Olympia 2024: Michael Jung feiert Goldmedaille – sein Sohn und seine Mutter reagieren emotional

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(© Pauline von Hardenberg)

Olympia 2024 zieht derzeit weltweit unzählige Sportfans in seinen Bann. St.GEORG-Chefredakteur Jan Tönjes ist bei den Olympischen Spielen in Paris für Sie vor Ort. Von dort berichtet er über alle Reitsportwettbewerbe – und täglich über seine Eindrücke, Erlebnisse und Erfahrungen rund Olympia 2024.

Gebührender Empfang für Michel Jung im Deutschen Haus

Manchmal muss man im richtigen Moment am richtigen Ort sein. Das ist mir gestern gelungen. Als Michael Jung nach seinem Nullfehlerritt und damit als dreifacher – unerreicht in der Vielseitigkeit! –Olympiasieger aus dem Stadion galoppiert war und von Chipmunk absprang, bahnte er sich den Weg durch viele Gratulationswütige hindurch. Denn hinter einem mit den pastellfarben bedruckten Plastikbanden ausgestatteten Bauzäunen, die Spreu von Weizen, bzw. Akkreditierte vom Fußvolk trennen sollen, riefen heisere Stimmen nach ihm: „Michi! Michi!“

Dort standen Michis Frau Faye mit Sohn Lio, Seine Mutter Brigitte – die am heisersten war – sein Bruder und noch weitere Verwandte. Alle in Tränen, alle außer sich vor Freude. „Michi, du bist der beste der Welt, ich habe es immer gewusst!“ Welche Mutter möchte das nicht nur denken, sondern laut sagen und vor den Augen von mehr als 10.000 frenetischen Menschen auch bestätigt bekommen?

Dass fünf Meter weiter Princess Anne gerade eine Einweisung in Medaillenübergeben bekam (die sie vermutlich nicht gebraucht hätte), spielte da nur eine Nebenrolle. Was war das für ein Tag gewesen, nein Tage! Der Regen in der Dressur, die grandiose Geländestrecke, das französische Publikum, das jeden feierte und feiert. Magnifique!

Und dann das Drama, da ist „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ nichts dagegen. Abwurf  London (Laura Collett), dann Abwurf Chipmunk. Diese Spannung. Dieser tolle Sport und die historische Goldmedaille zum Abschluss. Hammer!

Abends wurde das gefeiert im Deutschen Haus. Das ist der Anhänger-Bespaßungsbereich, neudeutsch „die Fanzone“, des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Haus ist eine kleine Untertreibung. Es ist ein Stadion, das Rugbystadion von Paris in unmittelbarer Nähe zum Stade de France, dem Olympiastadion. Oben ist ein Hospitalitybereich. Salatbuffet, warme Speisen, Wasser, Softdrinks, kühles Bier. Dort hatten sich einige zusammengefunden, um Michi zu feiern. Der musst erstmal noch bei Eurosport ein Interview geben. Dann kam sein Middle Walk, Mittelschritt, das kennt er, dachte ich mir. Doch es war der Gang durch die ihn feiernden Anwesenden. Begleitet von Kameras marschierte Michi durch die gut 200 Leute in dem Casino. Vorher ging es im Halbdunkel eine (Show)Treppe hinunter, auf halber Höhe blitzten Lichteffekte auf und ein aufpeitschender Bass provozierte rhythmisches Klatschen. Ich glaube, wer das kann, der kann auch ESC. Nur ’ne Windmaschine kann man sich sparen. Michi trägt seine Haare ja eher kurz.

„Für immer Jung“ hatten die DOSB-Werbestrategen sich einfallen lassen und gepostet. Das nahm der dreifache Olympiasieger als Auftrag und schnappte sich die nächste Generation Jung, Sohn Lio. Der war Papa mit zwei Deutschland-Fähnchen entgegengehopst und wollte dann von Papas Arm gar nicht mehr herunter. Und weil ihm das öffentliche Interesse gut gefiel, übernahm er auch gleich auf der Bühne den Part des Antwortenden beim Interview. Wichtigste Erkenntnis aus dem Lio-Universum: Als Papa da langgaloppiert ist und sich gefreut hat, das „war süß“.

Freude ist das Stichwort. Trainer und Betreuerstab sind da. Tenor: Die Tage der Vielseitigkeit haben den Pferdesport von seiner schönsten Seite in die Welt getragen. „Die 40.000 am Geländetag, das war eine Abstimmung mit den Füßen für das Pferd“, sagt eine Dame. Recht hat sie.

Nach dem Regen folgt die Hitze

Ich war übrigens überrascht, wie leer Paris war. Ich hätte gedacht, dass die Straßen voller wären. Dass auf den Boulevards auch und gerade nachts bei Temperaturen deutlich über 20 Grad einfach mehr Trubel herrscht.

Apropos Temperaturen: Heute sollen es 34 Grad werden. Eine Kleidungsform, die sich da eignen würde, ist mir in der Metro untergekommen. Ein blaues, knöchellanges Etwas. Wie ein umgekehrter Sack. Das sah luftig aus. Dazu trug der Mann Adiletten in Rot mit FC Bayern-Logo. Muss man mögen…

Ab in´s Viereck!

Heute steht also nun der erste Dressurtag an. Schon vorgestern war der Vetcheck problemlos für die deutschen Pferde. Einige Nationen hatten ein paar Wackelkandidaten, was ja im konkreten Fall recht wörtlich zu nehmen ist. Vorbereiten tut sich jeder auf seine Art und Weise, wie ich feststellen konnte. Wichtig: möglichst viele Gamaschen um den Beinen behalten und eine Decke. Die Stute Maxima Bella, mit acht Jahren das jüngste Pferd – und man muss sich wirklich fragen, ob ein achtjähriges Pferd tatsächlich auf Olympische Spiele gehört (also mir stellt sich die Frage nicht…) – piaffierte an der Hand. Ohne Sattel sieht man da einen Rücken, der einen tiefen Sitz garantiert. Einen verdammt tiefen!

Los geht der Grand Prix, der über zwei Tage läuft und lediglich eine Qualifikation, aber keine Wertungsprüfung darstellt, heute um 11 Uhr. Passenderweise mit einem Pferd, das von einer Olympiasiegerin gezogen wurde, von Elisabeth „Sissy“ Max-Theurer. Roberto Carlos MT (das MT steht dabei nicht für „Mitteltrab“) ist auf dem Gestüt der Olympiasiegerin der Spiele von Moskau 1980 zur Welt gekommen.

Die Startliste ist ein algorithmisches Meisterwerk. Es geht um Gruppen und Nationen, um Weltranglistenpositionen und vermutlich auch noch um den Aszendenten des Sternzeichens zum Zeitpunkt der Zeugung.

Wie auch immer, Frederic Wandres ist der erste Deutsche, der ins Viereck muss. Bluetooth und er werden um 13.09 Uhr erwartet als zwölftes Paar, aber Zweite in Gruppe B. Vorher gehen bereits Zepter und Nanna Skodborg Merrald (DEN), 11.09:30 Uhr – ja es geht um Sekunden, vermutlich Fehler/Zeit. Stil könnte problematisch bei einigen werden, wenn ich so auf die Liste schaue. Direkt danach ist Hermes als erstes niederländisches Pferd an der Reihe mit DInja van Liere (11.19 Uhr).

Weitere interessante Kombinationen des Tages sind: Daniel Bachmann Andersen und Vayron (DEN), 14.25:30 Uhr, Becky Moody, die Ersatzfrau im britischen Team mit dem selbstgezogenen Jagerbomb v. Dante Weltino,16.11 Uhr, und – der Chronistenpflicht sei damit genüge getan, Patrik Kittel/Touchdown zum Schluss, 16.20:30 Uhr.

Jan Tönjes, Chefredakteur St.GEORG

 

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Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).

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