Olympia 2024/Reiten: Teilnehmer im Porträt – Sönke Rothenberger

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Pferdesport Dressur

Selbst zu Hause haben Sönke Rothenberger und Fendi Olympia immer im Blick. (© toffi-images.de)

Olympia-Teilnehmer 2024 im Porträt – Sönke Rothenberger. Der 29-Jährige ist bereits Mannschaftsolympiasieger, 2022 machte er mit Shootingstar Fendi auf sich aufmerksam – und blickte bereits Richtung Paris. Nach dem CHIO 2023 folgte jedoch eine lange Turnierpause, ihr Comeback gaben sie im März, wieder in Aachen. Für Paris standen Sönke Rothenberger und Fendi schließlich als Nachrücker auf der Liste. Nach dem Ausfall von Ingrid Klimke und Raphael Netz dürfen sie sich nun als Reservepaar tatsächlich auf den Weg Richtung Versailles machen. Im Mai 2023 hat St.GEORG Sönke Rothenberger auf dem Gestüt Erlenhof besucht.

Wir wollen die Geschichten über die Olympia-Teilnehmer 2024 wie Sönke Rothenberger erzählen. Wir haben die Olympiateilnehmer besucht, teilweise lange bevor sie gen Olympia Paris 2024 aufgebrochen sind.
In einer lockeren Serie stellen wir die vor, die hoffentlich aus Versailles als goldene Reiter zurückkommen.

Fendi schüttelt seinen Kopf und den imposanten Hals übermütig. Eigentlich ist der neunjährige Wallach noch im „Chill-Modus“. Sein Einstieg in das internationale Turniergeschehen in Hagen gelang spektakulär – zwei Ritte, beide mit kleineren Fehlern, aber Bewertungen von über 77 bzw. über 78 Prozent im Grand Prix und Grand Prix Special. Ja, spektakulär. Jede andere Beschreibung wäre unzureichend. Sönke Rothenberger lässt die Einschätzung unkommentiert. Er ist gerade auch zu beschäftigt, denn die eine Piaffe für die Kamera in der großen neuen Reithalle, in der ein Prüfungsviereck aufgebaut ist, schneeweiße Gatter, Buchstaben, Blumenarrangements, hat Fendi aus dem Chill-Modus geweckt. Er lauert auf die nächste kleine Hilfe. Übermütig möchte der dänische Wallach gleich alles auf einmal zeigen. Er setzt sich extrem, er schnaubt. Die Hufe trommeln auf den Boden. Er kann es, er will es zeigen. Er wetteifert mit den Superstars der Familie Rothenberger, die auf großen Bildern an einer langen Seite die aktuellen Pferde daran erinnern, dass es große Fußstapfen sind, in die sie treten wollen.

Medaillen und Siege in großen Prüfungen gehören zur familiären DNA der Rothenbergers. Die Eltern Gonnelien und Sven haben es vorgemacht, die drei Kinder, Sönke und seine Schwestern Sanneke und Semmieke sind dem Vorbild gefolgt. Sönke als Olympiasieger, Welt- und Europameister in der Mannschaft und Vize-Europameister 2017, Semmieke aktuell im U25-Lager. Und auf Ponys waren alle Rothenberger-Kinder international mega erfolgreich.

Sönke und Fendi im Hier und Jetzt

Vergangenheit? Sönke Rothenberger und Fendi sind im Hier und Jetzt, formen Kraft und Bewegungsfreude zu viel Ausdruck. Fendi scheint die Herausforderung zu suchen. Dynamisch federn seine Hinterbeine vom Boden. „Ho, ho“, bremst Sönke aus dem Sattel etwas mit der Stimme. Weiter geht’s. Fendi passagiert mit maximaler Kadenz und pendelndem Schweif an der langen Seite. Durch große Fenster fällt Licht in die Halle. Draußen schließt sich die Rennbahn an und dahinter viel Wald. „Da sind wir momentan eigentlich mehr unterwegs“, schmunzelt Sönke, der sich über den jugendlichen Überschwang seines Kraftpakets freut. 


Sönke Rothenberger über Fendi, Fohlen und Familie

Sönke Rothenberger hat mit der Mannschaft schon einmal Gold gewonnen bei Olympischen Spielen. Das war 2016 in Rio. 2024 fährt er als Reservereiter mit Fendi nach Paris. Schon als Ponyreiter hat Sönke Medaillen gesammelt, unter anderem bei den Pony-Europameisterschaften 2008 und 2009. Dann folgte ein Exkurs in den Springsport, wo er auch bis zur Klasse S erfolgreich war. 2013 dann die Rückkehr in die Dressur, 2014 wurde er Deutscher Meister der Jungen Reiter. Ab 2015 war Sönke im internationalen Viereck unterwegs, ein Jahr später folgte dann schon das Mannschaftsgold in Rio.

Mit Jan Tönjes hat der Olympia-Teilnehmer 2024 vor gut einem Jahr über Fendi, seine Pläne in Sachen Pferdezucht, seine Vorliebe für Tier-Dokus (und was seine Freundin davon hält), die Hühnerzucht und über vieles mehr gesprochen. Das Gespräch finden Sie als Podcast überall da, wo es Podcasts gibt und hier.


Hightech trifft auf Tradition 

Was gerade geschieht auf der weitläufigen Anlage, kann man auf einem Monitor am Putzplatz verfolgen. Ein Pferd macht ein Nickerchen, während ein anderes gerade in der Box etwas Heu knabbert. Auch wie weit die Trainingseinheit in der Halle ist, kann man verfolgen. Alles läuft optimiert und routiniert ab.

Dass man keine halbe Autostunde entfernt ist von den Hochhäusern der Frankfurter City, will man nicht glauben. Grün herrscht vor. Saftige Weiden mit Holz eingezäunt, meterhohe Hecken – auf dem Gestüt Erlenhof wurden einst Galopper gezüchtet. Der legendäre Ticino xx, Derbysieger, ist hier 1939 zur Welt gekommen. Heute grasen Jährlinge und Zweijährige auf den großzügigen Flächen, Warmblüter, in die genauso viel Hoffnung gesetzt wird wie einst in die Vollblüter. In der Mitte stehen die Gebäude. Nach einem verheerenden Brand im Jahr 2019 wurde vieles wieder auf- und einiges neu gebaut. Pferde waren damals im Februar ums Leben gekommen. Beim Neubau wurde streng darauf geachtet, dass keine Heulager mehr oberhalb der Stallungen sind. Brandschutz und Ästhetik gehen Hand in Hand. Traditionelles schwarz-weißes Fachwerk trifft auf die blau/roten Rennfarben des Gestüts Erlenhof. Ein stilisierter Jockey-Dress als Logo erinnert daran, dass hier schon weit über 100 Jahre Pferde für den Leistungssport gezüchtet werden.

Nach dem Brand wurde eine große Reithalle neu gebaut und nicht nur Stallungen für die Turnierpferde, sondern auch noch ein Trakt für die Ponys, die Sönkes jüngere Schwester Semmieke erfolgreich trainiert. Es gibt nicht nur viele Weideflächen, sondern auch Paddocks. Die für die Top-Pferde grenzen an der langen Seite an einen großen Außenplatz. „So können sie den anderen beim Training zugucken“, sagt Sönkes Vater Sven augenzwinkernd bevor ihn die berufliche Pflicht ruft.

Vorsicht mit den kleinen Hunden

Durchdacht ist das „neue“ Gestüt Erlenhof bis hin zur Entmistungsanlage. In jeder Box verbirgt sich unter einem silbernen Blech eine quadratische Öffnung. Der Mist wird in der Nähe der Öffnung aufgehäuft, dann zieht ein Gebläse die Hinterlassenschaften der Pferde in das Loch. Ein unterirdisches Röhrensystem transportiert den Mist ab. „Da sitzt Wumms dahinter, mit kleinen Hunden sollte man in der Nähe der Öffnung bei laufender Entmistung vorsichtig sein“, sagt Sönke Rothenberger.

Das nächste Pferd ist bereits auf dem großzügigen Rondell zwischen zwei Stallgassen fertig gemacht worden. Putzplatz, Sattelkammer und Deckenschränke, die auf einer Galerie im ersten Stock stehen auf Höhe eines Leuchters aus mehreren Kränzen. In der Mitte des Rondells ist ein Hufeisen eingelassen: „Cosmo“ steht eingraviert. Es ist eines der Eisen, das der niederländische Wallach, der gleich hinter der hohen dunkelblauen Tür in der angrenzenden Stallgasse steht, bei den Olympischen Spielen von Rio getragen hat.

Cosmo, Vize-Europameister von 2017, ist nicht mehr im Sporteinsatz. Aber im Training ist er. Stolz zeigt er eine der für ihn so typischen federnden Piaffe-Pirouetten. Luftsprünge, für die er berühmt war, beherrscht er immer noch. „Ja, so ist er halt“, freut sich Gonnelien Rothenberger, die ihren Sohn beim Heimtraining mit ruhiger, aber bestimmter Stimme begleitet. Ansonsten werden Sönke und seine Schwester von Andreas Hausberger im Training unterstützt und selbstverständlich von den Bundes-trainern, Monica Theodorescu und Jonny Hilberath, zu dem Sönke manchmal auch mit seinen Nachwuchspferden fährt.

Sönkes Matchball

Sönke sitzt auf dem nächsten Pferd. Matchball, Oldenburger v. Millennium, gelangte nach dem Louisdor Preis-Finale in den Besitz der Rothenbergers. Der Rappe hat in Mannheim seinen ersten internationalen Grand Prix gewonnen. Im Special hob Sönke die Hand, der Wallach hatte plötzlich beim Herumreiten ums Viereck vorm Einreiten die Zunge über das Gebiss bekommen. „Wir lernen uns immer besser kennen“, resümiert Sönke und blickt nach vorn. Heute steht leichte Arbeit auf dem Programm. Trab und Galopp auf großen gebogenen Linien, Tempowechsel, keine Lektionen. 

Pferde fit und motiviert zu halten, ist Sönke wichtig. Er ist keiner, der Pferden seinen Willen aufzwingt. Nicht nur beim Reiten. Eine seiner großen Nachwuchshoffnungen im Sportstall ist die fünfjährige Faraglioni. Dreijährig war sie Oldenburger Siegerstute. Wenn er vom Gefühl im Sattel der Feinrich-Tochter spricht, kommt er aus dem Schwärmen nicht heraus. Aber die Dame kann auch Diva, geht zum Beispiel nicht ohne Weiteres in eine fremde Box. Da muss man warten. Tipps von anderen, sich doch mal energischer durchzusetzen, lächelt Sönke weg.

Pferde sollen Spaß haben. Daran hält er fest, genauso wie an seinen weichen Stiefeln, Reminiszenz an seine Springreiterzeit. Denn der Dressur-Mannschaftsolympiasieger ist auch im Springen bis Klasse S am Start gewesen. Unter anderem mit der For Pleasure-Enkelin Liza Minelli, die sein niederländischer Großvater Adrie Gordijn gezüchtet hat. Die hochbetagte Dame genießt das Weideleben. Züchterisch ist sie für eines von Sönkes Highlights der letzten Körsaison zuständig: Ihr Sohn Chacco d‘Or v. Chacco-Blue wurde Prämienhengst bei den Oldenburger Hengsttagen, steht jetzt bei Dirk Ahlmann.

Sönke, der Züchter

Sönke Rothenbergers bislang größter züchterischer Erfolg ist der Dunkelfuchs Bon Esprit, Oldenburger Siegerhengst 2022. Jetzt auf dem Gut Schönweide zuhause. Als Fohlen hatte Sönke ihn von Familie Fetzer gekauft. Versteigert wurde er für 1,25 Millionen Euro an Familie Gasser. „Pferde in gute Hände zu verkaufen, ist mir wichtig“, betont der Dressurreiter, auch wenn er weiß, dass das bei einer Auktion auch Glücksache ist. Bon Esprit hatte Glück und Sönke ist glücklich. Er hat ein Gewerbe aus der Aufzucht gemacht. Nicht primär, um Siegerhengste teuer zu verkaufen, sondern um schon frühzeitig Nachwuchs für die sportlichen Ambitionen sichern zu können. Früher habe man auf Körungen immer auch interessante Pferde erwerben können, heute sei das wegen der „dänischen Macht“ kaum noch möglich. Mehrere Jahrgänge werden auf dem weitläufigen Areal groß. Nur die Zuchtstuten hat er hier nicht stehen. „Da ist es besser, wenn Profis sich um sie kümmern.“

Er ist auch selbst Hengsthalter. Auf dem Gestüt Birkhof steht der Hannoveraner Filox v. Fidertanz, den er als Fohlen gekauft hat. Er könne sich für tolle Pferde begeistern, nicht nur Dressurpferde. „Sam in Rio mit Michael Jung, wie die da über den Cross geflitzt sind, trotz des Alters …“

Urlaub? Wenn’s nach Paris geht …

Sein Großvater wäre stolz gewesen, hätte er seinen Enkel als Teil der niederländischen Körkommission erlebt. „Interessant“ sei das gewesen, sagt Sönke. Die Gewichtung verschiedener Kriterien, auch abweichend von dem, was auf deutschen Körplätzen geschieht. Bei einigen Exterieurmängeln gäbe es keine Kompromisse. Hier, wie auch im Dressurtraining, hat der fließend zweisprachige Sönke Einblicke gewinnen können. Er entdecke gerne Dinge, sagt er. 

Und wenn es mal nicht um Pferde geht? Dann sind es immer noch die Tiere. Er hat Rassehühner gezüchtet, „bis der Fuchs sie in einer Nacht alle erwischt hat“. Und, sehr zum Leidwesen seiner Freundin Svenja, sieht er leidenschaftlich gerne Dokus, Tier-Dokus. Urlaub? Ja, aber ungern zu lange, „weil dann die Sehnsucht nach den Pferden hochkommt“.

Aber einen Trip nach Paris im nächsten Jahr, klar, das ist das Ziel. Auf dem Weg zu den Olympischen Spielen steht für Fendi nun aber erstmal Balve an, die Deutschen Meisterschaften, dann eventuell Aachen. Die Europameisterschaft in Riesenbeck, ein Thema für den Neunjährigen? „Wenn die Bundestrainer mich brauchen, stehe ich zur Verfügung!“

Verfasst wurde dieser Text über Olympia-Teilnehmer 2024 Sönke Rothenberger von Jan Tönjes. Erschienen ist er im St.GEORG 06/2023. 

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Tina GummarVolontärin

Als Volontärin seit März 2023 in der Redaktion St.GEORG dabei. Kommt aus einer Pferdefamilie, hat die Fohlen ihres Großvaters aufwachsen gesehen, sie angeritten, ausgebildet, auf Turnieren vorgestellt und verkauft. Erfolgreich in Springprüfungen Klasse M2*. Ausbildungsmodul an der Akademie für Publizistik, Expertise in Jungpferdeausbildung und Trainingslehre.

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