Mit ihrem ersten Sieg in Aachen haben Jessica von Bredow-Werndl und Dalera die deutsche Mannschaft im Dressur-Nationenpreis in Führung gebracht. Ihr auf den Fersen: Charlotte Dujardin mit einem bemerkenswerten Ritt und Charlotte Fry. Frederic Wandres und Bluetooth stark dabei, Sönke Rothenberger und Fendi mit deutlichen Problemen.
Nach der ersten Wertung, dem Grand Prix im Dressur-Nationenpreis Aachen liegt Deutschland in Führung. Jessica von Bredow-Werndl zeigten eine ihrer besten Grand Prix-Prüfungen und gewannen mit 82,304 Prozent. Eine Note, die die Qualität des Gezeigten nicht wirklich widerspiegelt. Einzig ein zuckender Hinterfuß bei der Grußaufstellung und ein kurz gesprungener fliegender Galoppwechsel bei der Einleitung der Serienwechsel trübten das Bild minimal. Ansonsten eine Dalera mit Saft, Kraft und Freude. Dynamisch im Vorwärts, federnd leicht in den versammelten Lektionen. Nur eines konnte man nicht erkennen: Reiterhilfen…
Daleras erster Sieg in Aachen
„Ich habe sie seit Balve nicht trainiert, sondern nur regeneriert bzw. gymnastiziert“ verriet Jessica von Bredow-Werndl nach dem Ritt. Nur gestern habe sie ein paar Auszüge aus dem Grand Prix geritten, „aber keine Verstärkungen“. Welche Qualität dieser Auftritt im Grand Prix Dressur-Nationenpreis Aachen hatte, zeigte das Rückwärtsrichten. Das soll ja ein Prüfstein der Losgelassenheit sein. Geschlossenes Halten, diagonales Rückwärtstreten, das Genick stabil und immer der höchste Punkt, das sofort sich anschließende Antraben genauso geschmeidig wie dynamisch. Ja, es gibt auch Rückwärtsrichten, an denen man sich nicht sattsehen kann (8,5)!
Es war der erste Sieg von Jessica von Bredow-Werndl und Dalera in Aachen. „Und ich fühle immer noch, dass da Luft nach oben ist“. Oben wird die Luft allerdings bekanntlich dünner. Und zwei Gipfelstürmerinnen meldeten klare Anwartschaften auf „Jessi-Ärgern“ an: die beiden britischen Charlottes (Dujardin und Fry).
Charlotte Dujardin – Sohn schlägt Vater
Bei ihrem ersten Auftritt auf ganz großer Bühne nach der Babypause – Töchterchen Isabella Rose wurde von Vater Dean, dem berühmtesten Heiratsantragssteller der Pferdesportgeschichte, auf der Tribüne gut versorgt – zeigte Charlotte Dujardin im Grand Prix in Aachen, das mit ihr wieder zu rechnen ist. Und wie! Der Everdale-Sohn Imhotep habe sich bei dem eigentlich gar nicht geplanten Start in Windsor, wenige Wochen nach der Geburt schon toll angefühlt. Da habe sie ein bisschen vom Aachen-Start zu träumen begonnen, so die Olympiasiegerin.
Ihr niederländischer Fuchs zeigte sich gereifter im Vergleich zum WM-Auftritt in Herning 2022. Highlights waren die schwingenden Piaffen mit fließenden Übergängen in die Passagen. Vor allem aber das Selbstverständnis, die Harmonie zwischen Pferd und Reiterin. Phasenweise wurde Imhotep geringgradig eng im Hals. Aber anders als bei seinem Vater Everdale und „Lottie“ Fry war Charlotte Dujardin immer bemüht, den Ganaschenwinkel zu öffnen. Sie strich an der kurzen Seite über, Imhotep unterlief kein grober Fehler. Mit 79,782 Prozent lieferte sie das beste Ergebnis der britischen Equipe, die in der Zwischenwertung hinter Deutschland und Dänemark auf Platz drei rangiert.
Imhoteps Besitzer Carl Hester feierte heute in Aachen Geburtstag. „Ich kann ihm nur schenken, dass er stolz auf uns ist“, so Dujardin. Ob das so sei, da müsse man wohl an der Bar fragen, wo das Geburtstagskind wohl am ehesten anzutreffen sei, tippte Dujardin.
Knapp 5 Prozent Unterschied in Richterbewertung
Charlotte Fry und Everdale gingen so, wie man es von dem Paar schon häufig gesehen hat: Eng im Hals, von Anfang bis Ende. Spannung in der Passage vorm starken Schritt löste Fry mit einer beherzten Schenkelhilfe. Die Piaffen waren nahezu alles taktsicher, aber ohne nennenswertes Senken der Kruppe. Ganz harmonisch sah die letzte Passage-Piaffe-Passage-Linie auch nicht aus. 78,913 Prozent waren Platz drei.
Die Ergebnisse für dieses Paar reichten von 76,63 Prozent bis 81,413 Prozent. Letztere von Eduard de Wolff van Westerrode (NED), Verfechter niederländischer Dressurvorstellungen wie sie im Stall van Olst, dem Arbeitgeber von Charlotte Fry, seit Jahrzehnten kultiviert werden.
Übrigens: Besser kann man unterschiedliche Auffassungen von Dressurreiten nicht darstellen, als mit der Art und Weise, wie die anschließend startende Finnin Emma Kanerva sich auf die Prüfung vorbereitete. Als sie in den aufbrandenden Applaus bei der Bekanntgabe des Ergebnisses von Charlotte Fry ums Viereck ritt, variierte sie mehrfach das Trabtempo ihres Greek Air – vor/zurück, um noch einmal die Selbsthaltung zu überprüfen und die Anlehnung zu verfeinern. Hätte sie die Darbietung ihrer Vorreiterin gesehen, hätte sie gewusst, dass diese Kriterien dem Richtergremium augenscheinlich wenig relevant erschienen. 73,348 Prozent, Platz 15.
Dänemark in Zwischenwertung Zweite
Der Dänin Nana Skodborg Merrald mit Zepter war unter Insidern im Vorfeld eine Überraschung zugetraut worden. Die Weltcup-Zweiten von Omaha zeigten eine Runde, bei der die Überschrift „sikkerhed“, Sicherheit, lautete. Ohne größere Programmfehler kamen die beiden durch die Prüfung. Vor der ersten Piaffe gab es einen „Double Beat“, ein gleichzeitiges Fußen der Hinterbeine in der Passage. Nach einer ordentlichen Zick-Zack-Traversale zeigte das Blue Hors-Paar eine Rechtspirouette Marke Lehrvideo: 8,6 – schon für diese Pirouette hätte sich der Eintritt gelohnt an diesem Tag in Aachen beim Dressur Nationenpreis.
77,478 Prozent, Platz vier. Eduard de Wolff van Westerrode lag dabei in der Bewertung der Leistung deutlich unter der Einschätzung seiner Kollegen in den Richterhäuschen.
Frederic Wandres und Bluetooth auf Rang fünf
„Es war ein Gedicht“, fasste Frederic Wandres seinen Ritt mit Bluetooth OLD im Nationenpreis Grand Prix in Aachen zusammen. Treffender kann man es kaum auf den Punkt bringen. Ein Gedicht mit Reimen wie „weich“ und „gleich“ – weil der Oldenburger stets locker war, die Verbindung zum Pferdemaul fein. Ein Vorschlag für zwei Gedichtzeilen: +„Wenn einer so piaffiert, der Richter sich gar nicht geniert, zu greifen zu der Acht, das habt ihr gut gemacht‘!“
oder auch: „Harmonie und Athletik, Reiten ist Ästhetik“
Einzig in den Pirouetten wünschte man sich noch etwas aktiveres Springen im Hinterbein, aber hier sprechen wir von dem Bereich jenseits der Acht. Zwischenfazit nach der ersten Prüfung für den Dressur-Nationenpreis: Was sich spätestens in Balve schon abzeichnete, hat das Paar in Aachen untermauert: Championate können kommen! 77,087 Prozent in diesem Teilnehmerfeld – Chapeau!
Zwei „alte Hasen“ aus Skandinavien, zumindest in Sachen Championatserfahrung ihrer Pferde, folgten auf den Plätzen. Für Dänemark lieferten Carina Cassøe Krüth und die Fürstenball-Tochter Heiline’s Danciera ab (76,80/6.). Bewertungen jenseits von 76 Prozent sind das Salz in der Championatsnominierungs-Suppe der Mannschaftsweltmeister aus Dänemark. Die Schwedin Therese Nilshagen und ein frisch und konzentriert gehender Dante Weltino wurden Siebte (76,152).
Platz acht für Isabell Werth und Quantaz
Deutlich verbessert im Vergleich zur Deutschen Meisterschaft in Balve zeigte sich der DSP-Hengst Quantaz unter Isabell Werth. Was das Paar im Schritt an Punkten liegen ließ, holte es in den Piaffe-Passage-Übergängen und den Serienwechseln wieder heraus (76,022).
Der Däne Andreas Helgstrand ist beim Dressur-Nationenpreis in Aachen vor allem auch, um sich für einen Platz in der dänischen Equipe für die Europameisterschaften in Riesenbeck zu empfehlen. Mit dem ehemaligen Jungpferdeweltmeister Jovian hat er sich mittlerweile deutlich besser zusammengefunden. Nur die Piaffen des großen Braunen sind noch weit weg von dem Grundprinzip dieser Lektion, nämlich Lastaufnahme durch Hankenbeugung. Stattdessen stützt sich Jovian auf die Vorderbeine, das immerhin gleichmäßig, was ihm immer noch Noten um 6,5 einbrachte. Imposant sind die Trabverstärkungen des Hengstes, dem die Reiterhand heute auch eine deutliche Rahmenerweiterung in dieser Lektion gestattete (74,326/9.).
Nicht der Tag von Fendi
Das Aachen-Debüt von Fendi hatte sich Sönke Rothenberger sicherlich anders vorgestellt. Oder so, wie die Prüfung begann: 84 Prozent für die ersten zwei Lektionen, Achten für die Traversalen. Die erste Piaffe gelang zunächst noch rhythmisch, doch der Franklin-Sohn wollte einfach zu viel. Auf kleinstem Raum piaffierend kam es zu Balanceproblemen. Der Übergang in die Passage misslang, Fendi galoppiert einmal kurz an. Das war derr erste von mehreren Fehlern. Ein Angaloppieren in der Passage und eine „unrunde“ zweite Piaffe sowie kleinere Fehler in der Galopptour ließen die Noten in den Keller purzeln. Während in der Linkspirouette das nicht in Frage zu stellende Talent des Neunjährigen deutlich erkennbar war, kam es vor der Rechtspirouette zu einer Störung (5,8). 69,891 Prozent, Rang 26 – ein „Tag mit x“, das war nix.
Rothenberger: den Tag „abschütteln“
Sönke Rothenberger analysierte schnell nach dem anfänglichen Frust: „Natürlich ‘ne große Enttäuschung, vor allem für mich halt. Weil man das Gefühl hat, die Teammitglieder und die Zuschauer enttäuscht zu haben. Das gilt es jetzt abzuschütteln.“ Fendi sei zwar nicht ängstlich, aber die Atmosphäre beim Dressur Nationenpreis in Aachen ging nicht spurlos an dem Wallach vorbei. „Beim Reinreiten habe ich direkt gemerkt, dass er sehr nervös war, innerlich. Ich habe es einfach nicht geschafft, ihn so reiten zu dürfen, dass ich ihm helfen kann, ihm Vertrauen geben kann“.
Rothenbergers Devise: Morgen im Prüfungsviereck noch mal trainieren, „und den heutigen Tag abschütteln“. Jessica von Bredow-Werndl springt ihm bei, „ein junges Pferd, das kann passieren, aber das wird gut“.
Hinter Rothenberger rangierte die Britin Annabella Pidgley, 18, mit dem Westfalen Vamos Amigos, der im letzten Jahr noch der große Sieger der Aachener Prüfungen war. Damals hatte die Dänin Cathrine Dufour den Vitalis-Sohn noch geritten. Mit kleineren Fehlern aber auch guten, lockeren Momenten kam das Paar auf über 69 Prozent.
Die Ergebnisse der ersten Wertungsprüfung des Dressur-Nationenpreis findet man hier.
Wie geht‘s weiter?
Der Dressur-Nationenpreis in Aachen besteht aus zwei Prüfungen, dem Grand Prix und dem Grand Prix Special am Samstag (Start: 8.15 Uhr). Die 15 besten Paare aus dem Grand Prix Special qualifizieren sich für die Kür am Sonntag (10.00 Uhr). Wobei dort nur die drei besten Kombinationen einer Nation aus dem Grand Prix Special an den Start gehen dürfen.
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