Knapper Grand Prix Special-Sieg in Aachen trotz Patzern für Jessica von Bredow-Werndl und Dalera

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Wieder die 80 Prozent-Marke geknackt: Jessica von Bredow-Werndl und Dalera. (© von Korff)

Trotz eines Fehlers und einer schwachen ersten Piaffe und fehlerhaften Einerwechseln hat Jessica von Bredow-Werndl mit Dalera den Grand Prix Special in Aachen gewonnen. Es war eine hauchdünne Entscheidung, in der auch die Britin Charlotte Dujardin heute hätte vorn stehen können. Knappe Dritte wurde die Dänin Nanna Merrald Skodborg. Deutschland siegte im Nationenpreis vor den Dänen.

Der Grand Prix Special in Aachen war eine spannende Prüfung. Und eine hochklassige in der Top Ten. Dort fanden sich nicht nur alle deutschen Reiter, sondern auch mehrere Pferde, die das Gesicht des Dressursports in Zukunft mitgestalten werden.

Schon in Balve bei den Deutschen Meisterschaften hatte Jessica von Bredow-Werndl betont, dass es mitnichten selbstverständlich sei, dass sie stets gewinne. Die Konkurrenz schläft nicht, auch wenn sie sich zwischenzeitlich ins Wochenbett begeben hatte. Aber das kennt die Olympiasiegerin mit ihrer Trakehner Stute ja auch.

Spannend und Spannung im Grand Prix Special in Aachen

Zittern bis zum Ende war die Devise beim Grand Prix Special-Sieg in Aachen von Jessica von Bredow-Werndl und Dalera. Nicht nur wegen der herbstlichen Regenschauer. Wobei das Aubenhausen-Duo im Sonnenschein ritt – ein seltenes Privileg am Samstag in Aachen.

Auch einer Dalera unterlaufen Fehler, nein einer Jessi

Jessica von Bredow-Werndl konnte Dalera nicht zu einem hundertprozentig stillen Stehen zum Auftakt überreden: Platz zwölf fürs Einreiten. Es folgten Passagen in Perfektion. Auf den Millimeter genau am Punkt die Übergänge beispielsweise zum starken Trab ab S auf der linken Hand. Bis zum Schritt verkündeten die Zwischennoten dann: Führung übernommen im Vergleich zu Charlotte Dujardin, wenn auch ganz knapp. Starker (7,4) und versammelter Schritt (6,0) waren im Erwartungshorizont. Dann die erste Piaffe, eigentlich der Moment, in dem spätestens die ersten Neunen im Protokoll auftauchen. Das war in Aachen anders.

Nicht ohne Spannung rettete „Jessi“ sich durch die erste Piaffe (7,5). Die zweite gelang. Die Galopptour begann mit Galopptraversalen mit beispielhafter Biegung und gut eingeteilten Zweierwechseln. Die 15 fliegenden Galoppwechsel von Sprung zu Sprung – super. Auch noch die erste Pirouette. Aber dann: Die Einerwechsel zwischen den Pirouetten schien Dalera nicht auf der Liste zu haben. Irgendwie drechselte Jessi noch sieben zurecht. Aus der Pirouette kam sie schlecht heraus – 4,4  für die Einerwechsel. Dann aber wieder guter starker Trab (8,3), eine Dalera-Piaffe zum Abschluss bei X. Und die bange Frage: Würde das reichen? Als das Ergebnis der Richterin bei M, Maria Collander aus Finnland, verkündet wurde, 77,979 Prozent (Platzziffer 3 in diesem Moment), brandete Applaus auf der Teilnehmertribüne auf. Mit 81,021 Prozent gewann das Paar diesen Grand Prix Special in Aachen mit dann doch noch zehn Zehnen im Protokoll.

Selbstkritisches Fazit

Dalera war „spitze, ich nicht“, sagt die Siegerin: „Ich habe zwei falsche Entscheidungen getroffen, die in zwei teuren Fehlern mündeten, meine Fehler. Vor der ersten Piaffe habe ich den versammelten Schritt zu sehr versammelt, dann den Übergang nicht gut geritten.“ Und zu den Problemen zwischen den Pirouetten: „Nach der ersten Pirouette habe ich zu lange gewartet mit der Wechselhilfe, da hat sie vielleicht gedacht, dass nur ein Wechsel kommt. Es war ihr erster Grand Prix Special seit den Europameisterschaften 2021.“

Wer denkt, eine Nummer eins der Welt bräuchte keine Arbeit, kennt weder Jessica von Bredow-Werndl noch Bundestrainerin Monica Theodorescu. Sie lobte im heutigen Grand Prix Special von Dalera in Aachen, dass die Stute „noch geschlossener“ sei, kraftvoller. „Ich glaube, die Passage war heute in der Prüfung gut wie nie. Sie war immer gut, heute war sie gut und groß“.

Was war in Jessis Ohr?

Einige internationale Fotografen und Social Media-Aktive hatten auf Fotos vom Ritt von Jessica von Bredow-Werndl etwas schwarzes im Ohr der Olympiasiegerin entdeckt. Die Lösung erläuterte die 37-Jährige auf der Pressekonferenz. Beim Herausnehmen des Coachphones sei der untere Teil abgebrochen und in der Ohrmuschel hängen geblieben. Sie selbst habe das nicht bemerkt, wohl aber der Steward nach Abschluss der Prüfung. „Hier, ich habe es extra mitgebracht“, sagte die Siegerin und zeigte den halbierten „Knopf im Ohr“. Offenkundig hat das nicht alle Social Media-Experten aus der Ferne nicht überzeugt. Entsprechend fielen die Posts äußerst spekulativ aus. In der Prüfung sind sämtliche Hilfsmittel von Außen, beispielsweise Coachphones verboten.

Charlotte Dujardin (GBR) und Imhotep

Das war Reitkunst vom ersten bis zum letzten Tritt! Die Zutaten? Man nehme: eine junge Mutter plus ein zehnjähriges Pferd, das in seinem Leben keine Handvoll Grand Prixs, geschweige denn Grand Prix Specials gegangen ist, bereite ihnen ein Dressurviereck ­– fertig.

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Die Britin Charlotte Dujardin im Sattel ihres zehnjährigen Wallachs Imhotep. (© von Korff)

Der Niederländer Imhotep, eine Entdeckung seines Besitzers Carl Hester, zeigte eine Prüfung ohne Fehl und Tadel. Vielleicht war er für ein paar Meter minimal verworfen nach rechts in der Trabtraversale. Aber sonst? Einfach nur schön! Ein Pferd, das obwohl noch längst nicht voll ausgeritten, bis zu vier Huf im starken Trab übertritt, das sieht man selten in Grand Prix Prüfungen. Piaffen auf (zu) kleinem Raum gezeigt. Aktiv. Dynamisch. Immer im Takt. Die Passage schwingend und kadenziert, der Schweif pendelnd.

Auch wenn der Everdale-Sohn nicht den idealen Hals hat und man sich in den starken Tempi noch mehr Rahmenerweiterung wünschte, war Dujardin stets bemüht, das Pferd mit der Nase vor der Senkrechten zu präsentieren. In der Passage wünschte man sich, dass die Sprunggelenke noch etwas mehr in Richtung Körpermitte arbeiten würden, sicherlich eine Kraftfrage. Die Präzision in nahezu jeder Lektion – diese Pirouetten! – machten sprachlos! 80,787 Prozent, Platz zwei.

Nanna Skodborg Merrald und Zepter

von Korff

Im Grand Prix Special sorgten Nanna Skodborg Merrald und Zepter heute für das drittbeste Ergebnis beim CHIO Aachen 2023. (© von Korff)

Direkt nach Charlotte Dujardin in ein Stadion einzureiten, das kann schon eine Herausforderung sein. Die Dänin Nanna Skodborg Merrald stellte sich der Aufgabe. Mit Zepter v. Zack ritt auch sie einen Grand Prix Special wie aus dem Lehrbuch. Mit ausdrucksstarken Passagen, herrlichen Piaffen – lebhaft und balanciert. Das Paar bekam unter anderem zwei Zehnen für die Rechtspirouette. Die stabile Anlehnung, das immer korrekte Seitenbild des Pferdes – eine Augenweide. Mit 80,34 Prozent war es eine persönliche Bestleistung des Paares und damit Platz drei. Außerdem war es die einzige Kombination, die von allen Richtern mit über 80 Prozent beurteilt wurde.

Charlotte Fry (GBR) und Everdale

Der Hengst und Vater des Zweitplatzierten Imhotep passagierte mit viel „Air Time“, sprich er verharrt lange in der Luft. Die Piaffen zeigte das Paar absolut auf der Stelle, lebhaft nur leider nicht mit wirklich tiefer Kruppe. Zweierwechsel mit hohem Grundtempo und ausdrucksstark im Vorderbein erzielten „sehr gute“ Bewertungen, 9,0. Auch die zentrierten Pirouetten waren klare Punktebringer. „In Aachen ist er immer am besten“, freute sich die Weltmeisterin. „Das war die beste Runde, die ich je mit Everdale geritten habe“.

Die britische Richterin Isobell Wessels malte mit 82,021 Prozent, in ihren Bewertungen Platzziffer eins, indirekt einen Union Jack unter das Protokoll. Passt ja zum Partnerland. 79,574 Prozent, Platz vier.

Therese Nielshagen (SWE) und Dante Weltino

Wenn das Paar aus dem Oldenburgischen Lodbergen am Start ist, dann ist häufig die Tagesform der entscheidende Faktor. Der vielgereiste Rapphengst kann eigentlich alles und an guten Tagen kann er fast alles besonders gut. Heute war einer dieser Tage. Starke Tempi, Passagen – gleichmäßig und kadenziert – vor allem aber Galopppirouetten der allerfeinsten Sorte zahlten auf das Habenkonto ein. Auf die Sollseite mussten misslungene Zweierwechsel gebucht werden. 76,234 Prozent, Platz fünf.

Frederic Wandres und Bluetooth OLD

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Für das zweitbeste Ergebnis im Team Deutschland sorgten Fredric Wandres und Bluetooth. (© von Korff)

Panta rhei – alles fließt. Oder: „Darf’s noch ne Acht mehr sein?“ – Harmonisch und taktideal begannen Frederic Wandres und Bluetooth OLD den Grand Prix Special in Aachen. Eine leichte Spannung gab es in der ersten Piaffe. In der zweiten vermochte der Reiter es dann, die Aktivität des Bordeaux-Sohns an feinster Zügelführung in die richtigen Bahnen zu lenken. Allerdings schlug Bluetooth beim Angaloppieren aus der Passage nach dem Sporn (4,8). Bis dahin hatte das Paar aus Hagen am Teutoburger Wald noch bei einem Notenschnitt von 80 Prozent rangiert. Es folgten Fehler in den Zweierwechseln nach einer reiterlichen Irritation zu Beginn der Diagonalen. „Das ist mir noch nie passiert…“ Das Wechselteufelchen lauerte auch zu Beginn der neun Einerwechsel vor der zweiten Pirouette, die nicht ideal ausfiel. Zum Abschluss zeigte das Paar eine wunderbare Piaffe, minimal im Vorwärts. Fazit: Einige Fehler, viel Wunderbares, unterm Strich runde 76 Prozent – Platz fünf.

Bundestrainerin Monica Theodorescu betreut schon länger Frederic Wandres, die Arbeit trägt nicht erst seit heute Früchte. „Ich denke, ich habe ihm in Sachen Selbsthaltung noch helfen können.“ Es sei der Moment zwischen „gut“ (8,0) und „sehr gut“ (9,0), der Moment in dem die Leichtigkeit die Höchstnoten hervorbringt. „Wenn man loslassen kann und es wird leicht. Dann wird es auch schön.“ Das sei eine Frage der reiterlichen Erfahrung aber auch der Kraft des Pferdes. „So wie Bluetooth heute an der kurzen Seite, den Diagonalen oder auch den langen Seiten sich gezeigt hat, das ist für mich das, wie ich mir Dressur vorstelle,“ lobt die Bundestrainerin.

Isabell Werth und Quantaz

Konzentriert und beständig in der Anlehnung begann das Paar. Bis zum Schritt gab es Zwischennoten bis 78,714. Nach starkem (6,0) und versammelten Schritt (5,6) waren es im Schnitt dann 74,5 Prozent. Nach guter erster Piaffe, zeigte Isabell Werth die zweite Piaffe absolut auf der Stelle. Sicher im Takt, aber man hatte das Hinterbein schon noch etwas fleißiger abfußen gesehen, dachte man sich. Ein Verdacht, den der nicht ganz in Quantaz-Manier gelungene Übergang in die Passage dann bestätigte.

Teuer war dann nach sicheren Zweierwechseln ein Seitensprung zum Schluss der 15 Einerwechsel. Ein Schnauben hatte aufkommende Spannung schon vorher angedeutet (5,6). Isabell Werth war mehr als zufrieden: „Quantaz war sehr entspannt, ich war sehr zufrieden, nach dem Schreckmoment war ich dann vorsichtig, vielleicht etwas zu vorsichtig. Deswegen ist er dann wohl in den Trab gefallen.“

Vorm starken Galopp fiel Quantaz kurz in den Trab und dann ritt Werth elf statt neun Einerwechsel zwischen den beiden Pirouetten auf der Mittellinie (5,2). Die letzte Piaffe gelang lebhaft, dynamisch mit gutem Übergang in die Passage. 75,851 Prozent, Platz sechs.

Carina Cassøe Krüth (DEN) und Heiline’s Danciera

Das einzige Paar aus dem Weltmeisterquartett von 2022 zeigte eine Prüfung, die die gemeinsame Routine der beiden in jeder Lektion unterstrich. Allerdings hat Cassøe Krüth schon bessere Piaffen im Viereck im Sattel der Fürstenball-Tochter gezeigt. Sie wirkten etwas mechanisch, vor allem wenig schwingend. Mit durchweg guten Serienwechseln kam das Paar am Ende auf 75,745 Prozent und damit auf Platz acht.

Andreas Helgstrand (DEN) und Jovian

Dass der Deckhengst und ehemalige Jungpferde-Weltmeister imposant in allen schwungvollen Grundgangarten ist, ist nichts neues. Die Art, wie der dänische Pferdehändler eine seiner „Cashcows“ im Hengststall präsentierte war allerdings auffallend anders. Das Pferd ging über weite Strecken an bemüht leichter Anlehnung. Bis zum Schritt (6,8 ) lagen die Noten durchschnittlich leicht über 80 Prozent. In der ersten Piaffe – mit nahezu durchhängendem Zügel und etwas rhythmischer als im Grand Prix – bestand aber auch weiter das prinzipielle Problem, dass der mächtige Apache-Sohn sich auf die Vorderbeine stützt, die Kruppe zwar senkt, aber dennoch nicht im Hinterbein trägt. Sie haben die Tendenz, seitlich auszuweichen. Dabei kann das Hinterbein sehr wohl Last aufnehmen, das zeigte sich im Galopp, im Vorwärts wie im Seitwärts. Mit sicheren Serienwechseln punktete Helgstrand im weiteren Verlauf des Grand Prix Special in Aachen. 75,404 Prozent bedeuteten Platz neun in der Endabrechnung und gestiegene Chancen, Dänemark bei der Europameisterschaft in Riesenbeck zu vertreten.

Zehnter wurde Sönke Rothenberger mit Fendi, der vor allem Vertrauen und Selbstbewusstsein seines neunjährigen Wallachs nach dem misslungenen Grand Prix-Auftritt erfolgreich wieder aufbauen wollte (74,83).

Deutschland siegt in Nationenpreis

Der Sieg im Nationenpreis ging an die deutsche Abordnung (468,25) vor den Dänen (460,097) und den Briten (459,756). Diese drei Nationen geben derzeit international den Ton an in der Dressur. Das dürfte sich auch bei der Europameisterschaft nicht ändern. Die Frage ist, ob die Reihenfolge dieselbe sein wird.

Die Ergebnisse des Grand Prix Special Aachen 2023 und Nationenpreis finden Sie hier.

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Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).

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  1. Anna

    Wie schön, dass auch dieses Mal wieder hochplatziert wird, wer während der kompletten Prüfung (!) ein spanniges, unzufriedenes Pferd (geöffnetes Maul, dauerhaft pinselnder Schweif) mit einem Maul nur cm von der Brust entfernt spektakulär durch das Viereck strampeln lässt.

    Dass es auch anders geht zeigen – ebenfalls aktuell in Aachen – Reiter, deren Pferde durch einen konsequent locker pendelnden Schweif und leicht durchhängenden Kandarenzügel durch die Prüfung gehen.

    Quo vadis Dressursport. Dr. Reiner Klimke würde sich im Grab rumdrehen…

    • Doris

      Die Richter trauen sich leider noch immer nicht, konsequent jede Lektion deshalb mit 1-2 Punkten weniger zu bewerten. Stattdessen wird oft bei den Schlussnoten (wo noch vorhanden) – wenn überhaupt – ein Pünktchen abgezogen, was eben nicht so in’s Gewicht fällt. Es ist ein Sumpf, der nicht austrocknen will. So manches Moor auf weiter Flur würde sich über so viel Resistenz freuen.


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