Kommentar: Verbot von Fake-Schaum kommt viel zu spät!

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Jan Tönjes, Chefredakteur St.GEORG (© st-georg.de)

Der Weltreiterverband (FEI) will nun verbieten, dass Pferde im Dressurviereck mit Zuckerpaste an den Lippen gehen. Der Fake-Schaum aus dem Zucker-Eiweiß-Brotaufstrich „Marshmallow Fluff“ ist keine neue Erfindung, wird von vielen Reiterinnen und Reitern verwendet. Auch solchen, die gemeinhin für gutes Reiten stehen, glaubt man ihren Fans auf den Social Media Kanälen. St.GEORG Chefredakteur Jan Tönjes zu diesem geplanten Verbot.

Mit dieser Regeländerung, die dem Fake-Schaum ein Ende bereiten soll, ist ein Schritt in die richtige Richtung gegangen. Aber viel zu spät! Bereits 2016 begann man über „Marshmallow-Schaum“ zu sprechen.

Ende 2021 wird „schon“ reagiert – Chapeau, das nenne ich mal eine rasante Reaktion!

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Es geht weniger darum, dass nun fünf Jahre – pardon mindestens fünf Jahre – lang, Pferden klebrige Zuckerpaste an die Lippen geschmiert wurde. Es geht darum, dass Teile der Weltelite sich fünf Jahre lang ins Fäustchen gelacht haben. Dass fünf Jahre lang die Öffentlichkeit genarrt wurde.

Fünf Jahre lang haben Stewards und Tierärzte zumindest geahnt, dass da Dinge gefühlt nicht wirklich korrekt abliefen. Nur reagieren konnten sie nicht, weil die Zuckerschmiere eben nicht offiziell verboten war. Wie man sich als Steward, also als jemand, der eine ganz maßgeblichen Position einnimmt für die öffentliche Darstellung des Reitsports, dabei fühlt, kann man sich gut vorstellen. Nein, Zucker tut nicht weh. Aber Betrug ist es dennoch. Vortäuschen falscher Tatsachen. Fairness? Möglicherweise ein Abdecken von Wunden an Maul und Lippe? Ach, nun wollen wir doch mal nicht kleinlich werden.

Noch eine Gruppe muss sich nicht komisch sondern nach Strich und Faden ver… hohnepiepelt vorkommen: die Richter. Sie sind es, die ordentliches Reiten honorieren müssen. Sie müssen ein weißes Taschentuch dabei haben, wenn sie bei C sitzen, um beim leisesten Verdacht auf blutende Mäuler regelkonform agieren zu können. Und ihnen wurde nur der Fake-Schaum tagaus, tagein im Rampenlicht auf den größten Events im Viereck präsentiert. Das zeigt schon auch, für wie – nochmals pardon – bescheuert die Reiterinnen und Reiter die Juroren halten müssen.

Warum auch nicht? Die Hüter des Regelwerks hab die erfolgreiche Praxis ja lange genug nicht unter Strafe gestellt. Sie haben dabei diejenigen, die in ihren Häuschen am Vierecksrand den härtesten Job haben, nämlich (seit Jahren nun schon ohne differenzierte Fußnoten) gutes, „richtiges“ Reiten in all seinen Facetten schnell zu erkennen, in eine Note zu fassen und damit Wegweiser dafür zu sein, wie „richtig, gut, schön“ geritten wird, einen Bärendienst erwiesen. Das ist bitter.

Gegen diesen herben Beigeschmack der späten Korrektur hilft nicht einmal ein 5-Kilo-Eimer Marshmallow Fluff.men’s new jordans release dates | JmksportShops | Chaussures, sacs et vêtements | Livraison Gratuite

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Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).

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  1. Elisabeth Michael

    Hallo Herr Tönjes,
    endlich mal jemand, der das öffentlich macht, was schon in den Achtzigern Jahren Praxis war in renommierten Turnierställen im Grossraum Stuttgart. Die Ehefrau eines Grandprixreiters, mehrfach Schleyerhalle, machte sich vor den Einstellern einen Jux daraus, dem Pferd kurz vor der Prüfung Rasierschaum um die Mandate zu sprühen, O-Ton: das hängt die ganze Prüfung, das merkt keiner. Eine als Reitlehrin in einem Vereinsstall tätige Richterin, immerhin bis M-Dressur, steckte den Pferden saure Apfelschnitz mit Zitrone und Zucker ins Maul, damit das Pferd während der Prüfung schön schäumt. Was heisst das: Die Richter sollen doch nicht so blö tun als ob sie das nicht wüssten. Sie sind doch Teil dieses Betruges, weil fette Prämien winken bei der Vermittlung im Pferdehandel.

  2. Günter Büsing

    Schon vor 60 Jahren war es völlig normal, Pferde die wenig oder keine Maultätigkeit zeigten 10 Minuten vor der Prüfung einen halben Apfel zu verabreichen. Die andere Hälfte nahm sich der Reitlehrer.
    Mfg Günter Büsing

    • Sylvia

      Das Pferd mit einem Apfel zum Kauen anregen zu wollen, ist zwar auch etwas geschummelt, aber dem Pferd Schaum ‚an’s Maul zu kleben‘, um damit womöglich auch noch etwas verstecken zu wollen, hat für mich doch nochmal eine andere Qualität, bzw. ist dann halt echt Beschiss auf dem Rücken der Pferde ausgetragen (wie immer), auf gut Deutsch gesagt. Immerhin, mit dem Apfel kaut das Pferd dann in der Tat, wenn auch nicht auf dem Gebiss, aber allein die Kautätigkeit bewirkt ja normalerweise erstmal was positives.
      Diese Geschichte, wie viele andere auch, zeigt leider, dass der Sport auf einem kompletten Irrweg ist und das lange Abwarten, dass die Verbände schlicht nicht willens sind, dies zum Wohl der Pferde ändern. Ein weitere Beleg in nicht enden wollender Beispiele, die komplett schief laufen – wie auch die viel zu milden Strafen bei eindeutigen Vergehen, wie es zuletzt wieder der Fall war.
      Wenn ich dann Videos sehe, wie eine Adelinde Cornelissen in Hagen abreiten darf, wird mir einfach nur schlecht, und ich frage mich, warum da immer noch niemand eingreift. Aber die Antwort habe ich mir ja frustrierenderweise schon selbst gegeben 🙁

  3. Sylvia

    Das Pferd mit einem Apfel zum Kauen anregen zu wollen, ist zwar auch etwas geschummelt, aber dem Pferd Schaum ‚an’s Maul zu kleben‘, um damit womöglich auch noch etwas verstecken zu wollen, hat für mich doch nochmal eine andere Qualität, bzw. ist dann halt echt Beschiss auf dem Rücken der Pferde ausgetragen (wie immer), auf gut Deutsch gesagt. Immerhin, mit dem Apfel kaut das Pferd dann in der Tat, wenn auch nicht auf dem Gebiss, aber allein die Kautätigkeit bewirkt ja normalerweise erstmal was positives.
    Diese Geschichte, wie viele andere auch, zeigt leider, dass der Sport auf einem kompletten Irrweg ist und das lange Abwarten, dass die Verbände schlicht nicht willens sind, dies zum Wohl der Pferde ändern. Ein weitere Beleg in nicht enden wollender Beispiele, die komplett schief laufen – wie auch die viel zu milden Strafen bei eindeutigen Vergehen, wie es zuletzt wieder der Fall war.
    Wenn ich dann Videos sehe, wie eine Adelinde Cornelissen in Hagen abreiten darf, wird mir einfach nur schlecht, und ich frage mich, warum da immer noch niemand eingreift. Aber die Antwort habe ich mir ja frustrierenderweise schon selbst gegeben 🙁


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