lag das Briten-Duo noch bei 81,095 Prozent. Zum Vergleich: Isabell Werth hatte zu diesem Zeitpunkt ein Zwischenergebnis von 87 Prozent.

Pauline von Hardenberg

Blut an der Flanke: Charlotte Dujardin (GBR) und Freestyle bei der Europameisterschaft Dressur in Rotterdam 2019 (© Pauline von Hardenberg)

Den starken Galopp ritt Dujardin voll aus (8,6). In der Zickzack-Traversale kam ein fliegender Galoppwechsel einen Sprung zu früh. (5,6). Die Galopptour war insgesamt durchwachsen: hier Bilderbuch-Einwechsel (8,7), da eine riesengroße Pirouette, die zweite dann wieder besser (8,4).

Auf der Mittellinie dann eine ausdrucksstarke Passage (9,0) und ein etwas holperiger Übergang in die letzte Piaffe. Dabei stützte sich die Stute etwas auf die Hand (7,9).

Spätestens zu diesem Zeitpunkt war der Riss auf der linken Flanke, ca. eine Handbreit unterhalb der Schabracke bereits vorhanden. Das zeigen Fotos aus der Prüfung.

Die 81,910 Prozent hätten individuell Platz zwei bedeutet und den Briten die Silbermedaille in der Mannschaft beschert. So wurden Carl Hester, Gareth Hughes (76,351/Zehnter) und Charlotte Fry (74,317/17.) knapp Vierte hinter den Schweden.

Hester zeigte seinen Hawkins Delicato deutlich verbessert zum Vorjahr in Tryon. Vor allem in den Passagen und in vielen Galopplektionen punktete der Hannoveraner Diamond Hit-Sohn. Den Rest besorgte akkurates Reiten von Hester, 78,323 Prozent, Platz sechs.


Plötzlich Vize-Europameister: das Oranje Team

Die Niederländer hatte kaum einer in Sachen Mannschaftsmedaillen auf der Liste. Sie selbst nach mehreren Ausfällen wohl auch nicht. Aber nun gab es Silber. Das entschied sich durch den letzten Ritt des Tages, den von Edward Gal und Zonik.

Leicht verworfen kam der mächtige Hengst ins Viereck. Nach sicherem Halten (8,6) folgten weit kreuzende Trabtraversalen, denen man ein wenig mehr Biegung gewünscht hätte (8,2). Die Piaffen sind nicht in der Qualität anderer Pferde in Gals Karriere. Mal war die Tendenz zum Rückwärtstreten (7,0) und häufiger fußte der Zack-Sohn Piaffe rechts deutlich höher im Hinterbein. Sowohl in der Piaffe als auch in der Passage.

Was Zonik kann, ist starker Schritt (8,0). In der Galopptour gelangen Zweier- (7,7) und Einerwechsel gut. Auch die Zickzack-Traversale (7,7) war gut aufgeteilt. Die Pirouetten waren gut und weniger gut (8,0 und 7,3).

Fazit: 78,758 Prozent und vom britischen Richter Clive Halsall sogar auf Platz zwei gesehen – Gal konnte zufrieden sein: Teamsilber, Einzelwertung Platz vier. 2536 Punkte hatte Zonik, sein Vater Zack hatte 2533 Punkte.

Der von Daniel Bachmann Andersen geritten Rousseau-Sohn erhielt von Clive Halsall (bei F) 76,413 Prozent, Platz elf im Ranking des britischen Jurors. Die Russin Irina Maknami (bei K) hatte ihn in ihrer Wertung an zehnter Position, Susanne Baarup aus Dänemark (bei B) an zweiter Stelle.

Zweitbestes Pferd im niederländischen Team war der Rapphengst Desperado unter Emmelie Scholtens. Auf der Tribüne befanden auch namhafte Trainer, dass Emelie Scholtens Rapphengst „taktmäßig auffällig interessant“ in den ersten beiden Trabverstärkungen gegangen war. Zu Deutsch: Der Hengst schien vorn nicht gleichmäßig zu gehen.

Den letzten der drei im Grand Prix geforderten Trabverstärkungen ritt Emmelie Scholtens mit deutlicher Handeinwirkung und das Pferd mit deutlich hoch eingestelltem Hals. So sah das Gangbild gleichmäßiger aus (7,1). Die höchste Bewertung erhielt das Paar in einer Galopppirouette (8,2). Die letzte Piaffe hatte etwas wenig Tritte.

Insgesamt wurden in dieser Mannschafts-Europameisterschaft vier Pferde disqualifiziert. Neben Freestyle war das Quater Back Junior von dem Luxemburger Nicolas Wagner, bei dem Blut im Maul aufgefallen war, nachdem er sich vor der „Spider-Cam“, der von Seilen gehaltenen Kamera überm Dressurviereck, erschreckt hatte. Lights of Londonderry der Französin Charlotte Chalvignac und Aranco von Isabel Cool (Belgien) waren wegen Lahmheit abgeklingelt worden.

Bronze für Schweden

Für das schwedische Team holte Patrik Kittel die Kohlen aus dem Feuer. Mit Well Done de la Roche blieb er in den Trabverstärkungen, in denen kaum Rückentätigkeit zu erkennen war, unterhalb der Sieben. In den Passagen aber gingen die Noten bis 8,1. Hohe Noten gab es für Galopplektionen wie Pirouetten und Zickzack-Traversale.

78,261 Prozent oder 2520 Punkte – damit gewann Schweden nach Dujardins Disqualifizierung die Team-Bronzemedaille. Richterin Janet Foy aus den USA kennt die Promis in der Dressur. Sie zückte 79,348 Prozent. Damit sah sie Kittel auf Platz drei, vier Ränge vor Dorothee Schneider. Bei Foy war Jessica von Bredow-Werndl Zehnte im Ranking. Insgesamt wurde die vierte deutsche Mannschaftsreiterin Neunte.

Das Gesamtergebnis in der Übersicht finden Sie hier.

Die Mannschaften aus Dänemark, Irland und Portugal haben nun Teamplätze für die Olympischen Spiele in Tokio sicher.

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Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).

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