Isabell Werth hat zum vierten Mal in ihrer Karriere das Finale des Nürnberger Burg-Pokals gewonnen. Aber es war ein umstrittener Sieg.
Isabell Werth und der neunjährige Oldenburger Flamboyant v. Fidertanz waren drittletztes Paar der Prüfung. Der Wallach war fünfjährig Bundeschampion gewesen, hatte sechsjährig an den Weltmeisterschaften der jungen Dressurpferde teilgenommen (beides noch mit Marita Pundsack im Sattel) und kam dann Ende jener Saison zu Isabell Werth in den Stall mit dem Auftrag, ihn weiter zu fördern. Seitdem wurde er vor allen Dingen von Isabell Werths Stallreiter Niklaas Feilzer vorgestellt. Werth selbst ritt dieses Jahr nur die Qualifikation in Donaueschingen mit ihm, die sie prompt mit über 80 Prozent gewann.
Auch die Einlaufprüfung hier in Frankfurt sah Werth und Flamboyant als Sieger. Es gab also eine gewisse Erwartungshaltung bei diesem Paar. Wobei die Chefrichterin Katrina Wüst versicherte, sie und ihre Kollegen würden sich im Vorfeld des Finales gar nicht mit den Qualifikationsergebnissen beschäftigen und auch nicht mit der Einlaufprüfung.
Was die also unbeleckten Richter bei Flamboyant zu sehen bekamen, war ein starker Auftakt mit tollen Trabverstärkungen und fließenden Traversalen, bei denen der Wallach nicht ein Jota an seiner reichlich vorhandenen natürlichen Kadenz verlor. Im Schritt wünschte man sich allerdings, dass Flamboyant sich mehr durch den Körper bewegen würde. Dieser Eindruck setzte sich im Galopp fort. Häufig streckte der Wallach den Schweif etwas nach hinten weg, statt ihn losgelassen zu tragen. Grobe Lektionsfehler passierten indes nicht, aber die erste Pirouette war etwas groß, die zweite zwar kleiner, aber nicht ganz im Gleichmaß. Die Galopptraversale nach rechts war lehrbuchreif, in der anschließenden nach links ging jedoch deutlich die Hinterhand voraus.
Auch war Flamboyant in der Anlehnung nicht immer zufrieden, obwohl Isabell Werth sich immer wieder bemühte, die Hand vorzugeben. Besonders deutlich wurde das Anlehnungsproblem vor der Diagonale mit den Dreierwechseln. In der Ecke zog Flamboyant einmal sichtlich die Zunge hoch und sperrte das Maul auf. Daraufhin kam er deutlich hinter die treibenden Hilfen der Reiterin, die es mit all ihrer Routine schaffte, ihn wieder vor sich zu bekommen und dann noch fehlerfreie Wechsel zu reiten. Keine Frage, die Runde war eine reiterliche Meisterleistung! Eine „Zauberin im Sattel“ sei Isabell Werth, schwärmte Christoph Hess. Er merkte aber auch an, dass sie ihren Flamboyant heute „nicht einhundertprozentig auf ihrer Seite“ gehabt hätte.
Dann kamen die Noten: 78,171 Prozent von Dr. Evi Eisenhardt bei E, 80,976 Prozent von Peter Holler bei H, 78,171 Prozent von Katrina Wüst bei C, 76,951 Prozent von Dr. Dieter Schüle bei M und 74,634 Prozent von Dr. Dietrich Plewa bei B. Machte ein Endergebnis von 77,780 Prozent. „Zu viel!“ tuschelte das Publikum von allen Seiten. Doch dann kehrte wieder Stille ein, denn das nächste Paar kam schon in die Bahn.
Auftritt Escolar
Das waren Hubertus Schmidt und Escolar. Der achtjährige westfälische Hengst v. Estobar habe überhaupt keine Probleme mit großen Hallen oder Stadien, sagt sein Ausbilder. Was ihm allerdings gar nicht behage, sei, wenn er von den anderen Pferden weg und allein ins Viereck müsse. Hubertus Schmidt kennt seinen „großen Jungen“ gut. Escolar steht seit vier Jahren bei ihm in Borchen-Etteln bei Paderborn. Dieser Drang nach Gesellschaft hat den beiden schon so manche Prüfung versaut. So auch hier in Frankfurt die Einlaufprüfung, wo die Schritttour in die Hose ging. Heute hatte Escolar offenbar den schüchternen Jungen im Stall gelassen und war ganz auf seinen Reiter konzentriert.
Ein Höhepunkt reihte sich an den nächsten. In der Trabtour vergaben die Richter mehrfach Neunen. Was das Publikum in seinen Bann zog, waren aber nicht nur die herausragenden Bewegungen des Hengstes (als er drei- und vierjährig Bundeschampion wurde, erntete er Zehnen für Trab und Galopp), es war auch dieses beispielhafte Gerittensein: das Genick so gut wie immer der höchste Punkt, der Ganaschenwinkel stets dem Tempi entsprechend geöffnet mit echter Rahmenerweiterung in den Verstärkungen und relativer Aufrichtung in der Versammlung. Das Maul geschlossen und zufrieden leise kauend. Nicht in einer Sekunde blieben die Bewegungen im Körper stecken. Als Beispiel seien hier die Galopppirouetten genannt. Größer als Escolar kann ein Pferd nicht galoppieren. Und trotzdem ist er er so geschmeidig und durchgymnastiziert, dass er diese große Bewegung auch ganz klein machen und daraus die mit schönsten Pirouetten der Prüfung entwickeln kann. So soll Dressurreiten aussehen! Sogar in der Schritttour konnte Escolar sich heute beherrschen und zeigte sehr ansprechende Pirouetten, zu denen Schmidt später sagte: „Ich habe ihm versprochen, das waren die letzten Schrittpirouetten seines Lebens! Das ist nicht seine Lieblingslektion!“ Heute jedoch, als es drauf ankam, behielt Escolar seine Ungeduld im Zaum und spielte mit.
Doch dann passierten ausgerechnet bei der Lektion, die sonst eines der vielen Highlights im Repertoire des Hengstes ist, ein Missgeschick: Beim Aufnehmen aus dem starken Galopp sprang er hinten um. Dasselbe war vorher auch schon einmal beim Mittelgalopp an der langen Seite passiert. Das sei es gewesen, was am Ende die entscheidenen Punkte gekostet hätte, wird die Chefrichterin Katrina Wüst später erklären. Aber Hubertus Schmidt brachte den Rest der Prüfung noch sicher hinter sich. Und als er vor den Richtern hielt und den Zylinder zum Gruß zog, war ihm die Erleichterung und die Freude über den gelungenen Ritt sogar von hinten anzusehen. Dieser Ritt war einer jener Gänsehautmomente, die den Dressursport so unvergleichlich und besonders machen.
Zu diesem Zeitpunkt waren sich noch so ziemlich alle Beteiligten einig, dass diese kleinen Fehler nicht ausreichend sein könnten, um Schmidt und Escolar den Sieg zu nehmen. Innerhalb der Richterschaft gingen die Meinungen jedoch auseinander. Dr. Evi Eisenhardt und Dr. Dietrich Plewa hatten Escolar auf Rang eins. Peter Holler hätte ihn an dritter Stelle gehabt. Katrina Wüst und Dr. Dieter Schüle platzierten ihn an zweiter Stelle. Am Ende kam das Paar auf 77,195 Prozent. Das reichte nicht – Rang zwei hinter Isabell Werth. Buhrufe und Pfiff gellten durch die Halle. Lautstärker hätte der Protest aus dem Publikum nicht ausfallen können. Die Noten vom offiziellen Zuschauerrichten sprechen für sich: 77,354 Prozent für Escolar und 74,165 Prozent für Flamboyant.
Die Reaktionen der Reiter
Isabell Werths Miene wirkte während der Siegerehrung ungewohnt steinern. In der anschließenden Pressekonferenz erklärte sie: „Flambi ist ein Pferd mit überragenden Gangarten. Sicher, er hätte heute noch etwas brillanter sein können. Aber er war von der Atmosphäre, die in der voll besetzten Halle ja noch einmal etwas anderes ist als in der Einlaufprüfung, sehr beeindruckt. Ich denke aber, am Ende haben wir heute beide einen guten Job gemacht!“ Und zu der Zuschauerreaktion sagte sie: „Ich hätte auch gut damit leben können, wenn es anders herum gewesen wäre, und habe hinterher zu Hubertus Schmidt gesagt, hätte er die Fehler nicht gehabt, wäre es klar gewesen. Aber so hat das Publikum nun seine Meinung kundgetan und wir hatten ein bisschen Fußball hier in der Halle.“
Fußballstimmung in der Halle, das sei etwas, was sie eigentlich sehr begrüße, stimmte Katrina Wüst ihr zu: „Ich finde es immer gut, wenn das Publikum seine Meinung kundtut! Und ich kann das heute verstehen. Schmitti ist heute der Sieger der Herzen.“
Der „Sieger der Herzen“ selbst gab zwar zu, „hierher gefahren zu sein, um zu gewinnen“, aber letztendlich überwiege bei ihm die Freude: „Ich bin absolut zufrieden! Ich konnte heute sein ganzes Potenzial ausschöpfen und das war mit seine beste Prüfung. Ich bin ganz optimistisch für die Zukunft!“ Und die heißt Louisdor Preis 2018.
Stilpreis erneut für Matthias Bouten
Bei all der Aufregung um die Rangierung auf den ersten beiden Plätzen darf einer nicht zu kurz kommen, der heute nicht nur Dritter und Vierter wurde, sondern auch noch zum zweiten Mal mit dem Stilpreis ausgezeichnet worden war: Matthias Bouten. Man kann gar nicht oft genug loben, wie schön dieser Mann zu Pferde sitzt und wie er mit seiner feinen Einwirkung jeden Pferdetyp zum Strahlen bringt. Sein Bodyguard, ein achtjähriger Hannoveraner v. Burlington im Besitz des Ferienhofs Stücker, sei eigentlich eher schüchtern, sagt der Profi aus dem Rheinland. „Aber heute ist er über sich selbst hinaus gewachsen!“ Die Prüfung der beiden als zweites Paar im Finale war eine absolut harmonische, runde Angelegenheit, die seinem Besitzer Josef Wilbers Tränen der Freude in die Augen trieb und von den Richtern mit 74,146 Prozent belohnt wurde, was lange die Führung und am Ende Platz vier war.
Denn Bouten hatte ja noch ein zweites Eisen im Feuer: den hoch talentierten Quaterback-Sohn Quantum Vis. Seit gut einem Jahr reitet Bouten diesen (noch) nicht gekörten Hengst. Bis dato war er von Diederik van Silfhout in den Niederlanden ausgebildet worden. Quantum Vis ist ein Pferd mit allen Möglichkeiten, das wunderbar mit seinem Körper umgehen kann und extrem beweglich ist. Als letztes Paar der Prüfung setzten die beiden noch einmal einen Akzent, der mit 76,341 Prozent belohnt wurde, Rang drei. „So sieht schönes, pferdefreundliches Reiten aus!“, fasste Kommentator Hess den Eindruck von Boutens Auftritten zusammen. 2015 war er Zweiter und Dritter geworden. Diesmal nun Dritter und Vierter. Angesichts der Qualität des Starterfeldes im diesjährigen Finale sei er ohne Erwartungen hergefahren, gab der ehemalige Bereiter im Stall von Isabell Werth zu: „Ich wollte nur nicht Elfter und Zwölfter werden! Jetzt bin ich mehr als zufrieden und super glücklich, wie meine Pferde sich hier gezeigt haben!“ Dass er nun zum zweiten Mal den Stilpreis gewonnen hat, das könne er noch gar nicht richtig glauben.
Es ist auch der Verdienst seines Trainers, Wolfram Wittig, der ja auch Kira Wulferding betreut, die mit der wunderbaren Oldenburger Stute Soiree d’Amour Platz sieben belegte (72,610) und von Christoph Hess ebenfalls bescheinigt bekam: „Es ist Kiras Markenzeichen, Pferde zufrieden vorzustellen.“
Die weiteren Platzierten
Fünfte wurde heute die von Helen Langehanenberg vorgestellte Hannoveraner Belissimo M-Tochter Brisbane mit 74,049 Prozent. Die fraglos hoch talentierte Fuchsstute wirkte heute leider etwas unzufrieden und unwillig. Insgesamt wünschte man sich weniger Tempo, dafür mehr Bergauftendenz.
Rang sechs (73,927) ging an Matthias Alexander Rath und den gefragten Hannoveraner Deckhengst Foundation v. Fidertanz, ein mächtiges Pferd it großem Bewegungspotenzial in Trab und Galopp. Allerdings arbeitet er in den Trabverstärkungen eher nach mit hohem Sprunggelenk nach hinten heraus statt unter den Körper. Nach einer eiligen Schritttour, in der der Hengst nicht wirklich zum Schreiten kam, fing er im Galopp an, wurde dann aber heiß und gab seinem Reiter im wahrsten Sinne des Wortes alle Hände voll zu tun.
Hinter der Siebtplatzierten Soiree d’Amour wurden Vorjahressiegerin Isabel Freese und der sehr elastische Fürst Romancier-Sohn Fürst Levantino Achte mit 72,244 Prozent. Der charmante achtjährige Oldenburger und seine Reiteirn wurden mit dem Stilpreis für das beste Rückwärstrichten bedacht. Den Lorbeer gab Isabel Freese gleich an die Besitzerin des Pferdes weiter: Bettina Schockemöhle. Die hatte den Wallach nämlich ausgebildet, bis er sechsjährig war, danach übernahm ihn Isabel Freese. „Rückwärtsrichten hat er aber schon damals ganz toll gemacht!“, versicherte diese.
Neunter wurde der Hannoveraner Dimaggio-Sohn Desario unter Oliver Oelrich. Die beiden begannen mit einer super Trab- und soliden Schritttour, aber im Galopp scheint der Hengst vom Westfalenhof in Steinhagen sich nicht absolut loszulassen, erkennbar unter anderem an dem deutlich unruhigen Schweif (71,805).
Platz zehn belegten Hubertus Schmidt und sein zweites Pferd im Finale, die Oldenburger Bentley-Tochter Toscana. Die aparte Schwarze ist erst siebenjährig und zeigte sich heute noch ein bisschen ängstlich, als sie als erstes Pferd die Prüfung eröffnete. Die Ecke bei H fand sie besonders furchterregend und sprang dort mehrfach zur Seite. Bemerkenswert war jedoch, dass sie sich dadurch nicht aus dem Konzept bringen ließ und sich danach immer wieder sofort auf ihre Aufgaben konzentrierte (70,293).
Ein wunderbares Pferd mit ganz viel Ausdruck ist die Rheinländer Stute Saphira Royal v. San Amour, die mit ihrer Reiterin Stefanie Wolf auch schon beim Bundeschampionat und den Weltmeisterschaften der jungen Dressurpferde geglänzt hatte. Sie ist nun achtjährig und ein gutes Beispiel dafür, wie fortschreitende Ausbildung und damit einhergehender Kraftgewinn ein Pferd noch einmal deutlich an Ausdruck gewinnen lassen. Leider sprang die Stute vor der zweiten Pirouette einmal um, was doppelt teuer ist, weil die Pirouetten in dieser Aufgabe mit dem Koeffizienten zwei versehen sind (69,878).
Das Schlusslicht bildeten heute Marcus Hermes und der Westfale Abegglen v. Ampere. Der kann sich prämierter Wallach nennen. Hermes‘ Arbeitgeber, der Freiberger Hof der Familie Baumgürtel, hatte den imposanten Dunkelbraunen als Prämienhengst bei der Körung in Münster-Handorf erworben, sich im vergangenen Jahr aber entschieden, ihn doch legen zu lassen, damit er sich auf den Sport konzentrieren kann. Die Rechnung ging gut auf. Der Wallach war voll bei der Sache. Aber er gehört zu der Sorte Pferd, die mit so viel Go ausgestattet sind, das es dem Reiter manchmal schwer fällt, sie vor den treibenden Hilfen zu halten. Diese Pferde werden dann schnell zu eng, ohne dass der Reiter das will. So erging es heute auch Marcus Hermes (69,610).
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Eure Berichterstattung zum Louisdor Preis und Burgpokal finde ich wirklich gelungen.
Eigentlich wollte ich nur mal drüber lesen, am Ende habe ich jede Zeile verschlungen.
Die Atmosphäre kommt sehr gut rüber und man bekommt ein sehr gutes und differenziertes Bild der Ritte.
Vielen Dank