Maria Günther lebt nicht mehr

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Maria Günther (1925-2021) (© toffi-images.de)

Sie war eine Dame. Und für die Dressur sicherlich eine Grande Dame, ohne unnahbar zu sein. Maria Günter ist gestern im Alter von 96 Jahren in Hamburg verstorben. Nach hocherfolgreicher Karriere an der Seite ihres Mannes, Walter, „Bubi“, Günther, war sie eine internationale Richterin und verfolgte bis ins hohe Alter die Entwicklungen im Spitzensport, auch noch als Ausbilderin.

Maria Günther, die Ausbilderin, die in Dressur- und Springsattel gleichermaßen erfolgreich war, wurde als Maria Bühling am 30. Januar 1925 in Zwickau geboren. Ihre Familie hatte keinen Pferdehintergrund, schenkte aber der kleinen Maria zum siebten Geburtstag eine Zehnerkarte für Reitstunden. Ein folgenschweres Geschenk.

Maria Günther: Tränen für die Remonten im Krieg

Im Krieg machte sie 1943 ihr Abitur. Zu dieser Zeit wurden junge Männer direkt an die Front geschickt und junge Frauen mussten Kriegshilfsdienst leisten. Sie entschied sich, als Bereiterin nach Pommern zu gehen. Ihr Job: Junge Pferde für den Einsatz im Militär vorbereiten. Die jungen Frauen mussten innerhalb von drei Monaten aus uneingerittenen Youngstern Reitpferde machen. Pferde, die unter Soldaten – die auch nicht immer über eine umfassende reiterliche Ausbildung verfügten – „funktionieren“ mussten. Erwartet wurde nicht nur, dass die Pferde geländesicher waren, sondern auch eingefahren sollten sie sein.

Das allein klingt schon abenteuerlich genug. Die Bedingungen aber waren noch viel extremer: Steilste Abhänge musste man mit den Remonten herunterreiten können. Das konnte man nicht immer tagsüber üben, denn die Gefahr, von Tieffliegerin beschossen zu werden, war zu hoch. Schlimmer noch als die täglichen Gefahren in Kriegszeiten im Osten Deutschlands war aber der Moment, wenn die dreimonatige Ausbildungsphase vorbei war. „Was haben wir jungen Mädels da geheult, wenn die Pferde am Bahnhof verladen wurden, das können Sie sich nicht vorstellen“, erinnerte sich Maria Günther später gerne.

1947 schon beim CHIO Aachen am Start

Als der Krieg beendet war, zog Maria Bühling nach Menden in Westfalen. Hier hatten die britischen Besatzungstruppen ein Regiment der Royal Horse Guards stationiert. Die 20-Jährige fand Arbeit als Pflegerin und Bereiterin. Ihre reiterlichen Fertigkeiten waren schon damals weit über dem Durchschnitt, so dass sie 1947 als das CHIO Aachen erstmals nach dem Krieg wieder stattfand, dort unter englischer Flagge reiten durfte.

Archiv St.GEORG

Walter, „Bubi“, Günther und seine Frau Maria in den 1950er Jahren in Hamburg Klein Flottbek

In den britischen Stallungen waren nicht nur attraktive Vierbeiner, sondern auch ein junger Mann, Walter Günther, genannt Bubi. Er war in den 1940er Jahren unter anderem bei Felix Bürkner und Otto Lörke geritten. Bei den Briten war er als Reitlehrer tätig. Günther, bekannt unter seinem Namen „Bubi“, weil er als Sohn eines Reitlehrers schon als Vierjähriger in einer Kinderquadrille mitgeritten war, wurde Marias Ehemann.

Die Eheleute machten sich in Hamburg mit dem Ausbildungsstall Greif selbstständig. Zunächst waren es vor allem Springpferde, die dort ausgebildet wurden. Aber immer auch mindestens ein Grand Prix-Pferd pro Jahr.

Die legendäre zweifache Deutsche Meisterschaft des Ehepaars Günther

Das Ehepaar schaffte 1963 etwas, was bislang unerreicht ist: Maria und „Bubi“ gewannen am selben Tag die Deutschen Meisterschaften. Er im Dressursattel mit Adjutant, sie mit Sambesi im Springreiten. Zwischen beiden Entscheidungsritten lagen genau 50 Minuten, wie sich Maria Günther genau erinnern konnte.

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Maria Günther im Parcours beim Burgturnier in Nörten Hardenberg. (© Archiv St.GEORG)

Walter Günther war Bundestrainer der deutschen Dressurreiter bei den Olympischen Spielen in München 1972. Zu seinen Schülerinnen und Schülern zählten Liselott Linsenhoff, Josef Neckermann, Herbert Rehbein und Gabriela Grillo. 1974 starb er an einem Herzanfall.

Mit dem von ihrem Mann ausgebildeten Dressurpferd MacBeth erritt Maria Günther noch viele Erfolge. Dann schlug sie ein neues Kapitel im Buch ihres Lebens auf: Sie wurde Richterin, reiste durch die Welt und saß bei großen Turnieren und Championaten am Viereck. Parallel betreute sie auch weiterhin als Ausbilderin diverse Reiter, allen voran Derbysieger Falk Rosenbauer.

Botschafterin für gutes Sportreiten

In ihrem letzten Lebensabschnitt war der ehemalige internationale Dressurrichter Dr. Joachim Bösche der Mann an Maria Günters Seite. Dessen bester Freund und ebenfalls langjähriger Dressurrichter Heinz Schütte komplettierte nicht selten das Trio, das auch weiterhin regen Anteil am Dressursport und dessen Entwicklungen nahm.

Mit ihrer Meinung hielt Maria Günther nicht hinter dem Berg. Sie geißelte die „Rollkur-Zeiten“, in denen Pferde auf Platz eins waren, „die die ganze Zeit die Nase hinter der Senkrechten hatten“. Sie forderte von den Reiterinnen und Reitern, nicht die „reelle Basisarbeit aus Zeitnot oder übertriebenem Ehrgeiz“ zu überspringen. Und auch für ihre eigene Zunft, die Richter, fand sie klare Worte. Die müssten das Rückwärtsrichten doch als den Prüfstein für Durchlässigkeit schlechthin gebührend in ihr Urteil mit einfließen lassen.

Auch die Richterausbildung sah sie kritisch. „Die Richter haben es in der Hand, wohin die Reise im Dressursport geht. Sie bewerten das Pferd in einer Prüfung und somit ja auch die Ausbildung, die dahinter steht. Das Problem ist, dass viele Richter kein Auge mehr für das Grundsätzliche haben“, sagte sie in einem Interview anlässlich ihres 90. Geburtstags.

Am 19. September 2021 ist Maria Günther in Hamburg verstorben, bis kurz vor ihren Tod war sie noch fit und geistig rege, so wie man sie im Reitsport, den sie über sieben Jahrzehnte nicht nur verfolgt, sondern auch mitgeprägt hat, kannte.

Eine Frau mit Format. Eine Dame, deren Leben den Pferden galt. Eine jener Persönlichkeiten, die der Reitsport vermissen wird, weil es von ihnen nicht mehr viele gibt.men’s jordan upcoming releases | spider-man jordan 1 release date australia

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Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).

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  1. CS

    Ein schöner Nachruf.
    Eine Formulierung lässt mich allerdings zusammenzucken: An die Tränen beim Verladen der jungen Pferde erinnerte sich Maria Günther sicher nicht „gerne“, wie es im Text steht.
    Die Floskel ist hier nun wirklich gänzlich unpassend.

  2. Doris

    Die im Nachruf erwähnte Kritik in Bezug auf das Richten und die engen Hälse spricht mir aus der Seele. Wer den Turniersport aufmerksam verfolgt, egal ob bei den „ganz Großen“ oder auf heimischen Turnieren, wird – auch in M** aufwärts – kaum Reiter finden, deren Pferde zufrieden, reell bei geöffneter Ganasche, dem Genick als höchten Punkt und vor allem die Nase konstant leicht vor der Senkrechten vorgestellt werden. Es gibt Ausnahmen, man sieht sie aber ehr selten.


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