Die Musik dramatisch, der schwarze Hengst imposant: Die Niederländerin Emmelie Scholtens hat mit Indian Rock die Weltcup-Kür in Neumünster gewonnen. Auf den Plätzen folgten der Schwede Patrik Kittel und Matthias Alexander Rath. Mit persönlichem Bestergebnis landete Bianca Aulenbrock-Nowag auf Rang vier.
Tiefe Bläser und Schlagzeug, das den Takt herausarbeitet, dazu auch Streicher – musikalisch großes Kino in der Weltcup-Kür in Neumünster. Die Niederländerin Emmelie Scholtens hat mit ihrem Rapphengst die Bandbreite des Orchesters ausgeschöpft. Der Apache-Sohn ging nicht ganz so locker wie im gestrigen Grand Prix, fühlte sich aber noch besser an, so die Reiterin. Was sicherlich auch der schnellen Abfolge der Schwierigkeiten in der Kür geschuldet ist, die den gesamten Raum des Dressurvierecks gut nutzte. Was – noch – besser hätte ausgeführt werden können, waren die Traversalen in Passage und Galopp. Da wünschte man sich noch deutlicher herausgearbeitete Längsbiegung.
Während der Rapphengst in der Piaffe noch lebhafter im Hinterbein hätte abfußen dürfen, bewies er in der Piaffe-Pirouette, wie gut er es kann. Trotz seiner Bereitschaft, viel Last im Hinterbein aufzunehmen. In der Piaffe-Pirouette fußte er schnell und kraftvoll und im Takt im Hinterbein. In den Serienwechseln fehlt noch die letzte Geschmeidigkeit und der Zug nach vorn, mit noch besserem Arbeiten über die Oberlinie dürften die fliegenden Galoppwechsel des Elfjährigen dann über noch mehr Boden ausgeführt werden können.
Indian Rock – der Formel Eins-Rennwagen
Scholtens Ritt war Kürreiten auf den Punkt, immer präzise zur Musik. Die Musik stammt aus der Formel Eins. „Er ist ja wie ein Rennwaagen. Heute war ich wirklich ,in‘ der Musik. Heute passte es wirklich perfekt.“
81,565 bedeuteten den Sieg in der Weltcup-Kür in Neumünster. Ob sie ins Saudi-Arabische Riad zum Weltcup-Finale fährt, weiß sie noch nicht. „Erst mal habe ich jetzt die Weltcup-Station in ‘s-Hertogenbosch vor mir“. Dass der Rappe mittlerweile in einem etwas anderen Rahmen geht, sei Ziel ihres Trainings, so die 38-Jährige. „Indian Rock ist ein Pferd, bei dem das Gleichgewicht das und O ist. Zuhause geht’s perfekt, natürlich“, lacht die Siegerin. „Aber auf den Turnieren muss ich ein bisschen mehr versuchen. Vielleicht reite ich ein paar mehr Turniere. Ich versuche jedes Mal, ein bisschen mehrt das Gefühl zu bekommen, das er mir zuhause gibt.“
Dreimal über 80 Prozent in der Weltcup-Kür in Neumünsters
Knapp hinter der Niederländerin landete der Schwede Patrik Kittel. Die Hannoveraner Stute Forever Young ging zu einem Medley von Stevie Wonder-Melodien, von „Isn’t she lovely“ für die Trabtour bis zu „Superstition“ im Galopp. Der Schwede ist Kürprofi, brachte die Lektionen in hundertprozentiger Übereinstimmung zu den Klängen der Pop-Ikone. Nur den klaren Viertakt im Schritt vermisste man. Im Galopp 15 Einerwechsel auf klar gebogener Linie. Alles lief nach Plan. Ein „Pilotenfehler“ hätte die Leistung etwas geschmälert, so der Schwede. Nun hat er drei Pferde qualifiziert, neben Forever Young auch Touchdown und Bonamour. Ihn wird er in ‘s-Hertogenbosch reiten. Welches Pferd er in den Wüstenstaat fliegen lassen wird, möchte er später entscheiden, gemeinsam mit der schwedischen Föderation. Er führt derzeit die Westeuropaliga an.
Matthias Rath auf Platz drei in Weltcup-Kür in Neumünster
Filmmusik, unter anderem aus Steven Spielberg-Blogbustern, begleiteten die Weltcup-Kür in Neumünster von Matthias Alexander Rath und Destacado. Der Desperados-Sohn kam im Schritt in die Arena. Er stand wie ein Baum beim Gruß. Dann ging es los! Der Fuchshengst arbeitete gut über den Rücken, was sich nicht zuletzt im überragenden starken Schritt von B nach V zeigte. Wobei es nicht überraschend ist, wenn der Hannoveraner diesen Schritt zeigt. Diese Gangart ist seine Visitenkarte, schon seitdem er den Titel beim Bundeschampionat gewonnen hat. Flüssiger als im Grand Prix gelangen die Piaffe-Passage-Touren, wobei die Piaffe eine der schwachen Lektionen des Fuchses bleibt. Die Serienwechsel sprang der der Hannoveraner auf leicht gebogener Linie, aber deutlich schwankend.
Auch Rath ritt präzise zur Musik und kam in einer erhabenen Passage-Traversale zum Abschluss. Rath, der während des Turniers wegen Bilder vom Training seines Championatspferdes Thiago in den Sozialen Medien für Diskussionsstoff gesorgt hatte, war zufrieden mit seinem Ritt. „Destacado war mehr vor den Hilfen, heute vor allem besser in Piaffe und Passage“. Beiden gelang der dritte Ritte oberhalb der 80-Prozent-Marke. Die 80,425 Prozent geben ihm so viele Punkte im Ranking, dass der gebürtige Schleswig-Holsteiner als Zweiter der Westeuropaliga sein zweites Weltcup-Finale nun fest einplanen kann.
Mit persönlichem Bestergebnis, 79,225 Prozent, landete Bianca Nowag-Aulenbrock mit Florine auf Rang vier. Die Trab-Traversalen zählten zu den Highlights der Kür zu diversen Musikstücken von Sister Act bis Harry Potter. In den Piaffen schwingt die Foundation-Tochter wenig. Aber die Fächerpiaffe vorm Schlussgruß gelang lebhafter. Wie viele andere im Starterfeld zeigte auch die Westfälin im Galoppprogramm den Übergang von Zweier- direkt in Einerwechsel. Das ist momentan en vogue, hatte man den Eindruck. Viele Küren setzten auf diese anspruchsvolle Lektionsabfolge.
Netz in Richtung Saudi-Arabien
Raphael Netz und Great Escape Camelot erwischten heute nicht ihren besten Tag. Der Johnson-Sohn kam in der Galopptour nicht in der Art und Weise zum Punktesammeln wie auf vorherigen Weltcup-Stationen. Die Anlehnung war zwar leicht, die ruhige Hand und der tiefe Sitz des 24-Jährigen sind ja einige seiner Alleinstellungsmerkmale, dennoch öffnete der 13-jährige Wallach immer wieder das Maul. Wobei das Genick dabei dennoch recht stabil blieb. Nach 78,04 Prozent, Platz fünf, hat Netz nun 54 Punkte auf seinem Weltcup-Konto. Das ist aktuell Rang sieben im Ranking der Westeuropaliga. Er ist damit der drittbeste Deutsche. Pro Nation sind drei Reiter/Pferd-Kombinationen im Weltcup startberechtigt. Isabell Werth ist mit 57 Punkten Vierte.
Die Belgierin Larissa Pauluis, gestern noch Zweite mit Flambeau im Grand Prix, war heute nicht ganz in Übereinstimmung mit ihrem Ampere-Sohn. Bei ihrem Ritt herrschte die Kandare deutlich vor. Zu wenig geschmeidigen Übergängen gesellten sich Fehler in den fliegenden Galoppwechseln. Zum Schluss gelang der Benelux-Kombination eine gute Piaffe-Pirouette. 77,435 Prozent waren Rang sechs. Im Weltcup-Ranking ist sie als beste Belgierin nun Elfte.
Eine Premiere feierte Ingrid Klimke bei der Weltcup-Kür in Neumünster. Mit der Fürstenball-Tochter First Class ritt sie erstmals eine Kür . Und das zu Melodien großer Frauenstimmen – Carly Simons „You‘re so vain“ und unter anderem Whitney Houston begleiteten die Reitmeisterin. Klimke zeigte, was gutes Kürreiten ausmacht: Rittigkeit nutzen, um schwere Lektionsabfolgen harmonisch darzustellen. Passage-Traversalen, die von einer Piaffe unterbrochen waren oder 23 Einerwechsel auf gebogener Linie waren nur einige Beispiele bei diesem Kür-Debüt. Und das beim erst dritten internationalen Start der charmanten Stute, das die beiden auf Rang acht mit 76,665 Prozent abschlossen.
Ergebnisse der Weltcup-Kür in Neumünster finden Sie hier.
Morgens waren neun Paare im nationalen Grand Prix Special an den Start gegangen. In der Prüfung setzte sich Fabienne Müller-Lütkemeier mit Valencia AS an die Spitze. Fehler in den Serienwechseln trübten das Protokoll etwas. Mit 73,235 Prozent rangierte die Paderbornerin knapp vor Ingrid Klimke und Freudentänzer, denen unter anderem ein Taktfehler im starkem Trab unterlief. 1,5 Punkte trennten die beiden Top-Reiterinnen voneinander (73,176). Platz drei ging an Juliane Brunkhorst und Fürst Enno (72,176).
Hier stehen die Ergebnisse des nationalen Grand Prix Specials in Neumünster 2024
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