EM Fazit: Jessica von Bredow-Werndl und Dalera Kür-Europameister vor Fry und Dujardin

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Kür-Europameisterin Jessica von Bredow-Werndl, Dalera und Pflegerin ”Franzi“ – Golden Girls of Riesenbeck (© von Korff)

Kür-Europameister 2023 sind Jessica von Bredow-Werndl und Dalera. In einem an Spannung und Hochklassigkeit bislang unerreichten Finale konnten die Olympiasieger die amtierende Weltmeisterin Charlotte Fry auf Platz zwei verweisen. Deren Glamourdale zeigte sich heute wie ausgewechselt. Bronze ging an Charlotte Dujardin und den erst zehnjährigen Imhotep. Kommentierende Gedanken von St.GEORG Chefredakteur Jan Tönjes.

Die Entscheidung, wer als Kür-Europameister der Dressur Riesenbeck verlassen würde, fiel mit den letzten vier Ritten. Zu dem Zeitpunkt hatte es schon sieben Ritte über 80 Prozent gegeben. Am Ende sollten es in Summe zwölf sein, davon drei oberhalb nicht nur der magischen 90-, sondern der 91-Prozent-Grenze.

Die EM-Kürritte in Einzelkommentaren

Dabei waren die Richterinnen und Richter keineswegs mit den manchmal bei Championaten zum Outfit zählenden Spendierhosen ausgestattet. Das monierte manch ein Athlet nach den Ritten. Aber die Tendenz ist genau die richtige. Was „ziemlich gut“ ist eine Sieben, „Gutes“ eine Acht und „sehr Gutes“ eben eine Neun. Und wenn es dann derartige Leistungen gibt wie in Riesenbeck, in der Kür, aber auch an anderen Tagen – dann ist die Zehn das, was sie sein soll: Eine Auszeichnung nicht für gutes Reiten (respektive Ausführen einer Lektion), auch nicht für sehr gute, sondern für herausragende Leistungen. „Endgeil“, pardon, fiele mir spontan für einige der gezeigten Leistungen als erstes ein, nicht nur für Kür Europameister Jessica von Bredow-Werndl und Dalera. Alle Medaillengewinnerinnen über 91 Prozent, das ist historisch. Und das ist gut, denn diese Qualitätsdichte hat es auf dem Podium wohl noch nie gegeben.

So viel mehr als nur das Podium

Richter beurteilen das, was im Viereck passiert. Die Öffentlichkeit und diverse gute Initiativen beäugen mittlerweile auch das Tun auf dem Abreiteplatz. Kommunikation statt Konfrontation. Unterm Strich kommt dann so etwas heraus, wie die Europameisterschaften von Riesenbeck. Es gab viele sportliche Highlights. Einzelne Lektionen, Musikprogramme, Überraschungen (wie die Französin Pauline Basquin).

Doch es gibt noch etwas, etwas, das Richter nicht, bzw. nur indirekt bewerten (können): Entwicklungen: Die 16-jährige Dalera, die nach dem Schlussgruß fröhlich buckelt und 2023 ausdrucksstärker in den Verstärkungen trabt denn je und im Schritt stark verbessert war. Imhotep, der Youngster mit der 24/7-Weidehaltung, der sich im Vergleich zur WM in Herning um gleich einige Quantensprünge verbessert zeigte. Und das trotz Babypause der Reiterin. Oder der mächtige Glamourdale, der am letzten Tag sein Potenzial voll ausschöpfte, und wie.

Auch jenseits des Podiums sah man viele Entwicklungen. Isabell Werths Quantaz ging die Kür seines Lebens. Eine Meisterleistung von Isabell Werth, die sich schon beim Weltcup-Finale in Omaha angedeutet hat. Dosiert eingesetzt, hat der Quaterback-Sohn hier alles gezeigt, was er leisten kann. „Personal Best“, also Bestergebnisse gab es viele. Quantaz gehörte dazu. Der 16-jährige Dante Weltino ging wie „Glöckchen“ und das bei seinem wer-weiß-wievielten Championatsauftritt unter der Schwedin Therese Nilshagen, die da beste Ergebnis für ihre Nation erzielte.

Nicht zu vergessen: Die Dänin Nanna Skodborg Merrald, die mit Zepter heute knapp an den Medaillen vorbeirutschte und die man für Paris, denn dorthin gehen schon jetzt die Blicke, auf der Liste haben muss. Nicht nur mit der Silbermedaille im Grand Prix Special hat sie das unter Beweis gestellt.

Immer weiter nach oben

Und dann ist da noch Bluetooth. Die Entwicklung des Wallachs in einem Kurvendiagramm abzutragen, würde eine steile Kurve gen unendlich aufzeigen. Immer in guter Silhouette. Längst noch nicht am Leistungszenit angekommen, und immer den Maximen der klassischen Reiterei entsprechend. Dass das Missgeschick in der Kür heute dann das Endergebnis auf 84,56 Prozent „drückte“, mag Frederic Wandres ärgern. Aber wenn er auf seine Ritte zurückblickt, dann wird auch er schnell feststellen, wo er mittlerweile angekommen ist in der Dressurwelt. Ziemlich weit oben, und das bei besagter, steiler Kurve.

EM Fazit

Es gab in dieser Kür wenig überfordert wirkende Pferde und kaum solche, die mit leerem Blick ihr Programm abspulten. Nicht überall hat sich herumgesprochen, dass weniger mehr ist. Nicht alle kennen das Glücksgefühl, das ein Pferd in Selbsthaltung vermittelt. Aber verdammt viele. Und die werden immer mehr. Endlich! Die Zuschauer in Riesenbeck hatten das Glück, wenige Pferde zu erleben, für die diese, vielleicht wichtigste Forderung an ein ausgebildetes Dressurpferd, nicht im Ausbildungskonzept eine zentrale Rolle gespielt hat.

Die Kür Dressur-Europameisterschaft ist Geschichte und hat Geschichte geschrieben. Das nächste große Ding: Paris 2024. In 329 Tagen wird mit dem Schloss Versailles im (wenn auch entfernteren) Hintergrund die olympische Kür-Entscheidung anstehen. Und jetzt alle: „I love Paris …“ – damit ein fröhliches „Padam, Padam“.

Endergebnis EM Dressur Kür 2023.

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Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).

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  1. berndride

    Stimmt, eine super Veranstaltung, aber ich möchte doch mal auf einen Mißstand hinweisen, den man hier, wie leider in fast allen Reitsportveranstaltungen beobachten kann: Viel zuwenig Toiletten für Frauen! Die Wartezeiten vor den Toiletten waren zeitweise über 20 Minuten. Das ist unakzeptabel. Es müsste auch den Organisatoren klar sein, dass auf Reitsportveranstaltungen deutlich mehr Frauen als Männer kommen. Die üblichen Schlüssel für Toiletten bei einer gewissen Anzahl Zuschauer sind nicht mit normalen Events zu vergleichen. Es kann doch nicht zuviel verlangt sein, mal nachzurechen und genügen Toiletten aufzustellen.

  2. Sabine Brandt

    … da wartet man eigentlich noch auf einen Blog von Frau Pochhammer zu der vermutlich schönsten EM für alle Beteiligten?

    Reitsportlichen Championaten gehe ich seit Jahren aus dem Weg, weil es nur noch zweitrangig ums Pferd geht und die FEI selten ein gelungener Gastgeber ist. Namen und Pomp stehen im Vordergrund, infrastrukturell ist es idR ein Desaster.

    Der ungeliebte Dachverband rückte auf dieser EM wenig wahrnehmbar in den Hintergrund. Stattdessen leuchtete es unter den Bäumen mitunter dezent LB-weiss-grün.

    Riesenbeck war wohltuend anders.
    Egal von welchem Parklplatz, man war zu Fuss in 5 Minuten „mitten drin“. Aufwändig lästiger P&R überflüssig. Alles dicht beieinander und dennoch Platz genug. Aus Pferdesicht schon der Stallungen wegen vermutlich das Beste, was es gibt. Nicht nur bei 30° Hitze.

    Entspanntes Bummeln in naturgewachsener Athmosphäre – im wahrsten Sinne des Wortes.
    Uriger Baumbestand ist nunmal durch nichts zu ersetzen. Gerade bei 30° Hitze.

    Die heimische Journaille kritisierte zurecht die fehlenden Züchter in den Listen – am nächsten Tag war das Problem aus der Welt.

    Ich bin sicher, auch die beiden anderen problematischen „Ws“ lassen sich noch lösen:
    WLan und WC-Wagen. Hätte die heimische Journaille sich auch dem beizeiten angenommen, wer weiss, was die Organisatoren aus dem Ärmel gezaubert hätten?

    Riesenbeck als Organisator stellt die FEI nicht nur tief in den Schatten seiner ehrfürchtigen Bäume, es scheint die ungeliebte Organsiation auch überflüssig machen zu können. Ein Championat von Reitern für Reiter.

    Bodenständig.
    Authentisch.
    Volksnah.

    Wäre das nicht schön, wenn sowas Schule macht und auch reitsportliche Championate wieder einladend gerieten?

    Und zwar genau dort, wo sie hingehören:

    auf’s Land, beim Züchter und Reiter, und nicht in die ungastlichen Metropolen dieser Welt, in denen das Pferd zum Fremdkörper gerät, die FEI allein die Haute Volée hofiert und das schlechte Image des Reitsports nachhaltig zum Reichensport befördert wird.

  3. Helmold Baron von Plessen

    Bei aller berechtigter Begeisterung fuer die hohe Reitkunst der hochverdienten Medaillentraegerinnen, sei eine Bitte zum protokollarischen Vehalten der Protagonistinnen anlaesslich der „Award Ceremony“gestattet. Man sagt Reiersleuten ja hin und wieder nach, dass sie schnell zur Flasche greifen. Trotzdem sollte man sich mit der aus dem Motorsport entliehenen, inzwischen auch im Turniersport, ueblichen „Champus Dusche“ solange Zurueckhaltung auferlegen, bis die Nationalhymne verklungen ist. Dies verlangt der Respekt. Vielleicht stellt man die „Roederer Cristalls“ in Zukunft nicht schon vorher auf’s Siegerpodest, um die Damen in Versuchung zu fuehren.


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