Lier: Tag der internationalen Premieren mit Jovian/Kittel und Alive and Kicking/Dujardin

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(© instagram.com/belgiumdressage_events)

Ganze 41 Paare waren heute beim CDI3* Grand Prix in Lier, Belgien, am Start. Es war eine sehr interessante Prüfung, nicht nur weil Jovian und Patrik Kittel ihre Turnierpremiere hatten.

In der Platzierungsliste des Grand Prix in Lier sind zwei britische Flaggen vor der schwedischen und der deutschen zu finden. Das sah zwischenzeitlich allerdings noch anders aus.

Mit Spannung erwartet worden war der Einstand von Patrik Kittel auf dem von Andreas Helgstrand übernommenen Jovian. Sie waren bereits achtes Paar der Prüfung. Optisch sind die beiden ein Match, war der erste Eindruck, als sie in die Halle des Azelhofs kamen.

Nach geschlossener Grußaufstellung und Jovians imposantem starkem Trab mit klar erkennbarer Rahmenerweiterung sowie fließenden und weit kreuzenden Traversalen lagen die beiden bei 82 Prozent. Kittel war sichtlich bemüht, das Genick des Apache-Sohns offen zu halten und dezent mit der Hand einzuwirken.

Nach der ersten federnden Passage dann die erste Piaffe. Hier stützte der Hengst vorne und zog hinten die Beine hoch, statt hinten Last aufzunehmen und vom Boden abzufedern. Die zweite Piaffe gelang etwas besser, aber die Punkte sind runtergegangen auf knapp 75 Prozent beim Angaloppieren.

Die Zweierwechsel waren sicher durchgesprungen, jedoch noch schwankend, der starke Galopp mutig nach vorn, die Rückführung sicher. In der Vorbereitung der Einerwechsel verliert Jovian an Durchsprung. Die Wechsel selbst gelingen, allerdings mit viel Körpereinsatz seitens des Reiters. Die Pirouette nach links gelang, die nach rechts wirkte eher gestemmt und gedreht als gesprungen. Die beste Piaffe der Prüfung gelang dem Paar auf der Schlusslinie.

Alles in allem eine Prüfung mit Highlights, aber auch noch Luft nach oben, unter anderem in der nicht immer gleichmäßigen Anlehnung. 73,379 Prozent gaben die Richter. Das war die vorläufige Führung. Aber es kamen ja noch einige Paare.

Premiere von Alive and Kicking

2018 ließ eine Meldung das Herz der Freunde des westfälischen Pferdes höher schlagen: Charlotte Dujardin, die britische Olympiasiegerin, hat in eine junge Westfalen-Stute investiert. Vierjährig war die All at Once-Fürst Piccolo-Tochter aus der Zucht von Michael Schulte damals. Entdeckt hatte die dreifache Olympiasiegerin sie in Schweden. Nun hat sie ihr internationales Grand Prix-Debüt gegeben. Und dazu eine Demonstration, was Dressurreiten eigentlich sein sollte.

Alive and Kicking alias „Audrey“ ist eigentlich genau das Gegenteil von Jovian: klein und ein Pferd mit allem, aber sicherlich keinen „Überbewegungen“. Sie hat drei solide Grundgangarten, aber bewegt sich eher rational. Sie würde sich auch auf dem Viereck einer Vielseitigkeit gut machen. Zumal sie genauso durchlässig ist, wie man es in der Vielseitigkeit ja inzwischen bisweilen häufiger erlebt als in der Dressur.

Vom ersten Tritt begeisterte das Seitenbild des Paares: die Nase fast immer vor der Senkrechten, das Genick der höchste Punkt, die Ohren ebenso gespitzt, das Pferd von Maul bis zum Schweif in beinahe jedem Moment der Prüfung ein Bild der Zufriedenheit und der klassischen Ausbildung. Die Noten für den starken Trab reichten von 7 bis 8. Zweimal gab es eine 8,5. Sicher, die Stute trabt eben nicht wie Jovian. Aber im Verhältnis zu ihrem Grundtrab erreicht sie das, was in dieser Lektion gefordert ist: maximale Schwungentfaltung bei maximaler Rahmenerweiterung.

In den Piaffen war die Stute noch etwas überengagiert in Sachen Lastaufnahme, so dass Dujardin die noch ein bisschen nach vorne anlegen muss, um die Balance zu halten. Aber auch hier: Der Takt war zu 100 Prozent da, auch in den Übergängen und in den gleichmäßigen und engagierten Passagen. Und immer wieder kam die Reiterin zum Nachgeben. Dazu das superkorrekte Dujardin-Reiten. Ganz selten kam ein bisschen Bewegung in den Schweif. Etwa beim Umstellen in den Zick-Zack-Traversalen. Auch die Einerwechsel gelangen noch nicht ganz spannungsfrei. Ein Highlight – vor allem auch reiterlich – dann wieder die Pirouetten mit ehrlicher Versammlung und eifrigem Durchsprung.

Auf der Schlusslinie gab es dann noch ein kleines Missverständnis, als Alive and Kicking bei X halten wollte statt zu piaffieren. Aber nach kurzer Aufforderung kam sie der Hilfe sofort nach und zeigte zum Schluss noch mal eine sehr schöne Piaffe. Alles in allem eine wunderbare Vorstellung, die mit 75,043 Prozent belohnt wurde. Neue Führung.

Charlotte Nummer zwei

Am Ende sollte es für Patrik Kittel „nur“ zu Platz drei reichen bei seiner Premiere mit Jovian. Im letzten Teil der Prüfung waren noch Weltmeisterin Charlotte Fry und der gekörte Negro-Sohn Nespresso dran. Der Rappe ist bereits 15-jährig, aber auch für ihn war es erst der zweite internationale Grand Prix nach Jardy im Juni 2023. Die beiden erhielten 74,283 Prozent und wurden Zweite. Zu den Highlights ihrer Vorstellung zählten die Traversalen, die Serienwechsel und der starke Galopp. Dem gegenüber standen Rückführungen mit starker Handeinwirkung, ein immer wieder offenes Maul, Rückwärtsrichten mit deutlichem Widerstand, Piaffen, die eher Passagen auf der Stelle waren, gestemmte Pirouetten und ein starker Schritt ohne Raumgriff.

Platz vier für Rothenberger und Flanell

Semmieke Rothenberger war in Lier in doppelter Funktion im Einsatz. Noch bis gestern hat sie ihre Schülerinnen aus dem Ponykader höchst erfolgreich gecoacht. Heute saß sie selbst im Sattel.

Sie hatte ihre 14-jährige Apache-Tochter Flanell mit nach Lier gebracht. Mit der KWPN-Stute war sie 2021 Kür-Europameisterin der U25-Reiter geworden. Der letzte internationale Einsatz der beiden liegt allerdings schon eine Weile zurück. Das war in Aachen im Juli 2023.

Heute in Lier begannen sie mit einer prima Grußaufstellung und zeigten dann eine ansprechende Prüfung mit Highlights in den Piaffe-Passage-Touren, dem versammelten Schritt, den Zweierwechseln und den Pirouetten. Mit 72,587 Prozent belegten die beiden Rang vier.

Müller-Lütkemeier und Collin platziert

Noch zwei weitere deutsche Paare schafften es unter die elf Platzierten. Das waren zum einen Fabienne Müller-Lütkemeier und Valesco, die mit 70,391 Prozent Siebte wurden, und zum anderen Luca Sophia Collin und Ferrero D, die sich mit 70,022 Prozent direkt anschlossen.

Für letztere war es der erste Senioren-Grand Prix ihres Lebens und überhaupt erst das dritte internationale Turnier auf S***-Niveau. In den Tagen zuvor hatte Collin mit ihrem zweiten Pferd Fuhur bereits in den U25-Prüfungen abgesahnt.

Alle Ergebnisse vom Grand Prix in Lier finden Sie hier.

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Dominique WehrmannRedakteurin

Studierte Politologin, seit 2006 bei St.GEORG. Als Jugendliche Dressurtraining bei Hans-Georg Gerlach, Michael Settertobulte und Reitmeister Hubertus Schmidt und das auf einem selbstgezüchteten Pferd. Verantwortet die Bereiche Spitzensport und Pferdezucht. Im Presseteam des CHIO Aachen und der Pferdemesse Equitana, hat für den NDR im Fernsehen kommentiert.

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