Jessica von Bredow-Werndl und Dalera Deutsche Meister Kür 2024, kein Start in Aachen

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BALVE – LONGINES Balve Optimum 2024

Siebter Deutscher Meistertitel für Jessica von Bredow-Werndl und Dalera – Kürgold bei der DM Balve 2024. (© sportfotos-lafrentz.de)

Deutsche Meister Kür 2024 sind Jessica von Bredow-Werndl und Dalera. Sie setzten sich mit knapp 90 Prozent vor Frederic Wandres und Duke of Britain. Überraschend gewannen Sönke Rothenberger und Fendi Bronze. Die DM Kür war ein sportliches Highlight mit vielen Höhepunkten und Spannung. Positiver wie negativer.

Jessica von Bredow-Werndls Stimme wird erst brüchig, dann versagt sie in der Pressekonferenz nach dem Gewinn ihres siebten Deutschen Meistertitels. „Das ist das beste Gefühl meines Lebens, das ich hier hatte“, sagt sie in einer ersten Bilanz zum Titel Deutsche Meister Kür 2024. „Sie gibt immer alles“, presst sie heraus. Die Tränen lassen die Augen schwimmen. „Und immer noch mehr“. Dann wird bekannt gegeben: Jessica von Bredow-Werndl und Dalera sind für die Olympischen Spiele gesetzt, müssen nicht nach Aachen. Die absolut richtige Entscheidung, findet die Reiterin, „für Dalera perfekt“. Dass sie sich damit die Chance nimmt, noch einmal auf der berühmten Siegertafel zu stehen, weiß sie – „und wer weiß, ob mir das noch einmal gelingen kann“. Aber es geht nicht ums Ego. Es geht um Dalera. Und wenn Jessica von Bredow-Werndl das sagt, dann glaubt man ihr das. Die Spekulation, ob Paris der letzte Start der Trakehner Stute werden wird, will sie nicht vorantreiben. „Das bespreche ich in Paris – mit Dalera“. Jetzt erstmal Zufriedenheit: „Deutsche Meister Kür 2024“ – das kann der Anfang sein für mehr in diesem Jahr.

Die Goldkür von Jessica von Bredow-Werndl und Dalera

Die Olympiasiegerin hat ihre Kür, mit der sie u.a. den Weltcup und die EM 2023 gewonnen hat, etwas umgestellt. Musikalisch bleibt es bei den Motiven mit Frankreich- und Paris-Bezug. Aber die Choreographie des ersten Drittels hat sie an die Abfolge aus der „La La Land-Kür“, der Kür, mit der sie Olympiasiegerin wurde, angelehnt. Das tut der Kür gut. Es passiert – noch – mehr. Durchgeritten ist sie das Programm vorher nicht, aber gestern mehrfach zu Fuß durchgegangen.

Lektionen im Kurz-Telegramm

Passage zum Auftakt und gleich eine Piaffe-Pirouette mit 180 Grad-Richtungswechsel, daraus marschiert Dalera im starken Trab zu „Ganz Paris träumt von der Liebe“ über die Diagonale Richtung K. Es folgen Trabtraversalen nach links und rechts. Dann: Passage, „Non, je ne regrette rien“ erklingt das erste Mal. Noch nicht gesungen, nur instrumental. Nach einer weiteren Piaffe-Pirouette und erneutem starken Trab über die Diagonale nach H dann Übergang zum Schritt, direkt vor den Richtern an der kurzen Seite. Als Edith Piaf „La vie en rose“ zu singen beginnt, biegt Queen Dalera nach links auf Höhe von E nach links ab, nun im versammelten Schritt, klar im Takt. „Padam, padam“  kündigt den Galopp an. Starker Galopp über die Diagonale, doppelte Pirouette, anschließend neun Zweierwechsel auf gebogener Linie.

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Nass, aber glücklich: Jessica von Bredow-Werndl, Deutsche Meister Kür 2024 (© sportfotos-lafrentz.de)

Dann wieder „Padam, padam“ – Gang rein, Gas und erneut am Ende der Linie eine doppelte Pirouette diesmal nach links. Daraus 19 Einerwechsel. Galopptraversale nach rechts, sehr kontrolliert, und nach einem fliegenden Wechsel daraus starker Galopp. Passage- Traversalen zum Auftakt des letzten Drittels und dann das typische Dalera-Moment: fFedernde Piaffen, fließende Übergänge zu ausdruckstarken Passagen, eine Fächerpirouette und der Gruß.

Die Noten liegen zwischen 88,125 bis 91,25. Sie addieren sich auf 89,6 Prozent. Das ist der Sieg und der siebte Deutsche Meistertitel für Jessica von Bredow-Werndl und Dalera. Chefrichterin Katrina Wüst sagt, „so gut habe ich Dalera noch nie gesehen“. Und sie war Richterin in Tokio beim Olympiasieg des Paares 2021.

Frederic Wandres und Duke of Britain gewinnen Silber

„High Energy“, „Shout to the top“ sowie „West End Girls“ – den Achtziger Jahren, als Frederic Wandres noch in Planung war, verdankt Duke of Britain einige der Sonbgs im ersten Drittel der bewährten Kür. Bluetooth, mit dem Wandres die Silbermedaille im Grand Prix Special gewonnen hatte, hat Pause. Der Hannoveraner Fuchs Duke of Britain, 17 Jahre alt, Vierter im Grand Prix Special, ist das Kürpferd. Er geht zu den Klassikern aus den 1980ern Traversalen im Trab und in der Passage und piaffiert. Klassisch, gesetzt und gut.

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Frederic Wandres und Duke of Britain gewann die Silbermedaille in der DM Kür 2024 in Balve (© sportfotos-lafrentz.de)

Ganz entspannter ist der starke Schritt von F über die Diagonale (dazu trällert eine Frauenstimme „Power of Love“). Die beiden Routiniers kennen sich und diese Kür in- und auswendig. Harmonie in jedem Moment. „What is love“ von Nik Kershaw zu Serienwechseln und Pirouetten. Der 17-Jährige gibt alles für seinen Freddie. Er hat auch noch die Energie für eine dynamische Piaffe-Pirouette kurz vor Schluss des Programms. Für lange Sekunden beugt sich Frederic Wandres nach dem Schlussgruß über den Hals des Hannoveraners – was er ihm ins Ohr geflüstert hat? Das Wort „danke“ war ganz sicher dabei.

Beim Applaus springt Duke of Britain dann einmal über die Begrenzung zum VIP-Bereich. Da kommt Frederic Wandres etwas in Wohnungsnot. Passiert ist dem Dimaggio-Sohn dabei nichts, versichert der Reiter anschließend. 83,45 Prozent bedeuten die zweite Silbermedaille in Balve für Wandres.

Fendi – wie Phönix aus der Asche

Ein Comeback feierte Fendi mit Sönke Rothenberger. Nach einem verkorksten Grand Prix hatte das Paar im Grand Prix Special im Verlauf der Prüfung wieder mehr zueinander gefunden. Sönke Rothenberger sagt, er habe sich im Kopf sortieren müssen, wollte das gewohnte Gefühl wieder bekommen. In der Kür von Balve ist ihm ein großer Schritt in diese Richtung gelungen.

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Sönke Rothenberger und Fendi gewannen überraschend Bronze in der Kür bei der DM Balve 2024 (© sportfotos-lafrentz.de)

Das Paar zeigte die technisch anspruchsvolle Cosmo-Kür. Passage und Piaffe machen den Auftakt, die Piaffe gelingt besser als in den Vorprüfungen. Pianomusik zu Passage-Traversalen. Aus der Piaffe bei M in die Trabtraversale nach rechts. In einer Piaffe-Pirouette ein leichter Taktverlust, das ist ein kleiner Schnitzer, ein wirklich unbedeutender. Entspannter Schritt aus der Trabtraversale, klar und geregelt, wenn auch nicht nach Neunen schreiend. In der Galopptour 17 Einerwechsel, gute Pirouetten. Dann noch der punktebringende Übergang von Zweier- in Einerwechsel auf der Diagonalen zum Abschluss. 81,125 Prozent – Bronze, eine Medaille, die Sönke nach dem Auftakt am Donnerstag nicht wirklich eingepreist hatte.

Ingrid Klimke und Franziskus – ausgerechnet in der Paradelektion klappt es nicht

Nach zwei Top-Prüfungen und der Bronzemedaille im Grand Prix Special brachte Ingrid Klimke den Fidertanz-Sohn Franziskus passend zu den sommerlichen Temperaturen in Balve zu mediterranen Popklängen zum Tanzen. Traversalen in Trab und Passage und immer wieder starker Trab. Dazu schallt „La Cintura“ durch das Tal am Schloss Wocklum in Balve. –Alvaro Soler besingt die schwingende Hüfte – dazu eine gut gesetzte Piaffe.

Das Angaloppieren ist nicht ganz flüssig. Die doppelte Pirouette – zu „Despacito“ – gelingt aber gleich wieder gut vor den Richtern. In den Einerwechseln, eigentlich immer einer der Höhepunkte der Kür – gefühlt sind es geplant fast 30 –, setzt Franz dann einmal aus. Auch auf der Jokerlinie, einer Mittellinie zwischen zwei doppelten Pirouetten springt der Hengst später die „Einer“ nicht fehlerfrei.

Fazit: Schönes Reiten, leider mit ein paar Fehlern, ein paar zu viel in diesem hochkarätigen Feld, um noch eine Medaille zu gewinnen. Aber 80,75 Prozent, Platz vier, und der blendende Eindruck aus den ersten beiden Prüfungen überwiegen in der Rückschau.

Isabell Werth, Quantaz und die Serienwechsel

Bonnie Tyler-Melodien dazu eines der anspruchsvollsten Kürprogramme, die es weltweit zu sehen gibt: Showtime für Isabell Werth und Quantaz. Exakter Einsatz der Trabtraversale zum Musikwechsel, Kürreiten in Perfektion. Der starke Schritt auf der hinteren Zirkellinie gelingt recht gleichmäßig. Dann meldet sich schon musikalisch ­– „Turn around“ – das choreographische Highlight der Kür an: Die aus der Piaffe-Pirouette entwickelte Galopppirouette mit anschließenden Traversalen. Musik: „Straight from the heart“ – nach einer Pirouette folgen Zweierwechsel, die nicht fehlerfrei gelingen. Auch die Einerwechsel funktionieren nicht wie gewünscht. Die Linie geht in Richtung untere kurze Seite, dort hatten Quantaz und Katharina Hemmers Denoix Probleme in den Tagen von Balve. Auf dem zweiten Teil der vorgesehenen Linie findet das Paar zwar zum Rhythmus, kann aber den Patzer nicht mehr auf einer Jokerlinie auswetzen, weil es musikalisch wieder zum Trab bzw. Passagen und Piaffen kommt. Mit 79,85 Prozent wird es Platz fünf.

Matthias Rath und Destacado – aufsteigende Form

Matthias Rath zeigt den Fuchshengst Destacado zu Melodien aus Steven Spielberg-Filmen- Der Fuchs geht geschmeidig, in den Piaffen tritt er weniger breit. Fehler in den Zweierwechseln sind teuer, dafür zeigt das Schafhof-Duo viele – sehr viele! – Einerwechsel, die auf am Ende gebogener Linie gut gelingen. 79,275 Prozent bedeuten Platz sechs.

Raphael Netz und Great Escape Camelot

Der seit kurzem selbstständige Raphael Netz weiß die Stärken seines Niederländers geschickt in Szene zu setzen. Und diese Stärken haben einen Namen: Passagen. In dieser Lektion fühlt sich der drahtige Johnson-Sohn wohl. Die Grundgaloppade des Braunen, der nahezu alle Lektionen sicher zeigt, steht aber extrem hohen Bewertungen in allem, was im Galopp gefordert ist, im Weg. Am Ende sind es für die beiden 78,35 Prozent und Platz sieben.

Katharina Hemmer und Denoix

Wenn es Pechvögel in der DM-Kür 2024 gab, dann diese beiden. Aus dem Halten anzupiaffieren, ist besonders schwierig. Dass Denoix es beherrscht, möchte er der Welt zeigen. Darunter leidet die Unbeweglichkeit beim Auftaktgruß. Weit kreuzende und geschmeidige Trabtraversalen im Wechsel mit Passagen zu Beginn. Dann das erste Highlight: eine Piaffe-Pirouette aus der heraus die Chefbereiterin im Stall von Reitmeister Hubertus Schmidt nach rechts in der Passage traversiert.

Beim Angaloppieren, an der kurzen Seite bei A, an der Denoix schon im Grand Prix Special sich unwohl fühlte, kommt es wieder zu Spannungen, auch im weiteren Verlauf der Kür. Nach einem Auftakt der besten Sorte, Chefrichterin Katrina Wüst, „ich habe eine Neun nach der anderen rausgehauen“, verderben diese Spannungen im unteren Bereich des Vierecks das, was in der Luft lag. Eine mögliche Sensation. Katharina Hemmer schafft es zwar, die Lektionen auch in Übereinstimmung mit der Musik noch dort zu zeigen, wo es ihre Choreografie vorsieht. Aber die letzte Harmonie ist einfach nicht gegeben. Gehorsam lässt sich der Fuchs immerhin, trotz seiner Furcht, in die Region reiten.

Dabei schafft Katahrina Hemmer es dennoch Höhepunkte zu zeigen, etwa den Übergang aus Zweier- in Einerwechsel. Oder einen Übergang aus dem starken Trab in eine Piaffe Pirouette und eine ausdrucksstarke Passage zum Abschluss. 78 Prozent, Platz acht. Richterin Katrina Wüst ist sich sicher: Die beiden können ein Championatspaar werden.

Ergebnisse Deutsche Meister Kür 2024 in Balve

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Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).